„Aufstehen für Demokratie“? Mach' ich jeden Tag!

Anmerkungen zu einer Römerberg-Kundgebung

„Aufstehen für Demokratie“? Mach' ich jeden Tag!
© OpenClipart-Vectors/pixabay

Hübners Frankfurter Woche – Folge 110

Am vergangenen Montag hatten mehr als 100 Organisationen und Parteien zu einer Massenkundgebung unter dem etwas merkwürdigen Motto „Frankfurt steht auf für Demokratie!“ aufgerufen. Als ich davon las, noch auf einer Reise befindlich, rätselte ich darüber, wie das wohl aussehen könnte, wenn ganz Frankfurt „aufsteht“ für eine politische Herrschaftsform, die in unserer Stadt tagtäglich praktiziert wird. Ich jedenfalls, langjährig auch als aktiver Kommunalpolitiker tätig, stehe jeden Tag auf, um meinen bescheidenen Anteil am demokratischen Leben beizutragen. Warum sollte ich mir deshalb auch noch kalte Füße auf dem Römerberg holen?
 
Nach meiner Rückkehr las ich dann, daß sich nicht die ganze Stadt, sondern gut 20.000 von insgesamt rund 780.000 Einwohnern Frankfurts an der Kundgebung beteiligt hatten. Um eventuell die Demokratie zu retten, wären das wohl zu wenige Menschen gewesen. Doch das war kein Problem, denn die Demokratie war am letzten Montag so wenig in Gefahr wie sie es am kommenden Montag sein wird. Was also war der wahre Grund, warum wir Frankfurter „aufstehen“ sollten? Den Medienberichten entnahm ich, daß die Teilnehmer die Sorge und Angst vor einer Partei umgetrieben haben soll, die in der gegenwärtigen Stadtverordnetenversammlung gerade mal mit vier von insgesamt 93 Sitzen vertreten ist.
 
Weiter las ich, daß die Organisatoren der Kundgebung dieser Partei vorwarfen, bei einem privaten Treffen „die Vertreibung von Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürgern diskutiert“ zu haben. Es war nicht schwer herauszufinden, wie nachweislich unwahr diese Behauptung schon lange vor dem Aufruf zur Kundgebung war. Es sollte aber gute demokratische Sitte sein, sich nicht an Aktivitäten zu beteiligen, die mit Lügen und manipulativen Unterstellungen begründet werden. Deshalb war und ist es mehr als befremdlich, daß auf dem Römerberg nicht nur der amtierende Oberbürgermeister Mike Josef, sondern auch die ehemalige Oberbürgermeisterin Petra Roth zur Menge redeten.
 
Die Demokratie in Frankfurt lässt sich nicht mit fragwürdigen Praktiken und dem Ruf nach dem Verbot einer demokratisch verfassten und gewählten Partei verteidigen – dafür sollte und braucht niemand „aufstehen“. Niemand muss diese Partei lieben - das tue ich schon deshalb nicht, weil ich grundsätzlich keine Parteien liebe, sondern bestenfalls wähle. Die Kundgebung am vergangenen Montag hat der Demokratie in Frankfurt keinen guten Dienst erwiesen.
 

Wolfgang Hübner

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