Ein Gestaltungsbeirat als Mogelpackung

Frankfurts Stadtplanung braucht mehr Bürgerbeteiligung

Ein Gestaltungsbeirat als Mogelpackung
© Marvin800


Einen Gestaltungsbeirat für Frankfurt forderte unlängst der "Bund Deutscher Architekten" (BdA). Ein solcher "Expertenrat" solle Verwaltung und Politik bei Bauvorhaben beraten. Was auf den ersten Blick schön klingt, erweist sich aber rasch als Mogelpackung.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" pries den Vorschlag eines Gestaltungsbeirates durchaus wohlwollend an, doch die gebrauchten Argumente sollten hellhörig machen. So "beschleunige" nach Auffassung des Architekten Stefan Forster ein solcher Gestaltungsbeirat "oft die Beratungsprozesse in Politik und Verwaltung." Ob durch eine solche, von Forster gepriesene, Beschleunigung aber die qualitative Prüfung baulicher Vorhaben wirklich verbessert wird, darf angezweifelt werden.

Vielmehr besteht die Gefahr, dass Bauvorhaben vorschnell durchgewunken werden, ehe die Bürgerschaft kritisch darauf reagieren kann. Und so lässt auch Forsters nächste Äußerung aufhorchen: "Wenn man einen Gestaltungsbeirat gründet, muss er auch Kompetenzen haben und darf kein reines Feigenblatt sein." Dass hieße also, dass sogar Entscheidungsbefugnisse für die Gestaltung der Stadt vom Stadtparlament und Magistrat an ein demokratisch letztlich nicht kontrolliertes Gremium übertragen werden sollen, das dann über das Wohl des Frankfurter Baugeschehens zu entscheiden hätte.

Forsters eigene Arbeiten gehören sicherlich nicht zu den schlechtesten seiner Zunft, und er ist ein Kritiker vieler Frankfurter Bausünden, ein Freund des Frankfurter Altstadt-Projektes ist er deshalb aber nicht unbedingt. Das ist aus seiner Äußerung von 2015, nach der er das Dom-Römer-Vorhaben als "absurd" bezeichnete, zu schließen. Ähnlich dürfte es sich mit weiteren Rekonstruktions-Vorhaben verhalten. Und ähnlich dürfte die Stimmung bei vielen von Forsters derzeitigen Kollegen sein.

Zur Wahl und Zusammensetzung eines solchen Gestaltungsbeirates schreibt die FAZ: "Über die Gründung des Beirats entscheiden die Kommunalpolitiker, die auch die Mitglieder wählen und die Geschäftsordnung aufstellen. Darin wird beispielsweise geregelt, wie viele Mitglieder dem Beirat angehören, welche Qualifikationen sie haben müssen, wie lange sie amtieren dürfen und wie oft sie tagen. Um die Unabhängigkeit zu wahren, empfiehlt der Bund Deutscher Architekten eine Sperrfrist: Die Mitglieder sollten zwei Jahre vor und zwei Jahre nach ihrer Beiratstätigkeit nicht in der betroffenen Stadt planen und bauen. Vorhaben, die aus einem Wettbewerb hervorgegangen sind, sollten nicht in die Zuständigkeit des Beirats fallen."

Doch ist abzusehen, dass die "herausragenden Persönlichkeiten", die in ein solches Gremium entsendet werden, höchstwahrscheinlich Vertreter der Architektenschaft, also Mitglieder des "Bundes Deutscher Architekten" sein dürften. Also gemeinhin des Gremiums, dass das Dom-Römer-Projekt und bislang fast jeden Versuch einer Rekonstruktion verloren gegangener historischer Gebäude häufig torpediert hat.

Das sieht man nun auch wieder bei der Forderung nach einer Rekonstruktion des Schauspielhauses durch eine Frankfurter Bürgerinitiative. Vertreter der Frankfurter Architektenschaft wandten sich erwartungsgemäß gegen die neue Rekonstruktionsidee. Als "romantisierende Sehnsucht" wurde das Vorhaben abgetan, als "schräg und deplaziert", während das heutige überlange Glasfoyer der städtischen Bühnen als "grandios" und "einer der schönsten Orte der Stadt" bezeichnet wurde.

Nicht einmal die Idee eines Kompromisses, also einer Rekonstruktion bei gleichzeitigem teilweisen Erhalt einer verkleinerten Glassfassade, wurde bislang auch nur in Erwägung gezogen.

Nun ist die Idee eines Gestaltungsbeirates nicht so neu, wie sie verkauft wird. Bereits 2010 plädierten Michael Frielinghaus und Zvonko Turkali in einem FAZ-Interview für die Idee. Der jetzige FAZ-Autor Rainer Schulze fungierte schon damals als Interviewer. Und es sollte als Warnsignal dienen, dass ausgerechnet dieser Journalist, der die Idee eines Gestaltungsbeirates in der Öffentlichkeit verbreitet, nun eine wüste Polemik gegen die Rekonstruktion des Frankfurter Schauspielhauses in der FAZ veröffentlicht hat. Das diese mit der Überschrift "Bitte keine Polemik" betitelt wurde, kann man entweder als Trick oder Dreistigkeit werten.

So äußert Schulze schulmeisterlich, die Bürgerinitiative, die eine Rekonstruktion des alten Frankfurter Schauspielhauses von 1902 fordert, solle vielleicht mal auf eine Studienreise geschickt werden. Faktisch als Horizonterweiterung für solche Minderbemittelten, die "die Bühnen kaum je betreten" hätten. "Gegen Banausentum ist kein Kraut gewachsen", meint er. Während er von der Glasfassade der städtischen Bühnen schwärmt, bezichtigt er die Anhänger der alten Jugendstilfassade eines "reinen Fassadismus". Ein Wiederaufbau der historischen Fassade wäre seiner Meinung nach "aberwitzig", das Niveau der Bürgerinitiative "zu plump".

Dass ein Journalist, der derart eindeutig Partei ergreift, nun die Idee eines "Gestaltungsbeirates" fördert, kann nur zu der Vermutung Anlass geben, dass hier ein möglichst bürgerfernes Gremium geschaffen werden soll, um Forderungen nach weiteren Rekonstruktionen einen Riegel vorzuschieben. Es soll eine Institution geschaffen werden, die der derzeitig tonangebenden Richtung in der BdA-Architektenschaft eine dauerhafte Machtbasis bietet.

Das haben einige Leser des FAZ-Interviews in ihren Online-Kommentaren durchaus bereits erkannt:

Heinz Schoppe  (heinz23) schrieb dazu: "NEIN ! Frankfurt = Bauhausstil . Da wird sich auch nichts ändern."

Martin Brunkhorst  (Mergo56): "Es ist gut zu nachzuvollziehen, das sich die Architekten auch in Frankfurt einen Gestaltungsbeirat wünschen. Wenn dieses unabhängige Gremium `den Diskurs über Baukultur fördert...´ geht damit ein Teil der Entscheidung über die Architektur an Dritte, die nicht notwendigerweise über das Innenleben und den Zweck der Immobilie gut informiert sind. In z.B. Mannheim haben wir darunter sehr stark gelitten -und gezahlt. Das wird wiederum die Architekten freuen, denn bei höheren Baukosten steigt die anrechenbare Bausumme für seine Honorarabrechnung. Ein Gestaltungsbeirat bedeutet Zeit und Geld-Nutzen sehr fraglich."

Rick Ro  (rro1): "Wichtig ist vor allem, dass Leute die eben nicht `vom Fach´ sind (sprich: nicht von der in Deutschland typischen ideologisierten Gehirnwäsche in der Architektenausbildung beeinträchtigt), mindestens ein Veto-Recht haben, um von den üblichen Architekten gefeierte Eyecatcher-Entwürfe die aber absolut gar nicht in die Umgebung passen zu verhindern. Die richtige Architektur am richtigen Platz! Frankfurt muss in der Alltagsarchitektur zurück zu seinen Wurzeln finden - traditioneller europäischer Städtebau (hohe Dichte, Kleinteiligkeit, kein nutzloses Abstandsgrün, aber grüne Innenhöfe), Verwendung von gelbem/rotem Mainsandstein und richtige Dächer mit altdeutscher Schieferdeckung. Nur zusammen mit Schönheit und Historie im übrigen Stadtbild kann die über den Dächern tronende (im interkontinentalen Vergleich aber eher mickrige) Skyline tatsächlich ein international beachtetes Alleinstellungsmerkmal werden. Mit BDA-Architekten als Entscheidern droht uns der übliche pseudo-Bauhaus-Einheitsbrei."

Ellen Wild  1  (Demokra...): "Wo gibt's denn unabhängige `Beiräte´? Die Damen und Herren Architekten belagern doch schon seit Jahrzehnten das Planungsdezernat und `inspirieren´ die auch seit Jahrzehnten fachfremden `Planungsdezernenten der Stadt Frankfurt´ gaaanz uneigennützig. Oder nicht?"

Dass ein solcher "Gestaltungsbeirat" viel Unheil anrichten kann, haben auch die Bürger von Dresden feststellen müssen. Des Öfteren kam es laut Berichten im Internet vor, dass Investoren, die historische Fassaden am in der Rekonstruktion befindlichen Neumarkt nicht im historischen Gewand bauen durften, sondern auf Geheiß des dortigen "Gestaltungsbeirats" zu einer modernen Fassade gedrängt worden wären. Die "Gesellschaft Historischer Neumarkt", die sich für das Dresdner Rekonstruktionsvorhaben einsetzt, urteilte beispielsweise 2012, dass "die Entscheidungen der Jury und des Gestaltungsbeirates nicht nachvollziehbar und intransparent" seien.
 

Marlis Lichtjahr

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