Ein Rückschritt am Römerberg

Mit ihrer neuen Akademie errichtete die evangelische Kirche ein Glasmonstrum

Ein Rückschritt am Römerberg
© Marvin800


Offenbar gibt es keinen Fortschritt ohne Rückschritt. Die nun neu eröffnete Evangelische Akademie am Römerberg ist ein solcher Rückschritt.

Während im nächsten Jahr Scharen von Touristen und einheimischen Passanten staunend durch das Areal der neuen Altstadt am Krönungsweg spazieren werden, hat der Römerberg einen sauren Drops verabreicht bekommen. Die neue Evangelische Akademie, direkt neben dem Haus Wertheym und gegenüber dem neuen Historischen Museum gelegen, dürfte für Gäste unserer Stadt garantiert kein allzu häufiges Fotomotiv sein.

Lange Jahre nutzte die evangelische Gemeinde an dieser Stelle einen zurückhaltenden Bau der 1950er Jahre mit Durchgang zur Alten Mainzer Gasse. Dieses schlichte, aber unauffällige Gebäude der Nachkriegszeit war der 2012 vereinigten Evangelischen Akademie Frankfurt aber nicht mehr ausreichend genug. Ein möglichst auffälliger Neubau sollte her, ohne Rücksicht auf das sensible Gefüge der Frankfurter Altstadt. Ab Herbst 2015 wurde mit den Bauarbeiten begonnen.

Vertreter des Vereins „Pro Altstadt“ versuchten im Vorfeld in einem Gespräch mit den Verantwortlichen Änderungen an der Planung zu bewirken. Sie stießen auf taube Ohren und bekamen stattdessen vor allem ideologische Stellungnahmen zu hören. Diese finden sich auch auf der Projekt-Webseite wieder. So sei der überdimensionierte Bau aus altstadt-untypischem Glas „protestantisch klar - weltoffen einladend - engagiert streitbar“.


Es wird also die alte Mär bemüht, Glasfassaden ständen für „Transparenz“ oder „Weltoffenheit“. Wie transparent beispielsweise die Vorgänge der Finanzwelt sind, darüber können jeden Tag die Betrachter der gläsernen Bankentürme in Frankfurt sinnieren.

Ende August diesen Jahres wurde die für acht Millionen Euro fertig gestellte Akademie mit einem Festakt eingeweiht. Dabei wurden die inhaltlichen Veränderungen innerhalb der evangelischen Kirche offenbar. Nicht mehr primär der Gottesdienst, sondern ein nicht näher erläuterter „Dialog“ scheint nun die Aufgabe dieser Institution geworden zu sein. Allerlei politische Interessenvertreter gaben diesbezügliche Stellungnahmen ab.

Werner D’Inka, Präsident des Frankfurter Presseclubs und Mitherausgeber der F.A.Z., erklärte - so die „Frankfurter Rundschau“ - „der interdisziplinäre Dialog könne nur dann gelingen, wenn er auch noch etwas Spannendes und Unerwartetes biete – so wie ein Fußballspiel, bei dem man im Gegensatz zu einem Gottesdienst niemals wisse, wie es verläuft.“

„Zentrale Fragen zum Leben der Menschen müssen bereits im vorpolitischen Umfeld diskutiert werden“, wusste Matthias Lutz Bachmann, Vizepräsident der Goethe-Universität, beizusteuern. Und Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) äußerte, dass es wichtig sei, „dass wir immer auch Brücken bauen in einer demokratischen Gesellschaft, die Menschen jeglicher Herkunft und Religion nicht nur duldet, sondern auch integriert.“ Der Limburger Weihbischof Thomas Löhr schließlich berichtete vom Raubbau an der Natur und der Belastung durch Schadstoffe.

„Mit der Evangelischen Akademie ist diese Stadt gut aufgestellt für den dritten Ökumenischen Kirchentag, der 2021 in Frankfurt stattfinden soll“, meinte die Generalsekretärin des Deutschen Kirchentags, Julia Helmke. Ob sie damit auch den „Segensroboter“ einschloss, der nun in die Akademie einzieht, ließ sie offen. Die Maschine mit dem Namen „BlessU-2“ („Ich segne Dich auch“) sagt Segensworte aus der Bibel in sieben Sprachen auf. Zur wahrscheinlich ausgesprochen informativen Diskussion über dieses „Kommunikationsexperiment“ wird auch Kirchenpräsident Volker Jung erwartet.

Nun verfügt das kleine Frankfurter Altstadt-Areal neben dem Stadthaus und dem katholischen Haus am Dom also auch noch über eine ausgedehnte evangelische Räumlichkeit für gesellschaftliche Diskutierzirkel. Wenn denn die Debatten wenigstens am wahren Nerv der Zeit wären, möchte man ausrufen. Und wenn das Gebäude dafür nicht aus ideologischen Verblendungen heraus so hässlich und Altstadt-unpassend gebaut worden wäre.


Marlis Lichtjahr

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