Sind die Bürger anderswo mehr wert als in Hessen?

In Bayern wäre der Bürgerentscheid für die Rennbahn gelaufen

Sind die Bürger anderswo mehr wert als in Hessen?
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Für ein erfolgreiches Bürgerbegehren, d.h. für die Änderung eines Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung, ist in Hessen eine Zustimmung von 25 % der Wahlberechtigten notwendig. Diese Zustimmungsrate wurde bei dem Bürgerentscheid über die Rennbahn in Frankfurt nicht erreicht: die 62.900 Bürger, die für den Erhalt der Rennbahn stimmten (gegenüber 40.196 die mit Nein stimmten), machten 12,64 % aller Wahlberechtigten aus. Von allen, die zur Wahl gingen, votierten 61,0 % für den Erhalt der Rennbahn. Das ist eine klare Mehrheit, von denen selbst sogenannte „Volksparteien“ nur noch träumen können

Im hessischen Nachbarland Bayern liegt das Zustimmungsquorum in Großstädten hingegen bei nur 10 %. Dies heißt im Klartext: in Bayern wäre die Rennbahn erhalten geblieben. In Thüringen, ebenfalls ein Nachbarland von Hessen, reicht in Städten über 50.000 ebenfalls eine Zustimmung von 10 % aller Wahlberechtigten. Ebenso in der Bundeshauptstadt Berlin. In Hamburg heißt es gar: „Es entscheidet die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen.“ (BezVG § 32, Abs. 9, Satz 2), das heißt die einfache Mehrheit.

Von der hessischen Landesregierung ist eine Änderung des Zustimmungsquorums bei Bürgerentscheiden geplant. In Großstädten soll das Quorum von 25 % auf 15 % gesenkt werden. Mit einem Zustimmungsquorum von 15 % schon beim Bürgerentscheid am Sonntag in Frankfurt hätte dies mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer weiteren Mobilisierung beigetragen. Doch in Hessen, also auch in Frankfurt bleibt es vorerst bei einem Zustimmungsquorum bei Bürgerentscheiden von 25 %.

Die beiden Hauptinitiatoren für die Bestimmung der Rennbahn als DFB-Standort, Bürgermeister Cunitz (Grüne) und Sportdezernent Frank (CDU) haben stellvertretend für den gesamten Frankfurter Magistrat wohl mehr denn je ein Interesse daran, dass dies auch so bleibt. Denn ihre Spielart von Demokratie ist nur dann schön, wenn sich die Wähler möglichst wenig einmischen können - einmal Kommunalwahl alle fünf Jahre reicht da völlig.

In diesem Zusammenhang ist es interessant zu wissen, dass es weder bei Kommunalwahlen noch Oberbürgermeisterwahlen ein Quorum gibt. Theoretisch können also bloß 100 Wähler in Frankfurt bestimmen, wie sich das Stadtparlament mit seinen 93 Sitzen politisch zusammensetzt oder wer die Stadt sechs Jahre lang repräsentiert. In Anbetracht der stark zurückgehenden Wahlbeteiligungen gerade auf kommunaler Ebene ist diese Möglichkeit keineswegs so absurd, wie es den Anschein hat. Übrigens bekamen weder die Regierungsparteien CDU noch ihr Koalitionspartner Grüne bei der Kommunalwahl 2011 jeweils so viele Stimmen wie die Befürworter der Rennbahn. In den Frankfurter Zeitungen war darüber am Tag nach dem Bürgerentscheid nichts zu lesen.


CR/WH

Leserkommentare (1)

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Die Demokratie schafft sich gerade selbst ab, und das ist vielleicht sogar gut so.

Warum, das beschreibt Andreas Tögel in seinem Buch "Schluss mit Demokratie und Pöbelherrschaft!: Über die Illusion der Mitbestimmung".
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Bis es so weit ist, wäre ich dafür, den Quorum-Gedanken weiterzuentwickeln: Die Partei der Nichtwähler muß in den Römer und in alle Parlamente. Liegt die Wahlbeteiligung z.B. nur bei 50 Prozent, dann bleibt die Hälfte der Sitze im Römer, im Landtag oder im Bundestag leer. Das wäre gerecht.