Eine Blume für die Phantasie

Diskussion zur Rekonstruktion des Schauspielhauses ist eröffnet

Eine Blume für die Phantasie
Creative Commons Wikipedia CC BY-SA 3.0 - Epizentrum


Die Römer-Fraktion der Bürger Für Frankfurt BFF hat sich vor einigen Tagen offen für die Idee gezeigt, die Frontfassade des historischen Schauspielhauses zu rekonstruieren. Hierzu bedarf es einiger weiterführender Informationen für die Frankfurter Bürgerinnen und Bürger, um ihnen die Erinnerung an dieses historische Gebäude Frankfurts ins Gedächtnis zu rufen und die Chance zu erkennen, unsere Stadt noch attraktiver zu machen.

Gab es in Frankfurt in früheren Jahrhunderten ursprünglich nur wechselnde Auftrittslokalitäten für umherziehende Theatergruppen, so änderte sich dies Ende des 18. Jahrhunderts, als der Rat der Stadt Frankfurt den Bau eines festen Comoedienhauses beschloss. 1782 schließlich fand erstmals eine Vorführung im neu errichteten Frankfurter Nationaltheater (später Frankfurter Stadttheater) am heutigen Rathenauplatz statt. Da dieses Theater aber im ausgehenden 19. Jahrhundert zu klein für die prosperierende Großstadt geworden war, wurde es 1902 geschlossen und 1911 durch ein Geschäftshaus ersetzt. Das gleichzeitig neu erbaute Schauspielhaus eröffnete 1902 am heutigen Standort der Städtischen Bühnen.

Es handelte sich um einen Bau mit großzügiger Jugendstilfassade. Auf einem Rundbogen-Risalit mit einem von Säulen getragenen Balkonvorbau thronte der große Dreiecksgiebel, flankiert von zwei Türmen. Dahinter erhob sich die mächtige Kuppel mit Laterne. Den zweiten Weltkrieg überlebte das Gebäude beschädigt, zwischen 1949 bis 1951 wurde es etwas vereinfacht wieder aufgebaut. Die Fassadenelemente waren weitgehend erhalten geblieben, doch sie überlebten den Moderne- und Abrisswahn der Nachkriegszeit nicht. Da sich das Haus als zu klein erwies, beschloss man nämlich umfangreiche Neubaumaßnahmen. Diese, so die verhängnisvolle Entscheidung, beinhalteten den Abriss der erhaltenen Jugendstil- und deren Ersetzung durch die heute bekannte Glasfassade.

Teile des alten Schauspielhauses haben den Abriss-Frevel bis heute überlebt. So finden sich im Inneren des Schauspielhauses noch erhaltene Mauern mit Fresken. Zudem existiert noch die einst den Giebel des Hauses zierende Figurengruppe im Frankfurter Stadtbild. Die 1899 geschaffene Panther-Quadriga des renommierten Bildhauers Franz Krüger wurde beim Neubau der städtischen Bühnen vom alten Bau genommen und an einen Schrotthändler verkauft. Dieser stellte die Figur erst in seinen Garten, bis sie auf einem Autofriedhof in Nieder-Eschbach landet. Ein Fotograf spürte dort 1973 die vier Meter hohe und 1,1 Tonnen schwere Plastik auf und rettete sie vor der Verschrottung. Sie wurde danach auf den Giebel der 1981 wieder aufgebauten Alten Oper gesetzt und ist dort heute für jedermann zu bewundern.

Der Standort an der Untermainanlage ist eigentlich prädestiniert für einen repräsentativen Bau, der es mit der ebenfalls im ehemaligen Festungsgraben gelegenen Alten Oper aufnehmen kann. Das ist mit dem Bestandsbau aber nicht zu machen. "So radikal wie die Schaufront von Apel/Beckert/Becker hatte von Münster bis Düsseldorf, Mannheim bis Köln noch kein Theaterbau jegliche Repräsentation verweigert", schrieb der Architekturkritiker Dieter Bartetzko einst in dem Bildband "Ein Haus für das Theater - 50 Jahre Städtische Bühnen Frankfurt". Das äußere Erscheinungsbild des Hauses wird der deutschlandweiten Bedeutung der Frankfurter Städtischen Bühnen somit nicht gerecht.

Optisch hat das Bestandsgebäude nämlich wahrlich nicht viel zu bieten. Es ist ein wirres Sammelsurium diverser Bauteile und Anbauten. Monotone horizontale Fensterbänder, unterbrochen von in die Jahre gekommenen Natursteinverkleidungen, wechseln sich ab mit Stahlskelettkonstruktionen und Wellblechelementen. So bleibt einzig der gläserne Frontriegel mit der überdimensionierten Länge von 120 Metern, der bei denjenigen als Identifikationselement dient, die für einen Erhalt des Bestandsgebäudes plädieren. "Sollte das Gebäude wegen des schlechten Zustands nicht mit vertretbarem Aufwand zu sanieren sein, dann kommen nur Abriss und Rekonstruktion in Frage: Und zwar eine weitgehend originalgetreue Wiederherstellung der Fassade von 1963", schrieb der Redakteur Günther Murr trotzig in der "Frankfurter Neuen Presse".

Er versucht sich damit gegen die nun aufkommenden Stimmen stemmen, die durch die neue Situation eine historische Chance für Frankfurt erkennen. Das Bestandsgebäude der Städtischen Bühnen ist nämlich mittlerweile marode, muss dringend saniert werden. So hat es mehrere Wasserrohrbrüche gegeben. In dem Gebäude liefen laut einer Überprüfung durch Spezialisten derzeit die 15 Klimaanlagen nur noch mit einer Leistung von 60 Prozent, die 40 Kälteanlagen brächten noch 40 Prozent Leistung. Würden sie komplett ausfallen, müsste nach der Versammlungsstätten-Verordnung der Spielbetrieb umgehend eingestellt werden. Bei den Überlegungen, wie man weiter verfahren kann, prüft die Stadt, nach Verlautbarungen von Oberbürgermeister Peter Feldmann und Bürgermeister Uwe Becker, mittlerweile den Abriss des Gebäudes. Stehen bleiben würden im Falle eines Abrisses nur die 2009 errichteten neuen Werkstätten der Städtischen Bühnen im hinteren Teil des Gebäudes. Für die anstehenden umfangreichen Arbeiten wurde eine Summe von 300 Millionen Euro genannt.

Nun hat sich eine Gruppe um das AltstadtForum und den Verein Pro Altstadt e.V. zu Wort gemeldet und eine Rekonstruktion der äußeren Form des historischen Schauspielhauses kombiniert mit einem modernisierten Innenleben gefordert.

Die alten Baupläne sind offenbar im Stadtarchiv zu finden, und es wurden bereits die Webseite www.frankfurterschauspielhaus.de und eine Facebook-Seite für das Vorhaben ins Leben gerufen. Statt die nach letzten Schätzungen etwa 300 Millionen Euro noch in eine Sanierung des maroden Bestandsgebäudes zu stecken, sollte nach dem Wunsch der Initiative die Chance aufgegriffen und mit der Rekonstruktion ein großer Sprung gewagt werden.

Diese Rekonstruktion könnte auch anfänglich mit Vereinfachungen im Bereich des Bauschmucks durchgeführt werden. So könnte dann im Laufe der Jahre Schritt für Schritt das anfangs reduzierte Erscheinungsbild durch Bauschmuck ergänzen, wenn dafür neues Geld gesammelt wurde. Da das Ursprungsgebäude eine kleinere Grundfläche als die jetzigen städtischen Bühnen eingenommen haben, könnte sich durch geschickte Raumplanungen daneben eine attraktive Freifläche im öffentlichen Raum gewinnen lassen, die man zur Finanzierung des Neubaus veräußern könnte.

Nimmt man den direkten optischen Vergleich, dürfte sich die Mehrheit der Frankfurter Bürger spontan für die Rekonstruktion des hinter der heutigen Glasfassade teils noch verborgenen historischen Schauspielhauses entscheiden. Gleichwohl sind die Argumente derjenigen, die gegen eine Rekonstruktion sein werden, im Auge zu behalten. Sie werden sich gegen angebliche "Protzerei" wenden, also eine längst überholte Aversion gegen Ornamentik und Bauschmuck zu reaktivieren versuchen. Und sie werden sich gegen die Phantasie wenden, weil Rekonstruktionen im engen Denken der alt gewordenen Moderne noch immer nicht im Bereich des Vorstellbaren angekommen sind.

Dabei müssten sich alte Fronten gar nicht verhärten. Vielleicht wäre es sogar möglich, einen reduzierten Teil der heutigen Glasfassade mit der Rekonstruktion des Schauspielhauses zu kombinieren, indem man diesen an einer Seitenfassade oder der Rückseite des Gebäudes anbringt.

Die Diskussion jedenfalls ist eröffnet.
 

Marlis Lichtjahr

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