Gedenken an Völkerschlacht

Die Freien Wähler gedachten der Niederlage Napoleons vor 200 Jahren in Leipzig

Gedenken an Völkerschlacht


Die offizielle Gedenkkultur der Bundesrepublik steht unter dem geistigen Filter, nationale Bezüge möglichst zu vermeiden. Und wo diese nicht verschwiegen werden können, wird versucht diese zu relativieren und in einen "übernationalen" oder "europäischen" Kontext zu interpretieren. Der Trend ist klar: Deutschland soll sich mit der Rolle als eingeschränkt souveräne zukünftige Teilregion in einem EU-Bundesstaat begnügen. Zudem könnten allzu viele nationale Bezüge der Umwandlung unseres Gemeinwesens in eine beliebige "Vielfalt"-Gesellschaft Steine in den Weg legen.

So auch beim diesjährigen Gedenken an die Völkerschlacht bei Leipzig, das weitgehend nur im Leipziger Raum größere Beachtung findet, und dort womöglich vor allem aus touristischen Gründen.  In einem massenhaft in der Tagespresse verbreiteten dpa-Artikel aus der Feder Birgit Zimmermanns kann man die üblichen Zeitgeist-Relativierungen nachlesen.

So wird der Leipziger Historiker Frank Britsche zitiert, dass die nationale Emanzipation nicht das Ziel der beteiligten Herrscher gewesen sei. Als wäre dies eine Neuigkeit und würde die "patriotischen Stimmen", die das Ereignis schon zeitgenössisch einordneten, in irgendeiner Weise widerlegen. Es ist faktisch seit nun zwei Jahrhunderten bekannt, dass die deutsche Nationalbewegung keine Fürstenbewegung, sondern eine aus dem Volk war, und zwar verbunden mit zunehmenden Forderungen nach demokratischer Teilhabe an den Staatsgeschäften. Dass die Fürsten den Krieg als Kabinettskrieg werteten, ändert nichts daran, dass er für die Masse des Volkes ein Kampf für die Freiheit der Nationen vom französischen Joch war. Auch stört sich Britsche daran, dass Deutsche "eine genuin deutsche Perspektive" einnehmen und sich nicht mit der französischen Sicht gemein machen, also die Völkerschlacht nur als "bloßen Rückzug aus Leipzig" interpretieren. Würde Britsche den Westalliierten auch vorschlagen, die Landung an der Küste der Normandie 1944 nicht als Auftakt zur Eroberung Europas und zur Beseitigung des NS-Systems zu interpretieren, sondern nur als "bloßen" Rückzugsakt?

In die gleiche Kerbe einer Verdrehung zugunsten heutiger politischer Vorgaben haut der für die Leipziger Feierlichkeiten verantwortliche Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums in Leipzig, Volker Rodekamp. Seiner Verlautbarung nach habe es bei dem Gedenken "nicht um die Nationwerdung der Deutschen, nicht um die Abstreifung der Repression unter Napoleon" zu gehen. Vielmehr soll die Feier zum pazifistischen Allerlei umgedeutet werden, bei dem "ein neues Verständnis für Vergangenheit" mittels "Aufklärungsarbeit" in die Wege geleitet werden soll. Es ginge also darum, "eine Brücke" zu bauen "in eine bessere, zumindest friedvolle und nicht mehr kriegerische Zukunft der Menschen in Europa". Dieses Ziel ist zwar löblich, aber durch ein würdevolles Gedenken an einen der Gründungsmomente der deutschen Nationalbewegung dürfte heute kaum der europäische Friede in Abrede gestellt werden. Wollte er den Frieden des Kontinents erhalten, dann sollte sich Rodekamp lieber mit den aktuellen Problemen dieses Kontinents befassen, mit dem sozialen Abstieg weiter Bevölkerungsteile zugunsten einer globalen Finanzelite, mit Masseneinwanderung aus Bürgerkriegsgebieten, mit der Herausforderung durch den Islam, mit zunehmender Rohstoff- und Energieknappheit. Die Völkerschlacht bei Leipzig ist ein denkbar schlechter Anlass für fromme und substanzlose Wünsche. Und es ist unwürdig, das Gedenken an die Toten der Schlacht für unpatriotische Kirchentagsrhetorik zu instrumentalisieren.




Vertreter der Freien Wähler in Frankfurt haben deshalb beschlossen, wenn schon die offizielle Politik weitgehend verschämt schweigt, ein Zeichen zu setzen. Zum Andenken an die Toten der Völkerschlacht bei Leipzig haben sie ein Blumengebinde am Körner-Denkmal auf der Körnerwiese abgelegt und eine kleine Gedenkfeier abgehalten.

Folgende Rede wurde dabei gehalten:

Dieser Tage jährt sich zum 200. Mal ein Ereignis, das zur Geburtsstunde des modernen Deutschland werden sollte. Vom 16. bis 19. Oktober 1813 fand die berühmte Völkerschlacht bei Leipzig statt. Es war die Entscheidungsschlacht der Befreiungskriege gegen die französische Besatzung. Die verbündeten Truppen Russlands, Preußens, Österreichs und auch Schwedens besiegt dort auf vernichtende Weise das Heer Napoleon Bonapartes.

Man muss sich hierzu die Situation Deutschlands ins Gedächtnis rufen. Das bereits seit dem 30-jährigen Krieg im 17. Jahrhundert politisch stark geschwächte Heilige Römische Reich Deutscher Nation, also das stark in Kleinterritorien zergliederte erste deutsche Reich, endete 1806. Unter dem Druck Napoleons legte Franz II. die Kaiserkrone nieder, der noch 1792 im Frankfurter Dom gekrönt worden war.

Danach hörte Deutschland erst einmal als Staatsgebilde zu existieren auf. Statt dessen hatte sich eine lockere Konföderation westdeutscher Kleinstaaten gebildet, die sich unter die Dominanz Frankreichs stellten. Dieser Rheinbund war faktisch ein Militärbündnis deutscher Kleinstaaten mit Napoleon. Da sich die regierenden Fürsten mit den Franzosen gemein machten, lieferten sie den ersten Anlass für die spätere antifeudale und republikanische Bewegung des Vormärz und des Jahres 1848, die eine bewusst nationale Bewegung war.

Dass das devote Verhalten der Fürsten gegenüber den Franzosen schon damals für Empörung in der Bevölkerung sorgte, zeigt die Schrift "Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung", für deren Verfassen der Nürnberger Buchhändler Johann Philipp Palm 1806 erschossen wurde. Auch diese Tat stärkte das deutsche Nationalgefühl und demokratische Bewusstsein angesichts der erfahrenen Ohnmacht.

Das Ende der napoleonischen Herrschaft bedeutete auch eine Chance dafür, einen neuen deutschen Nationalstaat mit stabilen Institutionen zu schaffen. Dies vor allem, als der napoleonische Rußlandfeldzug 1812 mit einer verheerenden Niederlage endete. Neben der offiziellen preußischen Armee, die um den Jahreswechsel 1812/13 die Fronten wechselte, als schließlich Napoleon offiziell der Krieg erklärt wurde, kam es zur Bildung vieler Freiwilligenverbände, vor allem so genannten Freikorps, die Guerillataktiken anwandten. Der 1791 in Dresden geborene Dichter Theodor Körner war einer dieser Freiwilligen. Er fiel als Mitglied des Lützower Freikorps kurz vor der berühmten Völkerschlacht, Ende August 1813. Diese war bis zum 20. Jahrhundert die größte Schlacht der Weltgeschichte mit rund 600.000 beteiligten Soldaten. Die Niederlage der napoleonischen Armee bedeutete das Ende der französischen Machtstellung in Mitteleuropa. Sie schuf erst die Voraussetzungen für den nun folgenden langen und schweren Weg zu einem modernen deutschen Nationalstaat.

Wurde der 100. Jahrestag dieser bedeutenden Schlacht 1913 noch festlich begangen und mit der Einweihung des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig gekrönt, so finden einhundert Jahre später kaum Gedenkveranstaltungen zu diesem historischen Ereignis statt. Dies mag teilweise an dem noch immer gestörten Verhältnis der Deutschen zu sich und ihrer Geschichte liegen.

Wenn aber schon die offizielle Politik schweigt, dann wollen zumindest die Freien Wähler in Frankfurt ein Zeichen setzen und mit der Niederlegung eines Blumengebindes am Denkmal Theodor Körners stellvertretend den Toten der Befreiungskriege und der Völkerschlacht vor 200 Jahren gedenken. Ohne sie hätten wir heute womöglich kein Deutschland in Einheit und Freiheit.


Außerdem wurde aus einer Einleitung Otto Franz Gensichens aus "Theodor Körners sämtlichen Werken" vorgelesen:





Marlis Lichtjahr

Leserkommentare (2)

Um einen Kommentar zu verfassen, loggen Sie sich bitte hier ein.
Falls Sie noch kein Benutzerkonto besitzen, können Sie sich hier registrieren.

Die Zeiten werden sich wieder ändern. Die Feierlichkeiten zum 250. Jahrestag werden sicher eher mit denen zum 100. als mit denen zum 200. vergleichbar sein, auch wenn ich ihn wohl nicht mehr erleben werde.

Die Napolionischen Kriege haben fast 5 Millionen Menschen das Leben gekostet. Warum ist Präsident Hollande eigentlich nicht zum Kniefall nach Leipzig gekommen?
Ach so ja, ewige Schuld gibts ja nur für die Deutschen. Merde!

Gut, daß die Freien Wähler Frankfurt die Erinnerung an die Völkerschlacht und das Gedenken an Theodor Körner wach halten.
Gut und wichtig auch, daß sie sich für die richtige und wahrheitsgemäße Einordnung in die deutsche Geschichte einsetzen.

Dieses ganze verlogene und verschwurbelte linksgrüne Journalistengewäsch um die Völkerschlacht und die allgegenwärtigen medialen geschichtlichen Verdrehungen erinnern mich mal wieder an meine Jugend in der DDR, genauer an das Jahr 1983.
Luther wurde 500 und überall in Europa ehrte man ihn im Luther-Jahr. Nicht so in der DDR. Luther war kein Kommunist, und die Kirche wollte man sowieso am liebsten abschaffen. Wie gut, daß Marx im gleichen Jahr 100 Jahre tot war, und schon war das Marx-Jahr im Luther-Jahr viel wichtiger und überall medial präsent...

Gute Aktion. Ergänzenswert wäre vielleicht noch, dass Napoleon zehntausende zwangsweise rekrutierte Deutsche, auch etliche Frankfurter, gnadenlos bei seinem desaströsen Rußland-Feldzug verheizt hat. Das hindert Frankreich nicht, diesen ja nach heutigen Maßstäben wohl als Massenmörder zu bezeichnenden Herrscher bis heute pompös zu ehren. Hitler hat übrigens bei seinem gespenstischen Kurzaufenthalt 1940 nach dem Sieg über Frankreich in Paris das Grab Napoleons besucht - warum wohl?