Frankfurts „Palais-Quartier“: Zwischen Spekulation und Leerstand

„MyZeil“ bleibt dauerhaft kostenintensiv

Frankfurts „Palais-Quartier“: Zwischen Spekulation und Leerstand
© Fotos: Marlis Lichtjahr


Es werden im nächsten Jahr fünf Jahre sein, die das Einkaufszentrum "MyZeil" besteht. Am 26. Februar 2009 wurde es neue Einkaufszentrum im Beisein der damaligen Oberbürgermeisterin Petra Roth eröffnet. Bereits am ersten Tag sollen 120.000 Besucher verzeichnet worden sein, die Presse meldete 720.000 Besucher in der ersten Woche. Ohne Zweifel, „MyZeil“ ist ein Publikumsmagnet, was auch an der spektakulären Architektur des Gebäudes liegt. Und aller Skepsis der Anfangszeit zum Trotz hat es sich bislang als Standort halten können. Dennoch sollte man genau die Licht- und Schattenseiten abwägen, die das gesamte Areal betreffen.

Das 1,7 Hektar große ehemalige Post-Areal wurde 2002 für 230 Millionen Euro an den niederländischen Investor MAB verkauft. Das Architekturbüro KSP Engel und Zimmermann ging als Sieger aus dem städtebaulichen Wettbewerb hervor. Zu dem fortan entwickelten „Palais Quartier“ gehören zwei Hochhauskomplexe, das rekonstruierte „Palais Thurn und Taxis“ und das Einkaufszentrum an der Zeil.

Die modisch geknickten Hochhäuser sind mit 136 und 99 Metern eigentlich zu hoch für das enge Innenstadtareal. Weder erreichen sie die Feingliedrigkeit anderer Frankfurter Hochhäuser, wie zum Beispiel der Commerzbank-Tower, das Japan-Center oder das Main Plaza in Sachsenhausen, noch passen sie in die Umgebung.

Empfindlich wird die Stadtsilhouette vom Sachsenhausener Ufer durch die recht plumpen Türme des Büros KSP Jürgen Engel Architekten gestört, denn erstmals verlassen Wolkenkratzer das bislang für sie vorbehaltene Bankenviertel westlich der Innenstadt und treten damit in direkte Sichtkonkurrenz zum Domturm. Möglichenfalls handelt es sich bei den das Stadtbild störenden Hochhäusern um reine Spekulations- bzw. Abschreibungsobjekte. Das Hochhaus Nextower steht nach den im Internet zu findenden Angaben weitgehend leer. Kein Wunder bei einem enormen Büroleerstand in Frankfurt. Ob sich das daneben stehende Jumeirah Frankfurt Hotel wirtschaftlich trägt, kann nicht beantwortet werden. Das 24-geschossige Bauwerk ist ein Fünf-Sterne-Haus mit 218 Zimmern, die erst einmal belegt sein wollen. Einen gewissen Ausgleich könnten die Zimmerpreise ab 240 Euro ermöglichen. Aber dennoch muss ein so großes Haus unterhalten werden.

Die Genehmigung zur Errichtung von derart hohen Türmen, die womöglich nur der Spekulation dienen, war ein Geschäft der Stadt, mit dem sich der Investor zur äußerlichen Rekonstruktion des „Palais Thurn und Taxis“ verpflichten ließ. Insofern waren die Hochhäuser die Kröte, die man schlucken musste, um ein barockes Stadtpalais wieder zu erhalten, das im 19. Jahrhundert nationale Bedeutung als Sitz des Deutschen Bundestages hatte. Trotz Stahlbetonbauweise mit nachträglicher Sandsteinverkleidung und trotz einiger baulicher Verkleinerungen wirkt diese Rekonstruktion insgesamt gelungen. Gleichwohl wird sie von den Hochhaustürmen beinahe erdrückt und - dort, wo das Palais einst in einen schönen Garten gebettet war - durch den Hinterausgang des Einkaufszentrums in eine enge, ungemütliche Lage gesetzt. Der schöne Kuppelsaal im Inneren des Palais mit seinen Wandmalereien sollte ursprünglich auch rekonstruiert werden, dies ist offenbar teilweise geschehen, ob die Rekonstruktion aber abgeschlossen oder von ihr aus Kostengründen Abstand genommen wurde, ist nicht herauszufinden.

Überhaupt sind die Informationen zum "Palais Thurn und Taxis" spärlich. Das ist dubios angesichts der historischen und architektonischen Bedeutung des Baus. Das Untergeschoss wird mittlerweile offenbar als gelegentliche Eventlokaltität genutzt, und seit Dezember sind einzelne Räume sowie der Innenhof von der Gaststätte "Frohsinn" belegt. Allerdings scheinen immer noch weite Teile des Gebäudes leer zu stehen.

Eigentlicher Besucheranziehungspunkt des „Palais Quartier“ ist aber das Einkaufszentrum „MyZeil“. Oberbürgermeisterin Petra Roth hatte diese seltsame Namensgebung als „geradezu genial“ begrüßt, während die damalige BFF-Fraktion dieses „denglische“ Sprachkonstrukt damals als „Realsatire“ und „Spitze des Eisbergs dummdeutscher Sprachverwahrlosung“ kritisierte.

Keine Frage, das „MyZeil“ verfügt über spektakuläre, großstädtische Architektur, die auf der Planung des italienischen Architekten Massimiliano Fuksas basiert. Ein riesiges Loch klafft bereits in der zur Zeil ausgerichteten Glasfassade.



Im Inneren erwarten den Besucher eine der größten freitragenden Rolltreppen Europas (46 Meter) und eine riesige gläserne Röhre, die sich durch die elliptischen Galerien mit ihren Lichtlinien und 50er-Jahre-Retro-Geländern windet.




Zweifellos handelt es sich bei „MyZeil“ um die interessanteste Architektur der nördlichen Zeil, seitdem im Krieg die beeindruckende neobarocke Hauptpost an gleicher Stelle zerstört worden war und leider nicht rekonstruiert wurde.

Doch die baulichen Defizite treten ebenfalls offen zutage. Die Presse berichtete von den eklatanten Mängeln des Baus, sprach von „billigster Ausführung“. Nicht allein, dass es hineinregne, auch seien bereits Fußleisten abgefallen, hätten sich viele schiefe Scharniere, Schlitze und aufgeplatzte Dehnungsfugen gebildet. Das hypermoderne Einkaufszentrum dürfte aufgrund seiner anfälligen Architektur ein dauerhafter und ausgesprochen teurer Sanierungsfall sein. Und dies nach Investitionskosten, die etwa 960 Millionen Euro betrugen. Welch „Peanuts“ sind dagegen die Kosten für die Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt zwischen Dom und Römer, obgleich dort immer mal wieder gerne von modern gesonnenen Architekten scheinheilig das „Kostenargument“ bemüht wurde, um gegen jenes Projekt zu wettern.




Immer wieder kommt es zu Wasserschäden. Im Winter sammelte sich bereits Schnee in der Glasröhre. Auch liefen bereits Wassermassen durch die Röhre, so dass 2010 der Haupteingang gesperrt werden musste, weil das Wasser dort durch den Trichter direkt auf die Zeil schoss. Eine kleine Schnee-Lawinensperre musste eingebaut werden. 2010 musste offenbar auch eine Abluftanlage für eine halbe Million Euro nachgerüstet werden. 2011 wurde vor dem Haupteingang ein provisorisches Wellblechdach angebracht, um Besucher vor herabstürzenden Wassermassen zu schützen. Im Juni dieses Jahres wurde dann endlich ein neues Eingangsdach eingeweiht.

Hinzu kommt das Ladenangebot bei „MyZeil“, das seine wirtschaftliche Tragfähigkeit erst noch langfristig unter Beweis stellen muß. Dies dürfte gerade angesichts der wieder herannahenden ökonomischen Krise offenkundig werden, die auch durch den derzeit bundesweit feststellbaren Drang zur Investition in neue großflächige Einkaufscenter (von Braunschweig über Aachen bis Offenbach) nicht aufgehalten werden kann. Bereits 2010 kriselte es gewaltig bei den Läden, die mit Auszügen und mangelndem Mietinteresse zu kämpfen hatten.

Insofern könnte „MyZeil“ eine vergleichsweise kurze Lebensdauer beschieden sein. Man wird somit abwarten müssen, ob das Einkaufszentrum in 20 Jahren noch in dieser Form Bestand hat.

Ein weiterer Problemfall des Areals ist bis heute nicht gelöst. Dies ist der größte Skandal des großräumigen Bauvorhabens. 2006 wurde das 1953 von Wilhelm Berentzen errichtete "Rundschau-Haus" an der Ecke Große Eschenheimer Straße/Stiftstraße grundlos abgerissen. Bis heute klafft dort eine Baugrube, und der Investor ist offenbar nicht zum Weiterbau zu bewegen. Die "Freien Wähler" haben bereits 2012 den Magistrat gefragt, wann mit einem Bau zu rechnen ist. Die Antwort war leider nur vage. Man habe dem Bauherren den Wunsch mitgeteilt, die Baulücke zu schließen, wurde mitgeteilt. Auch hier scheint sich ein Spekulationsobjekt auf Kosten des Stadtbildes herauszubilden, und die Stadt Frankfurt bleibt weiterhin harmlos und auf Kuschelkurs mit den internationalen Investoren.

 
Marlis Lichtjahr

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