Das ungarische Wunder des Victor Orbán

Wie ein Land seine Krise überwunden hat

Das ungarische Wunder des Victor Orbán
© Foto: Marlis Lichtjahr

Die Regierung in Ungarn hat in den deutschen Medien und Öffentlichkeit einen schlechten Ruf: Autoritär, reaktionär, zigeunerfeindlich, gar antisemitisch. Doch Regierungschef Victor Orbán und seine Partei haben gerade erneut die Wahlen klar gewonnen. Und Orbán war Gast in Berlin, wo er zunehmend respektiert zu werden scheint. Hier der Bericht eines in Frankfurt lebenden und arbeitenden Ungarn, der ein anderes Bild von der politischen Entwicklung Ungarns zeigt:
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Wenn in den Jahren um 1990 Deutsche Ungarn besuchten, hatten sie nach der Rückkehr meist Positives zu berichten. Sie schwärmten von der Gastfreundschaft, der Küche und prophezeiten dem Land im Herzen des Karpatenbeckens eine strahlende Zukunft. Der Autor dieser Zeilen hegte damals die Befürchtung, paranoid zu sein. Denn ich sah etwas völlig anderes: Eine bis ins Mark kranke und korrumpierte Gesellschaft.

Anfang der Siebziger Jahre erhielt Ungarn von westlichen Banken einen Kredit über 100 Millionen Dollar. Die ungarische KP steckte einen Teil des Geldes in die eigene Tasche und verwendete den  Rest dafür, die Bevölkerung durch Konsumgüter und billige Dienstleistungen zu beruhigen. So waren alle zufrieden. Die KP konnte die Lebenszeit des siechen Gulaschkommunismus künstlich verlängern, das Volk durfte auf die ärmeren Ostblocknachbarn herabblicken. Und natürlich die Banken: Ungarn war, dank der Magie von Zins und Zinseszins, Ende der siebziger Jahre praktisch bankrott. Dadurch setzte die Kreditspirale ein. In den folgenden Jahrzehnten verdienten die Banken ein Mehrfaches der verliehenen Summen, während Ungarn im Schuldensumpf versank.

Während der Wende wurde die demokratische Opposition von der KP wortwörtlich über den runden Tisch gezogen. Die unerfahrene Opposition  gab sich damit zufrieden, dass die KP ihre politische Alleinherrschaft aufgab. Doch die aus der KP stammenden Seilschaften behielten die Schlüsselpositionen in der Wirtschaft, bei den Medien, Geheimdiensten und in der Polizei, in Bildung und Kultur. Diese Seilschaften, die es gewohnt waren, in ihrem eigenen Interesse fremden Herren zu dienen, mutierten zu den treuesten Verbündeten des Westens. Die wilde Privatisierung machte die ehemaligen KP-Funktionäre innerhalb von kürzester Zeit zu Dollar- und D-Mark-Millionären.

Ein Paradebeispiel für diese neuen Freunde des Westens ist Tamás Bauer. Der Vater von Tamás Bauer, ein Offizier der ungarischen Stasi,  trug in der stalinistischen und poststalinistischen Ära den Spitznamen „Nagel-Bauer“, weil er Verdächtigen gerne die Fingernägel ausriss. Sein Sohn Tamás gehörte bei der Wende  zu den Gründern der liberalen Partei SZDSZ und lehrte dann in Frankfurt Wirtschaftswissenschaften. An der Frankfurter Uni fühlte sich Bauer wie zu Hause - gehörte doch der ungarische Kommunist György Lukács zu den geistigen Vätern der „Frankfurter Schule“. Leute wie Bauer, einer der eifrigsten Orbán-Gegner, stellten die Verbindung zwischen den ungarischen Sozialisten, Links- und Neoliberalen einerseits, den roten und grünen Parteien Westeuropas andererseits her.

Als genauso verheerend sollte es sich erweisen, dass 1989/90 keine geistige Wende bei der Bevölkerung erfolgte. Die Schattenwirtschaft und die Korruption in der Verwaltung überlebten den Gulaschkommunismus und legten sich wie giftiger Klärschlamm über die Gesellschaft. Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und Bestechung waren alltäglich. Zum Symbol der Neuen Zeit wurden die „Bisnis-Menn“, die ohne erkennbares Einkommen Luxusautos und Immobilien sammelten und jene zahlreichen Frührentner, die diesen Status durch eine großzügige Spende in die Kaffeekasse ihres Arztes erhielten.

Die Kosten der Scheinblüte trugen die ehrlichen ungarischen Arbeiter, Bauern, Handwerker, Angestellten und Beamten, die sich nicht korrumpieren ließen, die nicht betrogen oder nur dann, wenn die Existenz ihrer Familie auf dem Spiel stand. Mitte des letzten Jahrzehntes waren die Ressourcen aufgebracht, während der Appetit der Haifische und Heuschrecken immer noch weiter wuchs.

Die Wende in Budapest

Die große Habsburgerin Maria Theresia sagte einmal: „Wenn man die Schafe scheren will, dann muss man sie auch füttern.“ Als die Schafe, das ungarische Volk, bis auf die Haarwurzeln geschoren waren und es auf der Weide nicht einmal Unkraut gab, kam der Augenblick des Erwachens. Es erfolgte ein politisches Erdbeben und die Nation gab bei den Wahlen von 2010 Viktor Orbán in Form einer parlamentarischen Mehrheit den eisernen Besen in die Hand.

Orbán und seinen Mitstreitern gelang ein regelrechtes Wunder. Gegen den Widerstand der ungarischen Oligarchen und ihrer Seilschaften, der internationalen Finanzwelt, der EU-Bürokratie, des rot-grünen Parteienspektrums und leider auch die geistige Trägheit und Feigheit der west- und mitteleuropäischen Konservativen baute er die Schulden und Arbeitslosigkeit ab, kurbelte die Wirtschaft an und gab der ungarischen Gesellschaft ihren Stolz zurück.

Viktor Orbán glaubt fest daran, dass Ungarn eine historische Bestimmung hat und dieser folgen muss. Deshalb wirkt er auf viele Beobachter arrogant und beratungsresistent. Doch auch wenn seine wirtschaftlichen, politischen und sozialen Strategien nicht immer nachvollziehbar wirken, so trugen sie langfristig Früchte. Orbán wird geliebt oder gehasst, doch hinter diesem Mann stehen Berater, die seine „unorthodoxe Politik“ prägten.

Dabei handelte es sich um sehr unterschiedliche Menschen wie seinen geistigen Mentor Zoltán Balog, einem protestantischen Geistlichen, die jüdische, prowestliche Liberale Zsuzsa Hegedüs und Zsolt Bayer, das Raubein der ungarischen Politik. Oft wurden provokante Zitate Bayers aus dem Zusammenhang gerissen und verfälscht wiedergegeben, um ihn als Antisemiten oder Antiziganisten dastehen zu lassen. Es spricht für Orbáns Standfestigkeit und Charakter, dass er sich nie von Bayer distanzierte, niemals Betroffenheit heuchelte. Orbán weiß, dass sein Jugendfreund Bayer kein Antisemit und kein Antiziganist ist. Mehr dazu zu sagen, hält er für unnötig.

Orbán nötigte der ungarischen Gesellschaft viele Opfer ab. Er ging hart gegen die Korruption und Steuerhinterziehung vor, reformierte das Gesundheitswesen, zwang Langzeitarbeitslose in die Arbeitswelt zurück. Die Roma-Strategie seiner Regierung wurde von der EU zähneknirschend gelobt. Dennoch erreichte er bei den Wahlen von 2014 für sein Parteienbündnis erneut eine parlamentarische Zwei-Drittelmehrheit.

Lehren für Deutschland

Was aber kann Deutschland daraus lernen? Diese Frage lässt sich im Wesentlichen in drei Sätzen beantworten:

- Eine Nation ist erst dann zum einem grundlegenden Wandel, einer geistigen Wende bereit, wenn alle ihre Illusionen zerplatzt sind, sie wirtschaftlich und gesellschaftlich ganz weit unten angekommen ist.

- Wenn diese Nation beschließt, sich aus dem Sumpf zu befreien, wird sie die volle Wucht der Angriffe der Kräfte der Globalisierung zu spüren bekommen; die Medien, Ratingagenturen, die EU-Bürokratie, die NGO´s werden sich wie eine Meute wilder Hunde auf die „Abweichler“ stürzen.

- Wenn eine kleine Nation wie die ungarische diese Angriffe übersteht und gestärkt aus diesen Kämpfen hervorgeht, dann wird auch das große Deutschland in diesem Kampf siegen - es muss bloß kämpfen wollen!


Attila Varga

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