Von Dubai nach Crackfurt
Ein Soziologe beleuchtet Frankfurts Städtepartnerschaft

Von Claus Folger
Am 14. Juni 2005 besiegelte man im Rathaus Römer mit Dubai City die 14. Städtepartnerschaft Frankfurts. Die damalige Oberbürgermeisterin Petra Roth verfolgte mit der Partnerschaft das Ziel, Frankfurt bis zum Jahr 2030 als führende Metropole im internationalen Kontext weiterzuentwickeln und von den Dynamiken wachsender Städte wie Dubai zu lernen. „Wie kann Bauen in interoperablen Datenräumen mit KI digitalisiert werden, um statt Abriss die Sanierung bestehender Strukturen zu berechnen?“, wäre zum Beispiel der aktuelle Aufhänger für eine Kooperation mit Firmen aus Dubai. Noch im Februar dieses Jahres empfahl die IHK Frankfurt auf einer Round-Table-Veranstaltung den umfassenden Markteintritt in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), eine Föderation von sieben autonomen Emiraten. Deren Staatswesen wird vom deutschen Auswärtigen Amt als „patriarchalisches Präsidialsystem mit traditionellen Konsultationsmechanismen“ definiert. Es handelt sich um eine Kombination aus traditionellen und modernen Elementen, wobei die Regierung versucht, einen starken Modernisierungskurs und die Erhaltung von islamischen und regionalen Traditionen zusammenzuführen.
Der Frankfurter Soziologe Alfred Fuhr versucht das Phänomen Dubai zu verstehen. Selbst auch Künstler, kommt ihm dabei ein traditioneller Scheich in den Sinn, der malt wie Andy Warhol: „Sie sind komplett offen, auch in ihrer künstlerischen Darstellung.“ Alfred Fuhr empfindet es als Unterlassung, daß Dubai für die meisten Frankfurter eigentlich nur ein Touristenziel ist. Dabei gebe es weltweit viele Familien, die dorthin ziehen wollten, weil man viel unternehmen könne und es insbesondere für Frauen sicher sei. Die Polizei benutze zum Beispiel auch Drohnen, um Verbrechen so schnell wie möglich aufzuklären. Nicht zuletzt wegen der flächendeckenden Überwachung des öffentlichen Raumes führt das Auswärtige Amt die VAE als eines der sichersten Länder der Region mit einer äußerst niedrigen Kriminalitätsrate auf. Ein „Key-Takeaway“ für potentielle Firmengründer ist zudem die hohe Aufklärungsquote, da im Gegensatz zu Frankfurt die Polizei in Dubai Verbrechen konsequent verfolgt.
Neulich drangen gleich fünfmal innerhalb einer Woche Einbrecher im Westend in der Feuerbachstraße in das M-Steakhouse ein. Der Eigentümer und CEO der Mook-Gruppe, Christian Mook, sagt lapidar: „Wir wurden schon so häufig Opfer von Diebstahl, Betrug, Einbruch und sogar Raub, daß wir die genaue Zahl nicht einmal annähernd schätzen können. Was wir uns hingegen perfekt merken konnten, ist die Zahl der aufgeklärten Fälle, denn sie ist nicht schwer zu merken. Sie liegt nämlich exakt bei nullkommanull.“ Waren es Junkies aus dem angrenzenden Bahnhofsviertel, wo der Magistrat gerade für ein neues Crack-Zentrum votierte, als ob Abhängige mitten im Drogensumpf gesunden könnten? Alfred Fuhr spricht mehrfach von einer demokratisch organisierten Unverantwortlichkeit in Frankfurt. Dagegen habe Dubai als erklärtes Ziel: „‚Ich will, daß meine Bürger die beste Krankenversicherung, die beste Krankenversorgung, die beste Infrastruktur und die größte Sicherheit haben.“‘
Es gebe bei den Emiratis eine andere Form von Demokratie: „Der Kronrat geht hinunter bis in das letzte Dorf und fragt, ob ein neues Gesetz bei den Stammesältesten bzw. den Lokalräten Gefallen findet. Andererseits hat ein Dubaier über lokale Räte das Recht, in den Palast vorzudringen, um den Herrscher oder seine Mitarbeiter sprechen zu können. Dann wird das von unten nach oben kommuniziert und in den entsprechenden Exekutivrunden behandelt. Schreiben Sie in Frankfurt mal wegen eines Anliegens das Verkehrsdezernat an. Da sie als Bittsteller angesehen werden, bekommen sie keine Antwort. Bezeichnenderweise ist ein Rätesystem als direkte Form der Demokratie nach dem 1. Weltkrieg in Deutschland gescheitert“, so der Frankfurter Soziologe. Aber bis heute laden in den Emiraten nicht nur die Herrscher, sondern auch andere hochrangige Mitglieder der Herrscherfamilien regelmäßig zu offenen „Madschlis“-Sitzungen ein, in denen jeder Bürger ein beliebiges Thema von persönlichem oder allgemeinem Interesse ansprechen kann.
Viele Emiratis empfänden gegenüber Gott die Verpflichtung, Gutes zu tun. Lange her dagegen die Zeiten, als man noch in Deutschland so erzogen worden, daß Gott sieht, was man tut. Dazu kommt die traditionelle Verbindung zu den Vorvätern, die durch ihr Handeln der nächsten Generation den Weg aus der Wüste ebnete, damit sie die Voraussetzungen für zukünftige Entwicklungen schafft. Ein Symbol dafür sei der 800 Meter hohe Wolkenkratzer ‚Burj Khalifa.‘ „‚Die Enkel haben ihn den Großvätern gewidmet: Schaut, der Turm steht auf demselben Sand, in dem einst eure Zelte standen.‘“
Bezeichnenderweise gibt es am 14. Juni 2025 keinen städtischen Empfang oder eine Feier anlässlich der 20-jährige. Städtepartnerschaft mit Dubai. Dabei wäre Frankfurt gut beraten, diese Partnerschaft mit Leben füllen, denn wie Dubai Tradition und Moderne miteinander verbindet und dabei das Wohlergehen seiner Bürger vor Augen hat, ist beispielgebend. „Was die vergleichsweise wenigen Emiratis geschafft haben, nachdem sie 1971 unabhängig vom britischen Weltreich wurden, ist, mit Hilfe guter Familien- und Heiratspolitik die Vereinigten Arabischen Emirate aufzubauen“, meint Alfred Fuhr. Und weiter: „Der Vater des jetzigen Herrschers von Dubai - in den fünfziger Jahren noch ein Wüstendorf - war weitsichtig genug zu sagen: ‚Wir wollen weltoffen sein und den Reichtum von uns mehren, indem wir reiche Menschen und Tourismus aus der ganzen Welt zulassen.‘“ Währenddessen zieht es Frankfurt heute vor, durch seine Einrichtungen im Bahnhofsviertel Drogenabhängige aus ganz Süddeutschland anzuziehen. „Frankfurt wird zu Crackfurt“, titelte die BILD-Zeitung zu den Plänen der Stadt, in der Niddastraße 76 für zwölf Millionen Euro eine Immobilie zu erwerben, damit Abhängige dort in Zukunft sicher Crack konsumieren können. Quo vadis, Frankfurt?