Problemkind Alt-Sachsenhausen

Ein Gang durch die Schmuddelecken der Party-Altstadt

Problemkind Alt-Sachsenhausen
© Fotos: Marlis Lichtjahr



Alt-Sachsenhausens Geschichte ist noch gut am Gassenverlauf und einigen erhaltenen Baudenkmalen erkennbar. So verweisen beispielsweise der Kuhhirtentum und das Steinern Haus von 1450 in der Klappergasse auf die dort heute noch erahnbare spätmittelalterliche Substanz. Leider hat die nun schon Jahrzehnte andauernde Konzeption des Stadtquartiers als Vergnügungsviertel bzw. Partyareal der niederen Preiskategorie der Bausubstanz und dem baulichen Erscheinungsbild vieler Häuser nicht gut getan.

Die Stadt hat in der Vergangenheit versucht, punktuelle Verbesserungen herbeizuführen. Größere Würfe wurden gelegentlich versprochen, jedoch nie eingehalten. Somit bleibt nur die mühselige Arbeit im Kleinen.

Im folgenden soll auf einige aktuelle Problemfälle Alt-Sachsenhausens hingewiesen werden und dabei sollen Vorschläge zur Verbesserung unterbreitet werden.

Zuerst einige allgemeine Probleme. Allgegenwärtig ist gerade in den ruhigen Hintergassen die Taubenplage. Hier ist die Stadt gefragt, stärker als bisher Maßnahmen zur Eindämmung der Taubenflut zu ergreifen. Gerade im Bereich der Sackgasse der Großen Rittergasse 40 ("Speak easy") und der zur Klappergasse gehörenden Abzweigung "Hainer Hintergass" beim "Gorjel Schwenker" haben sich Tauben besonders eingenistet.





Viele Lokalitäten sind der historischen Bausubstanz eigentlich nicht angemessen oder erzeugen ein unangemessenes Erscheinungsbild. So finden sich Imbissbuden in Fachwerkhäusern.





Oder die sicherlich lobenswerte Konzert-Lokalität "Ponyhof" präsentiert Türen, Fensterläden und Erdgeschoss seines 1786 erbauten Domizils voller Plakate, Aufkleber und Gekritzel.





Vom kaum sanierten Innenzustand vieler historischer Gebäude soll erst gar nicht die Rede sein. Daneben existiert immer noch offenkundig etlicher Leerstand, was in einer Stadt mit horrenden Mieten und Wohnraumbedarf verblüffend erscheint.




Ein Ergebnis des Leerstands sind Ecken, um die sich niemand kümmert. So entstehen unweit von Sisha-Bars und Diskotheken Areale, in denen Obdachlose Unrat anhäufen und hausen, wie am Paradiesplatz vor dem seit Jahren leer stehenden Paradieshof.





Neubauten werden oft in eher unpassender moderner Architektursprache errichtet, wie in der Kleinen Rittergasse,




teils fügen sie sich aber mittlerweile architektonisch gut in das Ensemble ein, wie beispielsweise die frisch errichteten Häuser in der Klappergasse 35-39, wo sich einst halb eingestürzte Fachwerkhäuser befanden, oder das Haus Paradiesgasse 53.




Abgesehen von jenen allgemeinen Punkten sind auch einige aktuelle Probleme zu entdecken. Teils besteht Hoffnung, dass diese bald verschwinden, teils wird man die Stadt anhalten müssen, weit mehr Aktivität zu zeigen.

Im Hinterbereich des Grundstücks Paradiesgasse 15-17 existiert ein gotischer Wohnturm, der sträflich vernachlässigt wird, statt über eine Restaurierung und architektonische Wiederbelebung nachzudenken. Vor einiger Zeit wurde die Mauerkrone lieblos mit modernen Steinen festgemauert. Zu weitergehenden Bemühungen hat sich die Stadt bislang nicht durchringen können.



Eine Projektgemeinschaft baut derzeit einen von Franken Architekten der historischen Kubatur angepassten Neubau auf dem Gelände der Kleinen Rittergasse 9a -11 (Hainer Hintergass).

Dafür wurde ein Fachwerkgebäude des 19. Jahrhunderts abgerissen. Die rechts daneben stehende verschindelte Kleine Rittergasse 13, erbaut um 1740, steht leer und soll angeblich von Inhaber Kilian Bumiller saniert werden. Unlängst standen die Fenster offen und Tauben flogen dort ein und aus. Mittlerweile sind wenigstens die Fenster geschlossen worden.





Gegenüber befindet sich das Lokal "Gorjel Schwenker". Berichten zufolge plant Eigentümer Kilian Bumiller den Abriss. Das wäre sehr bedauerlich, handelt es sich doch um ein gelungenes Beispiel für altstädtisch angepasste Architektur. Das Gebäudeensemble stammt aus den 1970er Jahren und ist durch seine vorgeblendete Fachwerkfassade nur Kennern vom Altbestand unterscheidbar.

Ein Erhalt durch Sanierung wäre hier sehr zu begrüßen.





Die daneben liegende und durch einen Gebäudeeinsturz entstandene Baulücke Kleine Rittergasse 17 sollte dagegen recht bald mit einem passenden Neubau wieder gefüllt werden. Der aktuelle unbefriedigende Zustand sollte keinesfalls zur Dauerlösung werden.




Bewegung kommt offenbar langsam in das lange leerstehende und wegen Baufälligkeit abgestützte Gründerzeitgebäude Große Rittergasse 88, direkt an der Ecke zur Frankensteiner Straße gelegen. Seitdem es vor Jahren einmal brannte, ist das Erdgeschoss verriegelt. Nun hat ein Investor offenbar die Planung eines Boarding-Hauses im Hof des Gebäudes in Angriff genommen und Franken Architekten mit der Umsetzung beauftragt.

Hinter- und Seitenhaus wurden bereits abgerissen. Die damit einhergehende Sanierung der Großen Rittergasse 88 hat offenbar begonnen. Ein Baufortschritt ist allerdings nur langsam erkennbar.





Gegenüber wurden 2012 die baufälligen Obergeschosse des historischen Gebäudes Große Rittergasse 75 abgetragen und ein Behelfsdach über dem Erdgeschoss errichtet. Bis heute hat sich an diesem provisorischen Zustand nichts geändert. In dieser Angelegenheit ist dringend mit dem Eigentümer zu sprechen, wann eine Rekonstruktion der Obergeschosse geplant ist. Der Vorzustand ist hier zu sehen.





An der Mündung Paradiesgasse / Große Rittergasse errichtete Jo Franzke vor vier Jahren ein markantes rotes Wohngebäude.

Gegenüber wurde der Kuhhirtenturm aufwändig saniert. Das Straßenpflaster wurde indes bis heute nicht in einen ordentlichen Zustand zurückversetzt. Lieblos wurden die Flächen überteert, nicht einmal eine klare Straßenkante ist mehr erkennbar. Bislang scheint sich niemand aus der Stadtverwaltung dafür verantwortlich zu fühlen. Müßiggang kennt keine Eile.





Das lenkt den Blick auf den Straßenraum am Rande der Sachsenhäuser Altstadt. Vor Jahren schon debattierte Vertreter des Stadtplanungsamtes über eine Begrünung der tristen Elisabethenstraße. Der quantitativ abgenommene Verkehr ließe gar eine Verkleinerung der Straße zu, hieß es. Geschehen ist bis heute nichts. Somit ist erneut zu prüfen, ob nicht eine Baumreihe in der Mitte der Straße oder Straßenbäume am Rand als Begrünungsmaßnahme pflanzbar wären.





Ähnliches bei der westlichen Seehofstraße, bei der durch Neupflanzung von Straßenbäumen die optische Symmetrie und ein Alleecharakter herzustellen ist. Dieser enormen Aufwertung der Straße und der Lebensqualität der Anwohner würde der Verlust einiger Parkplätze entgegen stehen, für die man sich Ersatzlösungen überlegen müsste.





Beim Frankensteiner Platz besteht wiederum das Problem, dass er heute kaum noch als Platz erkennbar ist. Hier wäre es entweder durch eine gärtnerisch geplante Begrünung oder markante Möblierung nötig, den halbrunden Charakter des Platzes wieder stärker zu betonen.








Marlis Lichtjahr

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