„Wir bleiben Fußball-Hauptstadt“

Das Ergebnis des Bürgerentscheids und die Frankfurter Presse

„Wir bleiben Fußball-Hauptstadt“
© Iwona Golczyk - pixelio.de


Der erste Bürgerentscheid in der Frankfurter Stadtgeschichte war zweifellos lokalpolitisch von besonderer Bedeutung. Es ist deshalb von Interesse, wie die vier in Frankfurt verbreiteten Zeitungen in ihren Berichten und Kommentaren auf das Ergebnis reagiert haben. Im Vorfeld der Wahl hatten sich in den Veröffentlichungen der Zeitungen zu dem Thema Bürgerentscheid deutliche Tendenzen abgezeichnet: Die Bild-Zeitung gab sich – ganz ungewöhnlich – betont neutral, die linke Frankfurter Rundschau (FR) verhielt sich durchaus journalistisch ausgewogen, bei der Frankfurter Neuen Presse hatten Magistrat und DFB in zwei Redakteuren hingegen treue Unterstützer. Waren die beide nicht im Dienst, gab es aber auch objektivere Stimmen. Und bei der FAZ wurde klar die von Lokalchef Dr. Alexander vorgegebene Linie der Parteinahme gegen die Erhaltung der Rennbahn befolgt.

Wie sah es also am Tag nach der Entscheidung aus?
 

Bild-Zeitung


Überschrift:

„Bürgerentscheid gekippt! Frankfurt sagt JA zu DFB-Zentrum“

Text:

Kurz die wichtigsten Fakten samt einigen Politikerstimmen und einer Äußerung des Rennklub-Präsidenten, der als „Rennbahn-Chef“ vorgestellt wird.

Kommentar:

Keiner

Anmerkung:

Da in der Bild-Zeitung die Überschriften bekanntlich wichtiger sind als die Texte, muss festgestellt werden: Zwei Aussagen - eine sprachlich verunglückt, die andere wahrheitswidrig. Denn es kann allerlei kippen, aber nicht ein Bürgerentscheid. Dessen Initiatoren können allerdings mit dem Versuch scheitern, einen politischen Beschluss zu kippen. Die Behauptung, Frankfurt habe „JA zum DFB-Zentrum“ gesagt, widerspricht den Tatsachen, denn tatsächlich haben über 60 Prozent der Teilnehmer am Bürgerentscheid mit ihren Ja-Stimmen faktisch „Nein“ zum DFB-Zentrum auf dem Rennbahn-Gelände gesagt. Ausschlaggebend war die hohe Hürde des 25 Prozent-Quorums in der Hessischen Gemeindeordnung (HGO), die nicht überwunden werden konnte. Aber die Überschrift: „HGO sagt JA zum DFB-Zentrum“ wäre wahrscheinlich kein Renner in der Bild-Zeitung…
 


Frankfurter Neue Presse (FNP)


Überschrift:

„Wir bleiben Fußball-Hauptstadt“

Text:

Ausführliche und durchaus ausgewogene Darstellung des Geschehens am Wahlabend sowie eine informative Reportage von den Reaktionen der Rennbahn-Freunde vor Ort.

Kommentar:

FNP-Lokalchef Boris Tomic hat viele kritische Bemerkungen in seinem „Nun zählt ein kühler Kopf“ betitelten Kommentar. Er schreibt unter anderem: „Und doch bleibt bei diesem ersten Bürgerentscheid am Main ein fader Beigeschmack. Mit unerwarteter Härte sind die konkurrierenden Parteien aufeinander losgegangen….Die Vertreter der politischen Lager bildeten hier leider keine Ausnahme – ein sehr unrühmliches Bild, das die gewählten Volksvertreter abgaben.“ Und weiter heißt es: „Nun, nachdem die Stimmen ausgezählt sind, ist die Politik gefragt – jenseits von Häme und schadenfrohen Siegerlächeln gilt es, die gegensätzlichen Lager wieder zu befrieden, damit Ruhe einkehrt in unsere Stadtgesellschaft.“ Ob das möglich ist, bleibt abzuwarten. Tomic ist jedenfalls nicht so ganz wohl bei dem Bürgerentscheid-Geschehen und den politischen Reaktionen auf das Resultat.

Anmerkung:

Ein recht annehmbarer Kommentar mit nachdenklichen Tönen
 


Frankfurter Rundschau (FR)


Überschrift:

„Das Rennen ist gelaufen“

Text:

Viele informative Fakten, Berichte und Stimmen aus den gegensätzlichen Lagern. Im Gegensatz zur FNP kein Zitat eines politischen Befürworters des Rennbahn-Erhalts. Trotzdem journalistisch sehr akzeptabel.

Kommentar:

„Ernüchternd“, das ist der Titel der Überlegungen von Claus-Jürgen Göpfert. Er schreibt: „Die Zukunft der traditionsreichen Anlage in Niederrad war den meisten in der Stadt keine Herzensangelegenheit.“ Weiter heißt es allerdings auch: „Umgekehrt bedeutet das Ergebnis des Bürgerentscheids vom Sonntag, dass die Zustimmung für eine Akademie des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) auf die sich jetzt die Stadt beruft, äußerst gering ausfiel. Das Projekt hat die Menschen in Frankfurt keineswegs mobilisiert, ja bisher nicht einmal besonders interessiert. Hier müssen Stadt und DFB jetzt noch viel Überzeugungsarbeit leisten.“ Kritische Töne schlägt Göpfert in Richtung DFB an: „Gerade der DFB hat sich in den zurückliegenden Monaten wenig bürgernah präsentiert. Eher wirkte er wie ein kleiner Staat im Staate, dessen Repräsentanten wie selbstverständlich gewohnt sind, dass sich die Politik, aber auch Öffentlichkeit und Medien nach ihrem Willen ausrichten.“

Anmerkung:

Trotz einiger eher feindseliger Spitzen gegen den Renn-Klub und die Bürgerinitiative „Pro Rennbahn“ ein akzeptabler kritischer Kommentar.
 


Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)


Überschrift:    

„Weg für DFB-Akademie in Frankfurt ist frei“

Text:

Ausführliche Darstellung und Zitate der Reaktionen von Politikern aus CDU, Grünen und OB Feldmann sowie eines Vertreters des DFB. Die erwünschten Äußerungen des von der FAZ-Berichterstatterin befragten BFF-Stadtverordneten Hübner, also des einzigen am Wahlabend im Römer anwesenden politischen Befürworters des Rennbahnerhalts, werden nicht zitiert. Dafür wird in einem weiteren Stimmungsbericht aus dem Römer eine Äußerung von Hübner so verkürzt zitiert, dass der Eindruck entstehen muss, sogar er sei höchst angetan über das Ergebnis des Bürgerentscheids. Man kann sowas als Beispiel journalistischer Manipulation bezeichnen. In Ordnung und fair dagegen der Stimmungsbericht eines FAZ-Reporters von der Wahlzusammenkunft auf der Rennbahn – so geht es also auch.

Kommentar:

FAZ-Lokalchef Matthias Alexander titelt seine Überlegungen zum Ausgang des Bürgerentscheids „Starkes Ergebnis, klare Niederlage“. Alexander hat nie einen Hehl daraus gemacht, ein Befürworter des DFB-Projekts auf der Rennbahn zu sein. Etwas gönnerhaft stellt er im Hinblick auf die rund 63.000 Ja-Stimmen fest: „Die Anhänger des Pferdesports haben einen Achtungserfolg erzielt“. Dann aber legt er dar, wie weit die Initiatoren des Bürgerentscheids ihr Ziel verfehlt hätten. Der Leser spürt die Freude des Verfassers daran. Dann kommt ein Absatz, der vollständig zitiert werden muss, um darauf einzugehen: „Die schwarz-grüne Koalition im Römer, die gemeinsam mit der SPD das Projekt gestützt hat, kann sich in ihrer defensiven Strategie bestätigt fühlen. Sie hatte sich sehr zurückhaltend für das Vorhaben eingesetzt, um erst gar keine Ressentiments aufkommen zu lassen, wonach sie Macht und Steuergelder darauf verwenden würde, um die Bürger in eine bestimmte Richtung zu drängen.“

Alexander stellt hier die realen Verhältnisse völlig falsch dar: Denn die schwarz-grüne Koalition und die SPD hatten von vornherein einen stillen, aber ungeheuer mächtigen und am Ende auch ausschlaggebenden Machtfaktor auf ihrer Seite, nämlich die kaum zu überwindende Quorums-Hürde der Hessischen Gemeindeordnung. Mit diesem „Verbündeten“ glaubten die verantwortlichen Politiker im Römer, die lästige Sache locker aussitzen zu können. Doch im Laufe der Zeit und unter dem Eindruck der vielen Plakate der Rennbahnbefürworter wurden sie immer nervöser. Das führt im Endspurt sehr wohl dazu, dass sowohl die Römer-Mehrheit wie auch der DFB ihre Macht massiv einsetzten und Steuergelder bzw. Verbandsgelder im großen Stil darauf verwendeten, um noch in letzter Stunde die Zahl der Nein-Stimmen zu maximieren. Die FAZ hat selbst von den ganzseitigen Anzeigen der Stadt und des DFB nicht wenig profitiert, das müsste Alexander eigentlich mitbekommen haben. Und auch seine Zeitung hat darüber berichtet, wie die Dezernenten Cunitz und Frank ihre städtischen Mitarbeiter unverblümt aufgefordert haben, mit Nein zu stimmen.

Was Alexander am Ende seines Kommentars als „Ergebnis einer demokratischen Entscheidung“ bezeichnet, war tatsächlich das Ergebnis einer haushohen politischen und strukturellen Überlegenheit derjenigen, die sich dazu entschlossen hatten für den Standort Rennbahn als DFB-Zentrale. Rund 63.000 Ja-Stimmen waren aber nicht genug, um den FAZ-Journalisten zu solchen Überlegungen zu bewegen.

Anmerkung:

Der FAZ-Lokalchef ist kein Freund von Bürgerentscheiden, besonders nicht von dem am 21. Juni 2015 in Frankfurt. Das ist völlig legitim, sollte aber einen ordentlichen Journalisten nicht dazu verführen, Geschehnisse schönzureden oder gar zu leugnen, die der politischen Kultur und Moral in Frankfurt sehr geschadet haben. Und Matthias Alexander sollte eigentlich wissen, dass mehr Menschen mit Ja votiert haben als jeweils CDU, Grüne oder SPD bei der letzten Kommunalwahl 2011 an Wählerstimmen verbuchen konnten.

 

Wolfgang Hübner

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