Polemik gegen die Frankfurter Altstadt

Daniel Libeskind wittert Donald Trump am Hühnermarkt

Polemik gegen die Frankfurter Altstadt
© Marvin800

Die neu entstehende Frankfurter Altstadt musste schon zahlreiche abfällig gemeinte Tiraden über sich ergehen lassen. Nun hat der Architekt Daniel Libeskind eine weitere hinzugefügt, die sich zudem noch stramm auf der Linie des hiesigen politischen Zeitgeistes bewegt.

In einer Podiumsdiskussion auf dem Campus Riedberg, in dessen Nähe er acht Stadtvillen entworfen hat, erklärte der Architekt, dass er "kein Fan einer Simulation der Vergangenheit" sei. In diesem Zusammenhang bezeichnete Libeskind die Rekonstruktion des Dom-Römer-Areals als "gefährlich" und als "Donald-Trump-Projekt".

Nun mag es Libeskind überlassen sein, was er für "gefährlich" hält. Möglichenfalls ist das Altstadt-Projekt auch wirklich gefährlich für die Dominanz bestimmter modernistischer Architekturvorstellungen. Mit Donald Trump aber hat die Frankfurter Altstadt noch weniger zu tun, als mit Walt Disney, der gewöhnlich von polemischen Architekten mit traditioneller Architektur in Verbindung gebracht wird. Trump verfügt womöglich über einen etwas extravaganten persönlichen Geschmack, hat zwar große Wohn- und Bürohäuser bauen lassen, aber noch nie eine Altstadt.

Libeskind ist ein Spätberufener, denn erst im Alter von 53 Jahren wurde er mit dem Bau des Jüdischen Museums in Berlin in der breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Sein gezackter, dekonstruktivistischer Baustil wurde seitdem in zahlreichen Museums-Projekten variiert, unter anderem beim Imperial War Museum North im britischen Trafford, bei der bewussten Störung des historischen Baus des Militärhistorischen Museums Dresden, bei dem an die Berliner Mauer erinnernden Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück oder – zuletzt – beim, ebenfalls die Harmonie des Straßenbildes störenden, Berliner Wohnhaus "Sapphire".

Zwar nimmt Libeskind offiziell für sich in Anspruch, "Gemeinschaften zu schaffen", aber dabei dürfte es sich allenfalls um Geschmacksgemeinschaften einer kleinen Architektur-Oberschicht und deren politischer Protegés handeln. Das ganze Dilemma der Libeskindschen Architektur zeigt sich indes weniger darin, dass viele Bürger sie als hässlich einstufen dürften, sondern vielmehr in ihrer Inkompetenz, Stadtbilder zu schaffen. Libeskind schafft, wie so viele modernistische Architekten, skulpturale Solitärbauten, aber keine lebenswerte, lebendige, urbane Stadtstruktur. Möglichenfalls ahnt er dieses Manko und wettert deshalb umso entschiedener gegen das Frankfurter Altstadt-Projekt, dass seinem Schaffen diesbezüglich meilenweit überlegen sein wird.

Nun könnte man die Äußerungen des 70-jährigen Architekten als ein Rückzugsgefecht werten, wenn nicht die Kreativen solches Geistes derzeit oftmals auch eine direkte geistige Wirkung auf nachwachsende Generationen haben. So dienen sie durch ihre "Erfolgsgeschichte" nicht nur als zweifelhaftes Vorbild, sondern üben auch direkten Einfluss in den Lehranstalten aus. Auch Libeskind fungierte von 1978 bis 1985 als Dekan der Architekturfakultät der Cranbrook Academy of Art in Bloomfield Hills, Michigan. An der Leuphana Universität Lüneburg lehrt er seit 2007 im Bereich "Architekturentwurf".

Im "Stadtbild-Deutschland"-Forum haben kritische Architekturstudenten Details aus dem Innenleben der Hochschulen geschildert, unter anderem welche Steine ihnen im modernistisch geprägten Lehrbetrieb in den Weg gelegt werden. Die Beiträge seien auszugsweise zitiert:

2014 schrieb ein "Studi" aus Hildesheim:

"Von den Dozenten waren nahezu alle strikt modernistisch ausgelegt, von den Studenten geschätzt 80-90%. Traditionelle Entwürfe waren möglich, aber schwierig durchzusetzen, man musste diese schon sehr sehr gut begründen, was als Student gegenüber einem erfahrenen Professor nicht immer leicht war. Da wählten viele den einfacheren Weg und passten sich an, so wie auch ich während des Studiums zum größten Teil tat."

"FLX" aus Osnabrück und Aachen schrieb ebenfalls 2014:

"Also bei uns wird die klassische Formenlehre nur in den ersten paar Semestern vom Lehrstuhl für Baugeschichte gelehrt und das auch nur sehr oberflächlich. Nur bei Säulenordnungen und optischen Korrekturen an griechischen Tempeln und bei italienischen Renaissancepalästen bzw. -villen wird das Wort Proportion überhaupt in den Mund genommen."

Im November 2016 ergänzte ein "Sir Moc":

"Ich habe zwischen 2006 und 2012 in der ersten Generation nach der Bachelor-Master- Umstellung studiert. Schon in der ersten Vorlesung die vom Dekan (um die 50 Jahre alt) zur Begrüßung gehalten wurde, wurde eine Bildpräsentation gezeigt, in der Bauten von Le Corbusier und anderen vermeintlichen Stars der Szene, wie etwa Egon Eiermann etc., in den höchsten Tönen gelobt wurden. Mir hätte eigentlich schon damals klar sein sollen, wohin die Reise geht. Klassische Architektur kam bei mir ausschließlich im Fach Baugeschichte vor, dort wurde zwar von der Harmonie und Proportionslehre eines Vitruv geschwärmt, dies kam allerdings im Fach Entwerfen / Städtebau nur bedingt zur Anwendung.

Hätte ich es gewagt, ein Gebäude anhand von traditionellen Stilmitteln zu entwerfen, wäre ich bestimmt exmatrikuliert worden. Somit musste auch ich mich, wie meine Vorredner, an die Geschmäcker der Professoren anpassen, um gute Note zu erhalten.

Das lief dann so ab: Aufgabenstellung XY erhalten - Rausfinden was mag der Prof. - Entwurf nach Schema F – Applaus. Ich kann von mir behaupten, dass ich zum Klötzchenstapler ausgebildet wurde. Ich habe in meinem gesamten Studium nicht ein Gebäude ohne Flachdach entworfen. Mir ist auch kein Student bekannt, der das während meiner Studienzeit jemals getan hat."

Es versteht sich von selbst, dass sich in einem derartigen Klima die "Disneyland"- und "Trump"-Polemiker gegen traditionelle Stadtstrukturen noch eine ganze Weile an ihre Macht zu klammern vermögen. Ein Wandel zum Besseren wird also nur langsam mit einer neuen Generation entstehen können. Die Frankfurter Altstadt wird aber sicher zu diesem Wandel einen wichtigen Beitrag leisten. Daran kann auch Daniel Libeskind nichts mehr ändern.
 

Marlis Lichtjahr

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