Piefige Flachdachreparatur statt Sprung nach vorn

Stadt verhindert Dachrekonstruktion der Kämmerei

Piefige Flachdachreparatur statt Sprung nach vorn
© Foto R. Sawicki

Seit Wochen ist der Römer-Nordbau, der die Kämmerei beherbergt, von riesigen Planen eingehüllt. Wer allerdings glaubte, ein Politikerversprechen würde nun endlich eingelöst und das Dach des schmucken historischen Gebäudes rekonstruiert, der muss sich enttäuscht sehen.

Unter Leitung von Scheffler + Partner Architekten und Dobberstein Architekten Realisierungsmanagement werden stattdessen Umbauten im 4. Obergeschoss, Brandschutzmaßnahmen sowie nur eine Sanierung des maroden Flachdaches durchgeführt.

Der Verein Pro Altstadt sah deshalb Anlass zu einer kritischen, hier dokumentierten, Pressemitteilung mit folgendem Wortlaut:

„Vollmundig hatte der in diesem Jahr aus dem Amt geschiedene Frankfurter Planungsdezernent Edwin Schwarz 2008 dem Planungsausschuss und der Presse verkündet, dass die Stadt in absehbarer Zeit das im Krieg versehrte Dach der Kämmerei (Rathaus-Nordbau) in den ursprünglichen Zustand versetzen würde. Auch die Rekonstruktion der markanten Spitze des Rathausturms `Langer Franz´ wurde angekündigt. Die Fraktionen von FDP und `Freien Wählern´ hatten diese Ziele im Vorfeld gefordert. Das Echo unter Journalisten und Bürgern war damals durchweg positiv.

Heute jedoch stellt sich Schwarz´ Ankündigung als offenkundige Schauschlägerei heraus, man könnte sogar von einer Politiker-Lüge sprechen. Statt endlich an die Umsetzung des Versprechens zu gehen, geht es unter der Regie des neuen Planungsdezernenten Olaf Cunitz im strammen Schritt rückwärts.
Ein riesiges Gerüst ist um die gesamte Kämmerei aufgebaut worden. Doch nicht der endlich erfolgenden Dachrekonstruktion dient der Aufwand, sondern einigen Umbaumaßnahmen und einer Sanierung des mittlerweile maroden Flachdaches mit einem kompletten Kostenrahmen von geschätzt über 4 Millionen Euro.

Wenn man sieht, in welch aufwendiger Weise mittlerweile historische Gebäude in Leipzig oder Berlin saniert werden, ist es einfach nur beschämend, dass die Stadt Frankfurt enormes Geld in die Sanierung eines schäbigen und unpassenden Behelfsflachdaches investiert. Dies zumal an prominenter und von Touristen täglich passierter Stelle direkt neben der Paulskirche. Dem touristischen Standort Frankfurt entsteht somit erneut Schaden durch eine kleingeistige Politik.

Als unlängst der Vertreter der `Piraten´-Partei im Dom-Römer-Sonderausschuss Olaf Cunitz nach den Fortschritten zur Dachsanierung des Ensembles fragte, reagierte dieser ausweichend, verriet aber auch nichts zu den längst beschlossenen Plänen zur Flachdachsanierung. Es liegt auf der Hand, dass sich das neue, `grün´ dominierte Planungsdezernat mit dieser Baumaßnahme klammheimlich um die ungeliebte Rekonstruktion des historischen Daches drücken möchte. Es wird das Argument kommen, dass man nun ja saniert habe und deshalb eine Wiederherstellung des historischen Bauzustands finanztechnisch in absehbarer Zeit nicht mehr vertretbar sei. Man könnte auch äußern, dass das Planungsdezernat die Bürger offenbar für dümmer hält, als sie sind.

Deshalb gilt es Farbe zu bekennen. Wir fordern, dass das hässliche und spießbürgerliche Flachdach nicht das letzte Wort der Geschichte bleibt. Es soll – saniert oder nicht – möglichst bald abgerissen werden und einer ästhetisch angemessenen Lösung Platz machen.“


Während der Fragestunde der Stadtverordnetenversammlung am 15. November fragten die „Freien Wähler“ nach den Ursachen und Kosten der nun fast klammheimlich durchgeführten Maßnahme. Stadtkämmerer Uwe Becker antwortete daraufhin, dass im Vorfeld der „Wiederherstellung eines funktionstüchtigen Daches“ auch die „Möglichkeit der Rekonstruktion des historischen Danches“ geprüft worden sei, aber aus Kostengründen vorerst verworfen wurde. Die nun erfolgende Gesamtmaßnahme, die auch Ausbesserungsarbeiten an der Aluminium-, Naturstein- und Putzfassade sowie die Überholung der Fensterlackierung beinhaltet, ist mit 7.324.132 Euro brutto gemäß Kostenberechnung veranschlagt. Auf die Neueindeckung des Daches und der Regenentwässerung entfallen dabei 2.230.000 Euro. Laut „grob geschätztem Kostenrahmen des Hochbauamtes“ stünden dem für die historische Sanierung des Daches Kosten von 14 Millionen Euro entgegen, was die Gesamtausgabe auf etwa 19 Millionen Euro getrieben hätte.

Nun ist das Kostenargument auf den ersten Blick durchaus einleuchtend, und die „Freien Wähler“ sind sicherlich die letzten, die sich gegen sinnvolle Einsparungen im städtischen Haushalt aussprechen. Allerdings gibt es mehrere Aspekte zu beachten:

- Gerade angesichts der derzeit laufenden Rekonstruktion des Altstadt-Gebiets im Bereich Markt/Hühnermarkt positioniert sich Frankfurt auch touristisch neu. Frankfurt entwickelt seinen historischen Kern, und jede Investition in diesem Bereich dürfte in den Folgejahren zum Mehrwert für die Stadt werden. Frankfurt wird in der Konkurrenz mit anderen deutschen und europäischen Städten attraktiver für Besucher, was wiederum Einnahmen in die Stadt spült.

- Der Paulsplatz mit der historisch bedeutsamen Paulskirche ist ein häufiges Besuchsziel und Fotomotiv von Touristen. Zwangsläufig gerät dadurch die im zweiten Weltkrieg beschädigte Kämmerei auf sicherlich Millionen von Fotografien und Filme, sie dürfte sogar eines der zahlenmäßig beliebtesten Fotomotive der sein, wenn auch eher durch den Zufall des Ortes geschuldet. Eine Wiederherstellung von Giebel und Ecktürmen des Gebäudes hätte die weltweiten fotografischen „Visitenkarten“ der Stadt massiv aufgewertet. Eine Imagemaßnahme also, die vermutlich nachhaltiger wäre, als manche rasch verpuffende Werbekampagne der Stadt.

- Die städtischen Verantwortlichen hätten ihre Pläne zur Flachdachsanierung der Öffentlichkeit in den Medien vorstellen und eine Diskussion anregen können. Sicherlich wären dabei auch Lösungen zu finden gewesen, die einen guten Kompromiss ergeben hätten. Beispielsweise eine schrittweise bzw. Teil-Rekonstruktion des Daches, angefangen zum Beispiel mit dem Paulsplatz-Giebel und den Ecktürmen. Doch die offene Bürgerdiskussion unterblieb oder wurde bewusst vermieden.

- Zudem kann man den Zusammenhang zum umstrittenen Erhalt des Ostflügels des Bundesrechnungshofes herstellen, der gleich gegenüber der Kämmerei liegt. Hier kann man bereits eine gestalterische Linie des seit März fungierenden „grünen“ Planungsdezernenten Olaf Cunitz erkennen, die von kleingeistiger Ängstlichkeit und verinnerlichter Distanz zur historischen Stadt geprägt scheint. Unbestritten sei, dass es auch in Frankfurt zweifellos gestalterisch interessante und wertvolle Gebäude der 1950er Jahre gibt, die erhalten bleiben müssen, beispielsweise das „Junior Haus“ am Kaiserplatz mit seinem geschwungenen Treppenhaus. Das Kuriosum weiter Teile des linken Milieus, darunter auch viele „Grüne“, aber ist, dass sie einerseits nicht müde werden, von der „muffigen“ Adenauer-Zeit mit ihrer verklemmten Moral, ihrem Antikommunismus, ihrer Verdrängung der NS-Schuld und Einbindung ehemaliger „Täter“ zu schwadronieren, gleichzeitig aber möglichst viele architektonische Zeugnisse dieser Ära erhalten und unter Denkmalschutz stellen möchten. Dieses Paradoxon ist nur aufzulösen, wenn man erkennt, dass es ihnen nicht wirklich um die 50er-Jahre-Kunst geht, sondern darum, dass diese Gebäude als „Platzhalter“ die städtebauliche Heilung vieler Straßenzüge von den Kriegs- und Nachkriegsfolgen verhindern sollen, worunter auch mögliche Rekonstruktionen fallen. Der „Schuldkult“ soll sich also auch mit diesem Mittel jedem Bürger in hässlichen Stadtbildern einbrennen, mit allen finanziellen Folgen auch hinsichtlich der touristischen Infrastruktur. Im Falle des Bundesrechnungshofes ist das recht augenfällig. Die Berliner Straße ist bereits in weiten Teilen von teils ansprechender Nachkriegs-Architektur geprägt, die derzeit gar nicht zur Diskussion steht. Das Alleinstellungsmerkmal des Gebäudes ist also kaum gegeben. An anderer Stelle, genannt sei nur das ehemalige „Rundschau-Haus“, die Frankfurter Volksbank an der Fressgass´ oder das Hako-Haus von 1955 auf der Zeil, ist man hingegen überhaupt nicht zimperlich mit Abrissen. Dort standen mögliche Rekonstruktionen nicht auf der Auswahlliste, Investoren konnte freier Lauf gelassen werden. Es geht, so die Schlussfolgerung, beim architektonisch bescheidenen Bundesrechnungshof auch um die „Platzhalterfunktion“. Und die Kämmerei darf sich vielleicht auch gerade deshalb mit ihrem Metallflachdach stilistisch dem maroden 50er-Jahre-Gebäude anpassen.

- Schließlich muss man angesichts der sicherlich hohen Mehrkosten von 14 Millionen Euro für eine Dachrekonstruktion der Kämmerei bedenken, wo dieses Geld möglichenfalls heute dennoch ausgegeben wird, nur an ganz anderer und für den Bürger weitaus weniger nachhaltiger Stelle. Ein Blick in die Ausgaben der Stadt Frankfurt könnte einige unnötige Posten finden, die man kürzen und stattdessen einfach in die Rekonstruktion des Kämmereidaches hätte stecken können. Über 69 Millionen Euro zahlt die Stadt Frankfurt beispielsweise mittlerweile an angehäuften Zinsen, vor allem Schuldzinsen (Stand 2011). Die jährlichen Personalaufwendungen der städtischen Bühnen betrugen 2011 über 23 Millionen Euro, wobei die notorisch schlecht bezahlten Schauspieler davon erfahrungsgemäß den kleinsten Teil ausmachen. Allein die Personalaufwendungen des Jugend- und Sozialamtes betrugen 2011 über 75 Millionen Euro. Und im Dezember wurde eigens für die kleine Minderheit der Skateboardfahrer- und Mountainbiker-Szene der riesige Skater- und Bikerpark „Concrete Jungle“ am Frankfurter Osthafen eröffnet. Die Anlage ist ein Teil des 8,5 Millionen teuren „Hafenparks“ nahe des EZB-Neubaus. Kostenpunkt allein für diesen 5500 Quadratmeter großen Skaterpark: 1,8 Millionen Euro aus dem Stadtsäckel, mögliche Folgekosten nicht eingerechnet. Das Freizeitareal aus Spritzbeton für die kleine Skater-Szene ist dabei nicht nur hässlich, sondern offenbar sogar noch teilweise baulich schlecht ausgeführt worden. Ein maßgeblicher Vertreter der Skater-Szene kritisierte bei der Eröffnungsfeier, dass die „Curbs“ (Aufkantungen) teils zu niedrig, bestimmte „Rails“ (Geländer) hingegen zu steil gebaut wurden. Selbst sehr erfahrene Skater könnten diese Stellen somit kaum richtig befahren.

Schlussfolgerung: Da die große Chance auf Verbesserung der Situation am Paulsplatz und somit eine optische Aufwertung des Stadtbildes für Jedermann nun leider verpasst wurde, müssen die Bürger umso stärker darauf drängen, dass möglichst bald der Rathaus-Turm „Langer Franz“ seine historische Spitze wiedererhält. Somit könnte die neue Braubachstraße zumindest ihren traditionellen Blickfang und ihr Symbol zurückgewinnen.


Marlis Lichtjahr

Leserkommentare (1)

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An dieser Stelle kann mal wieder erkennen, dass Herr Cunitz und die Grünen nur in ihrer Ideologie verhaftet sind.
Herr Cunitz, der noch nie in seinem Leben richtig gearbeitet und stets von der Staatsknete gelebt hat möchte gar nicht die Frankfurter Kultur erhalten.
Alles was die Deutschen in der Vergangenheit aufgebaut haben soll nach deren Überzeugung abgerissen werden.
Das ist der typische Grüne Rassismus.
Gleichzeitig werfen sie den - Bürgerlichen - Rassismus vor.

Wenn Herr Cunitz behauptet, dass er einmal in der Marketing gearbeitet hat, könnte er ja Ross und Reiter nennen. Dass er sich als "Marketingleiter" auch noch darstellt, zeigt doch sehr eindeutig, dass er, wie auch viele andere Grüne, die Wahrheit verschweigt.

Und die CDU ist mal wieder so dumm, dass sie den Grünen hinterherlaufen.

Das ist feinste Politik gegen die Bürger in Frankfurt.

Es wird Zeit, dass sich die Politik in Frankfurt ändert.