Die entgrünten Grünen und ihre unheilige Frau Heilig

Die Nebelkerzen der Frankfurter Umweltdezernentin

Die entgrünten Grünen und ihre unheilige Frau Heilig
© Marvin800


Die Frankfurter Grünen sind unter den Parteien im Römer die mit Abstand doppelzüngigste und unglaubwürdigste politische Kraft. Diese Erkenntnis hat sich inzwischen verbreitet und bereits für den Absturz in der Wählergunst bei der Kommunalwahl 2016 gesorgt. Doch das Klammern an die in fast dreißig Jahren eroberten Machtpositionen, die Freude an allerlei Privilegien sowie die stets üppig genutzten Teilhabe an den reichlich sprudelnden Finanzquellen der Finanzmetropole haben die Grünen davon abgehalten, den fälligen Gang auf die harten Bänke der Opposition anzutreten.

Deshalb sind sie, obwohl für eine Mehrheit nicht mehr gebraucht, mit selbstloser Hilfe der konturlosen CDU auch weiterhin Teil einer übergroßen Römer-Koalition, die von der ehemals stark grünengeschädigten SPD komplettiert wird. Das schlechte Wahlergebnis 2016 hatte allerdings zur Folge, dass die Grünen das wichtige Planungsdezernat an die SPD abgeben musste, die dort ihren jungen Vorsitzenden Mike Josef in eine Schlüsselstellung bringen konnte. Josef ist der Lieblingsdezernent von Oberbürgermeister Peter Feldmann. Selbiger ist bekanntlich ein linker Sozialdemokrat, der „Bauen, Bauen, Bauen“ verlangt, um „bezahlbaren“ Wohnraum zu schaffen und damit seine Wiederwahl Anfang 2018 zu sichern hofft.


Der Feldmann-Josef-Plan

Doch Feldmann kann kurz vorm Ende seiner Amtszeit kaum Erfolge vorweisen, schon gar nicht bei der Schaffung von „bezahlbarem“ Wohnraum für Gering- und Normalverdiener. Wer konkret nichts vorweisen kann, vermag aber noch immer, Hoffnungen zu wecken, mögen sie auch noch so unrealistisch sein. Deshalb haben Feldmann und Josef das Projekt eines großen neuen Stadtteils im Nordwesten zwischen Praunheim und Niederursel auf Frankfurter Gebiet sowie den Nachbargemeinden Oberursel, Steinbach und Eschborn mit viel medialem Getöse in die Welt gesetzt. Da auch CDU und Grüne nach „bezahlbarem“ Wohnraum für das rapide Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahre rufen, sind sie für dieses Projekt mit ins Boot der SPD gegangen.

Das haben die beiden langjährigen Koalitionspartner allerdings nicht zuletzt deshalb getan, um eine Bebauung des „Pfingstberg“-Geländes zwischen ihren Wählerhochburgen Nieder-Eschbach und Nieder-Erlenbach einstweilen vom Tisch zu bekommen. Denn diese Bebauung hatten die Sozialdemokraten vor der Kommunalwahl gefordert, aber danach gegen CDU und Grüne nicht durchsetzen können. Josef, der sich als entschlossener Politiker präsentieren möchte, konnte sich sicher sein, dass die beiden Koalitionspartner dem Projekt eines neuen Stadtteils im Nordwesten keinen Widerstand leisten konnten, ohne sich sehr angreifbar zu machen.
 

Die Wachstums-Parteien

Denn CDU wie Grüne betrachten den starken Bevölkerungszuwachs der Stadt, resultierend aus deutscher Binnenwanderung und Einwanderung aus aller Welt, als Ereignis, das nicht zu begrenzen und umzuleiten, sondern eben irgendwie unterzubringen ist. Und obwohl schon bei der ersten Präsentation der Pläne für den neuen Stadtteil kein Zweifel über den hohen Preis für Umwelt und Stadtklima im Fall der Realisierung bestehen konnte, haben sich die Frankfurter Grünen hinter das Projekt gestellt. Das mag Dienstautos und Machtteilhabe erst einmal weiter sichern. Es ist aber desaströs für den ökologischen und moralischen Sondervertretungsanspruch der Grünen.

Denn was bei den eingeschworenen Wachstumsparteien SPD und CDU keinen aufgeklärten Wähler verwundern kann, nämlich die Zustimmung zu dem Stadtteil-Projekt, das führt bei den Grünen unvermeidlich zu Fragen, wie ernsthaft sie es denn mit der Erhaltung von Naturschutzgebieten, der Verteidigung fruchtbarster Ackerböden vor Versiegelung und dem vielpropagiertem Klimaschutz meinen. Die den Grünen durchaus zugeneigte Frankfurter Rundschau hat in ihrer Ausgabe vom 24. August 2017 nun der grünen Umweltdezernentin Rosemarie Heilig in einem langen Interview Gelegenheit gegeben, sich zu der Position ihrer Partei und ihres Amtes im Magistrat in betreffender Angelegenheit zu äußern.

Frau Heilig hat - sicherlich nicht beabsichtigt - das Interview zu Aussagen genutzt, die nicht den geringsten Zweifel an der inzwischen vollständigen Entgrünung einer Partei lassen, die niemand mehr braucht außer denjenigen, die von ihr profitieren. Um das einmal exemplarisch zu zeigen, soll das Interview mit der gebotenen Ausführlichkeit betrachtet und analysiert werden. Um den Unterhaltungs- wie den Erkenntniswert der folgenden Lektüre muss sich der geneigte Leser nicht sorgen: Für den garantiert Frau Heilig im Übermaß!
 

Frau Heiligs erste Nebelkerze

Schon auf die erste Frage an Heilig, was denn ihr erster Gedanke gewesen sei, als sie von den Plänen für einen neuen Stadtteil erfuhr, gibt sie eine bezeichnende Antwort. Denn nicht etwa die Sorge um bedrohte Landschaftsschutzgebiete, Kaltluftzufuhr aus dem Taunus oder versiegelte Ackerflächen bewegte damals die Grüne. Vielmehr sagt sie: „Dieser Stadtteil kann eine große Chance sein. Frankfurt wächst wie alle Städte in der Rhein-Main-Region. In den Grenzen von Frankfurt den Bedarf an Wohnraum zu decken, würde bedeuten, viel Grün und Freifläche zu verlieren.“

Alle Achtung, Frau Heilig! Denn die Politikerin beschwört zur grünen Legitimierung der Stadtteilpläne eine Gefahr herauf, die bisher niemals bestanden hat, nämlich den Verlust von „viel Grün und Freifläche“ im bereits erschlossenen Stadtgebiet. Mal abgesehen von der Tatsache, dass auch der neue Stadtteil vollständig auf Frankfurter Gemarkung errichtet werden soll und zudem im Stadtinneren derzeit jeder Quadratmeter noch verfügbare Freifläche bebaut oder verplant wird: Bislang will keiner, der noch politisch bei Trost ist, Teile des Grüngürtels oder der öffentlichen Parks für Wohnungsbau in Anspruch nehmen. Stellen wir also fest: Heilig hat ihre erste Nebelkerze geworfen.
 

Frau Heiligs zweite Nebelkerze

Doch die zweite folgt zugleich. Denn nun bringt Heilig eine ziemlich wirre Idee ins Spiel: „Wir bräuchten eine gemeinsame Initiative für eine Internationale Bauausstellung. Sie soll exemplarisch die Frage beantworten, wie wir das Wachstum der Städte in den Zeiten des Klimawandels bewältigen. Das ist die Herausforderung unserer Generation.“ Der letzte Satz, nur nebenbei, beweist: Je tiefer die Verlegenheit, desto höher der Ton. Und offenbar muss frau schon grüne Umweltdezernentin sein, um noch nicht darüber nachgedacht zu haben, dass „das Wachstum der Städte“ vielleicht etwas mit dem „Klimawandel“ zu tun haben könnte.

Doch was hat es nun mit der „Internationalen Bauausstellung“ auf sich? Klar wird das auch im weiteren Verlauf des Interviews nicht. Aber Frau Heilig ist geradezu vernarrt in diese Idee. Sogar „den Vogelsberg und den Odenwald“ will sie „in solche Überlegungen einbeziehen“, weil diese Bereiche in Hessen Bewohner verlören. Wie eine „Internationale Bauausstellung“ zur Lösung dieses Problems beitragen könnte, bleibt allein der Fantasie des Lesers überlassen. Vermutlich jedoch will die Politikerin den Bau des neuen Stadtteils unter diesem verheißungsvollen Titel stattfinden lassen.

Die Grüne versucht sich sogar in einer Vision: „Der neue Frankfurter Stadtteil könnte exemplarisch zeigen, wie enkelfähige Stadtentwicklung aussehen kann.“ Wie weitsichtig, dass die kinderlose Sechzigjährige auch an die Enkel denkt! Bezogen auf die Gegenwart mit all den großelternfähigen Zeitgenossen setzt die Politikerin allerdings mit erprobtem grünen Kalkül auf das Wunderwort „International“, um damit alle Kleingeister in die Ecke, vorzugsweise gleich in die „rechte“ Ecke zu treiben. Heilig hat, halten wir es fest, damit jedenfalls ihre zweite Nebelkerze geworfen.
 

Frau Heiligs dritte Nebelkerze

Und weil die Grüne schon mal so richtig in Fahrt gekommen ist, kommt nun die ganz große Drohung in Richtung widerspenstiger Nachbargemeinden und auch der hessischen Landesregierung, an der ihre Partei übrigens derzeit beteiligt ist: „Wir müssen endlich aufhören, nur von Frankfurt zu sprechen. Irgendwann wird es eine große Stadt geben, die heißt Frankfurt-Rhein-Main. Davon bin ich fest überzeugt.“ Diese Ankündigung wird in Eschborn, Steinbach oder Oberursel ganz gewiss wahre „Begeisterungsstürme“ auslösen… Doch Frau Heilig ist das in schlechtester Frankfurter Tradition schnurzpiepegal - Hauptsache, sie hat in dem Interview eine weitere, nun schon die dritte Nebelkerze geworfen. Alle Probleme, das kennt man ja nur zur Genüge aus der Europapolitik, sollen sich umso besser lösen lassen, umso größer das politisch zu gestaltende Gebilde ist. Wer das nicht zu glauben bereit ist, kann keine Frankfurter Grüne sein…
 

Frau Heiligs vierte Nebelkerze

Auf die lästige Tatsache angesprochen, dass der künftige Stadtteil von einer achtspurigen, extrem viel befahrenen Autobahn durchschnitten sein würde, reagiert die Politikerin mit zwei recht widersprüchlichen Ideen: „Die Autos müssen, wo es möglich ist, unter die Erde gebracht werden, wo nicht kann man mit Landschaftsbrücken Trennendes verbinden.“ Doch wenig später hören wir von ihr, jetzt vorbildlich grün korrekt: „Ich wünsche mir, dass wir einen autofreien Stadtteil entwickeln, nur für Fußgänger und Radfahrer.“ Und die langjährige Dienstwagenbenutzerin setzt sogar noch einen drauf: „Wir dürfen keine autogerechten Städte mehr bauen, wir dürfen keine Rücksicht mehr nehmen auf die Belange des Autos.“

Damit hat Frau Heilig ihre vierte Nebelkerze geworfen, Denn statt endlich auf die zahlreichen Umweltproblematiken zu sprechen zu kommen, die mit dem Bau des neuen Stadtteils verbunden sind, ereifert sie sich über den Beelzebub aller Grünen, nämlich das Auto. Wir sollen verstehen: Werden die Autos unter die Erde versenkt oder, viel besser noch, ganz ausgesperrt, dann kann die Frankfurter Umweltdezernentin offenbar bestens mit der Versiegelung fruchtbarer Böden, der Vernichtung von heutigen Landschaftsschutzgebieten und der Blockierung von Kaltluftschneisen aus dem Taunus leben. Wenn es folglich in der Innenstadt Frankfurts halt noch ein wenig wärmer wird als ohnehin schon, dann ist sowieso niemand anderes dafür verantwortlich als Donald Trump, der böse Klimakiller.
 

Frau Heilig und die „Kleinteiligkeit“

Der bislang sehr nachsichtige Interviewer konfrontiert im Schlussteil des Interviews die Politikerin überraschend rücksichtslos mit einem ernste Problem, indem er zu bedenken gibt: „Tatsächlich will das Land (Hessen) aber die Landwirtschaft im Frankfurter Norden schützen, deren Flächen für den neuen Stadtteil gebraucht werden.“ Was sagt Frau Heilig dazu? Hat sie eine weitere Nebelkerze parat? Nein, diesmal nicht, denn sie sagt: „Wir sind noch immer zu kleinteilig unterwegs.“ Nicht mehr. Nur: „Wir sind noch immer zu kleinteilig unterwegs.“

Statt eine auch nur halbwegs angemessene oder gar konkrete Äußerung zu dem angesprochenen Problem zu machen, flüchtet sich die Grüne in kalte Arroganz. Das, was sie schon kraft ihrer politischen Funktion in Frankfurt umtreiben und bewegen müsste, nämlich die Sorge um die negativen Folgewirkungen des geplanten Stadtteils, berührt sie, die Unheilige des Umweltschutzes, offenbar überhaupt nicht. Das beweist auch die nicht minder arrogante Reaktion auf die folgende Frage des Interviewers, der von ihr wissen will: „Wichtig wird es sein, die Menschen vor Ort zu gewinnen. Woher kommen die Ängste und Bedenken, die es dort gibt?“

Frau Heilig antwortet: „Veränderungen lösen bei den Menschen immer Ängste aus…Viele sagen, es soll alles so bleiben, wie es ist. Man muss sich mit den Menschen intensiv auseinandersetzen.“ Aus dieser Antwort erschließt sich deutlich das zynische Menschenbild der grünen Berufspolitikerin: Die Bürgerinnen und Bürger sind chronische Störfaktoren für hochfliegende Ideologien und Pläne, also muss man sie „intensiv“, wenngleich nie ergebnisoffen so lange bearbeiten, bis sie irgendwie damit einverstanden sind, was großteilig denkende Politiker wie Frau Heilig längst beschlossen haben.
 

Noch einmal: Frau Heiligs liebste Nebelkerze

Allzu hart sollte aber über die Umweltdezernentin nicht geurteilt werden. Denn in ihrer Antwort auf die letzte Frage in dem Interview wird offensichtlich, wie sehr trotz Arroganz und Zynismus diese Machtmitinhaberin doch auch bedenkliche Symptome der Desorientierung zeigt. Die Frage: „Wollen sie selbst sich auch vor Ort der Diskussion stellen?“ Frau Heiligs Antwort: „Ja, natürlich.“ Hätte sie es dabei belassen, hätte man mit gewisser Vorfreude auf diese Auftritte die Lektüre des Interviews beenden können. Doch die Politikerin fügt ebenso unvermittelt wie sinnfrei hinzu: „Und der beste Rahmen für eine streitbare und offene Diskussion wäre eine Internationale Bauausstellung. Eine Bauausstellung nicht nur von und für Experten, sondern eine IBA für alle!“

Die Grüne holt zum Schluss also noch einmal ihre zweite, ihre wirrste Nebelkerze heraus und wirft sie mitten unter all diejenigen, die tatsächlich immer noch einige ganz sachdienliche, richtig „enkelfähige“ Fragen an die Umweltdezernentin haben. Immerhin wittert Frau Heilig, solche Fragen besser auf der „IBA für alle“, also besser nie gestellt zu bekommen.

Den Problemen, die den geplanten Stadtteil und ihren besonderen Verantwortungsbereich betreffen, ist die Umweltdezernentin mit allerlei Nebelkerzen, entgrünter Gesinnung und unverhohlener Wählerverachtung jedenfalls vollständig ausgewichen. Solche Politiker braucht das Land wirklich nicht. Doch Tatsache ist: Deutschland hat sie, Frankfurt hat sie auch - und nicht nur Frau Heilig allein!


Wolfgang Hübner

Leserkommentare (1)

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Nach Steinbach hat sich nun auch Oberursel gegen den geplanten neuen Frankfurter Stadtteil an der A5 ausgesprochen.
http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Oberursel-sagt-Nein-zum-Stadtteil-westlich-der-A-5;art675,2766876