Engländer, meidet das Bahnhofsviertel!

Eine berechtigte Warnung aus London

Engländer, meidet das Bahnhofsviertel!

Hübners Frankfurter Woche – Folge 118

Die britische Sensationszeitung „The Sun“ ist gewiss ein Revolverblatt wie hierzulande die BILD-Zeitung. Und wenn dieses Blatt im Vorausblick auf das kommende Frankfurter Duell der Fußballmannschaften Englands und Dänemark bei den Europameisterschaften im Juni Schlechtes über unsere kleine Weltmetropole schreibt, muss daran nicht viel Wahres sein. Doch wenn „The Sun“ den englischen Fans empfiehlt, das Bahnhofsviertel besser weiträumig zu meiden, ist das in Kenntnis der erbarmungswürdigen Zustände, die dort herrschen, nur allzu berechtigt.

In aller Regel haben europäische Städte Bedenken und Ängste, wenn tausende Fußballbegeisterte von der Insel herbeiströmen, um ihre Lieblinge zu unterstützen. Es ist von daher schon eine ganz besondere Situation, daß die keineswegs zartbesaiteten Engländer nun Angst haben sollen, ausgerechnet eines der Viertel Frankfurts, das ihre Großväter weniger zerbombt haben als den Rest der Stadt, zu betreten. Aber diese Situation haben Politik und Verwaltung unserer Stadt selbst verschuldet.

Wer den Bahnhof verlässt und zu Fuß in die Innenstadt läuft, muss sich auf schockierende Szenen von Drogenelend, Schmutz und Verwahrlosung gefasst machen. Als gebürtiger Frankfurter, der viele Jahre in genau diesem Viertel zwischen Mainzer Landstraße und Münchner Straße gearbeitet hat, also schon nicht allzu schreckhaft ist, war ich vor wenigen Tagen nach einem Restaurantbesuch in der Niddastraße schockiert über die Zustände rundherum. Aber es war nicht so sehr ein Schock angesichts der vielen darbenden Drogensüchtigen vor den Druckräumen, darauf war ich von früheren Aufenthalten im Viertel vorbereitet.

Nicht erwartet hatte ich hingegen, in welch katastrophalen Zustand -zumindest nach Einbruch der Dunkelheit- auch die Kaiserstraße mit ihren an viel bessere Zeiten erinnernden stolzen Gründerzeitfassaden inzwischen ist. Meine spontane Reaktion auf das Erlebnis war: „Dieses Viertel ist verloren!“ Das ist verständlich, kann aber nicht die Perspektive sein. Und natürlich hilft es auch nichts, wenn während der Wochen des großen Fußballturniers die Polizei im Bahnhofsviertel massiv aufmarschiert. Das ist Oberflächenkosmetik! Was Not tut, sind radikale Maßnahmen, die mit der Linkskoalition im Römer jedoch niemals angepackt werden. Not tut das nicht wegen der kurzzeitig anwesenden englischen Fans, sondern wegen Allen die in Frankfurt wohnen, arbeiten und sich gruseln oder schämen über die unhaltbaren Zustände im Bahnhofsviertel.


Wolfgang Hübner

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