Am Beispiel Frankfurt: Wie die Demokratie verwahrlost

Für die Parteien geht es allein um Posten, nicht um Inhalte

Am Beispiel Frankfurt: Wie die Demokratie verwahrlost
© Marvin800

BFF-Fraktion - Stellungnahme 06-16


Zwei Monate nach der Kommunalwahl am 6. März 2016 gibt es immer noch keine Koalition im Römer, noch keine Fachausschüsse und auch noch keine funktionsfähige Stadtverordnetenversammlung. Vielmehr waren die beiden stärksten Parteien CDU und SPD zwei Monate lang allein mit dem Problem beschäftigt, ob Grüne oder FDP zum mehrheitsbringenden Partner gemacht werden sollen. Und diese beiden Parteien waren mindestens ebenso damit beschäftigt, wer welche Ämter im künftigen Magistrat bekommen wird. Jedoch überhaupt nicht widmeten sich bislang CDU und SPD der Frage nach den Inhalten der neuen Koalition.

Das ist keine böswillige Behauptung, sondern dafür gibt es zwei seriöse Kronzeugen - nämlich Kulturdezernent Semmelroth und Planungsdezernent Cunitz. Dass beide Politiker im derzeitigen Machtspiel zu den Verlierern gehören, macht sie nicht unglaubwürdig, erklärt aber ihre erstaunliche Offenheit. Semmelroth, der sein Amt zum 1. Juli niederlegen wird, um vorzeitig Platz für eine SPD-Kandidatin zu machen, hat, nicht ohne Zorn auf die eigene Partei CDU, gesagt: „Das hat es auch noch nie gegeben, dass zunächst über das Personal und danach erst über die Inhalte geredet wird.“ Und Cunitz, dem die Abwahl zugunsten eines SPD-Kandidaten und ein scharfer Einschnitt in seine politische Karriere droht, äußert in einem am 3. Mai 2016 veröffentlichten Interview: „In so einer misslichen Situation war es uns wichtig, überhaupt in die Lage versetzt zu werden, über Inhalte zu verhandeln, was bisher nicht stattgefunden hat.“

Sowohl Semmelroth wie Cunitz bezeugen also, in welchem Maße zwei Parteien, die beide jeweils nicht mehr als gut acht (acht!!) Prozent der Wahlberechtigten in Frankfurt für sich gewonnen haben, an der Verwahrlosung der kommunalen Demokratie beteiligt sind. Denn wenn es in erster Linie nur um die Beuteverteilung von Parteien geht, Inhalte aber nachrangig sind, dann sind die vor der Wahl dramatisierten inhaltlichen Unterschiede nur Theaterdonner oder sogar überhaupt nie vorhanden gewesen. In beiden Fällen ist das nichts anderes als vorsätzlicher Betrug an den Wählern.

In Zeiten moderner Kommunikationsmöglichkeiten bleibt dieser Betrug allerdings immer weniger unentdeckt. Daran ändert auch das weitgehende Versagen der selbsternannten „Qualitätsmedien“ nichts, die diesen Verwahrlosungsprozess so gut wie kritiklos begleiten. Den handelnden Parteien ist es gleichwohl bislang offensichtlich egal, ob die Wahlbeteiligung darunter leidet oder ob von diesem Frust über den Betrug neue politische Kräfte profitieren. So lange überhaupt noch Bürger zur Wahl gehen, so lange die neuen Kräfte nicht allzu große Anteile am politischen Kuchen gewinnen, so lange wird erst einmal die Glaubwürdigkeit der kommunalen Demokratie weiter heruntergewirtschaftet. Und schamlos beanspruchen diejenigen, die das hauptsächlich zu verantworten haben, auch noch für sich das Prädikat „demokratische Parteien“ in Abgrenzung zu denen, die sich mit dieser Verwahrlosung nicht abfinden mögen.

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