Die Mohrenjagd in Frankfurt

Zwei Apotheken unter Rassismusverdacht

Die Mohrenjagd in Frankfurt
© R2D2


Die in Kenia gebürtige, seit über 30 Jahren in Frankfurt lebende Virginia Wangare Greiner hat ein Problem: Für die vierfache Mutter und sechsfache Großmutter ist das Wort „Mohr“ rassistisch. Das ist privat ihr gutes Recht. Sie sollte deshalb den Kontakt mit Deutschen, die „Mohr“ heißen, ebenso meiden wie den Besuch der zwei Apotheken an der Konstablerwache und in Eschersheim, die „Zeil-Apotheke zum Mohren“ oder „Mohren-Apotheke“ als Firmenschild tragen. Doch Frau Wangare Greiner ist nicht nur Privatperson, sondern als Mitglied der Kommunalen Ausländervertretung nach eigener Einschätzung auch die „gewählte Stimme der Afrikaner in Frankfurt“.

In dieser politischen Funktion hat die „Deutschafrikanerin“ einen Antrag initiiert, der die beiden Apotheken zur Umbenennung bewegen soll. Was im knallbunten Frankfurt daraus wird, wird man sehen. Auf jeden Fall hat Frau Wangare Greiner das erreicht, was sie nach eigenen Angaben gar nicht wollte, nämlich „die große Öffentlichkeit“. Selbige diskutiert jetzt nicht mehr nur in Frankfurt, sondern deutschlandweit - schließlich gibt es noch etliche „Mohren“-Apotheken zwischen Flensburg und Konstanz -, ob die Verwendung des Wortes Rassismus dokumentiert. Wenn dem so wäre, hätte das allerdings geradezu lawinenartige Folgen.


Denn allein im Frankfurter Telefonbuch stehen die Nummern und teilweise auch Adressen einer großen Zahl von Bürgerinnen und Bürgern mit dem nun unter Rassismusverdacht geratenen Namen „Mohr“. Falls sich die Apotheken umbenennen müssen, wäre es nur eine logische, im Sinne der Antidiskriminierung sogar zwingende solidarische Konsequenz für diese Mitbürger, sich baldmöglichst ebenfalls umzubenennen, zum Beispiel in „Weiß“, „Hell“ oder „Bleich“.  

Die amtliche Verfemung des Wortes „Mohr“ sowie der Bezeichnung eines dunkelhäutigen Menschen als „Mohren“ hätte erhebliche Wirkungen auch in Kultur und Literatur. Denn nicht nur Frau Wangare Greiner, die sicherlich schon lange ihre Enkel davor bewahrt, auch alle anderen Eltern und Großeltern, die sich nicht dem Vorwurf der Begünstigung von Rassismus ausgesetzt sehen wollen, müssten künftig die Lektüre von Heinrich Hoffmanns in Frankfurt verfassten „Struwwelpeter“ strikt meiden. Denn dort wird die Geschichte vom Mohren und den bösen Buben erzählt, die zur Strafe für ihre Hänseleien im Tintenfass lande. Auch bedeutende Autoren wie Shakespeare, Wilhelm Busch, Heinrich Heine, Tankred Dorst und  etliche mehr haben in Romanen, Gedichten und Dramen die Figur des Mohren behandelt – besser in den Reißwolf mit solchem Rassismus!

Sehr ahnungsvoll war übrigens Friedrich Schiller, der zwar die Kommunale Ausländervertretung in Frankfurt nicht mehr kennenlernen durfte, aber schon 1783 in seinem zweiten Drama „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“ eine seiner Figuren sagen ließ: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen“. In der Bildenden Kunst muss auch aufgeräumt werden, denn Künstler wie Albrecht Dürer oder Matthias Grünewald haben Mohren-Werke geschaffen, die den im Geiste der Antidiskriminierung erzogenen Zeitgenossen nicht länger zugemutet werden  sollten.

Bedenkt man zudem noch die weite Verbreitung von Mohren-Figuren, Mohren-Bildern, Mohren Stereotypen, ja selbst Briefmarken mit Mohrenmotiven, dann stehen die Stadt Frankfurt und ihre antirassistischen Einwohner, ja dann steht ganz Deutschland vor der großen Mohren-Reinigung. Doch kein Aufwand sollte zu groß sein, damit Frau Wangare Greiner endlich durch Frankfurt und auch andere deutsche Orte gehen kann, ohne den eiskalten Hauch eines raffiniert konservierten Rassismus zu spüren.
 

Wolfgang Hübner

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