FAZ-Portrait Wolfgang Hübner

Frankfurter Gesichter

FAZ-Portrait Wolfgang Hübner

Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Römer, Wolfgang Hübner, wurde am 17. Mai 2014 in der Rhein-Main-Zeitung der FAZ unter der bekannten Rubrik „Frankfurter Gesichter“ von dem Journalisten Tobias Rösmann textlich und von dem Zeichner Oliver Sebel zeichnerisch porträtiert. Wir dokumentieren diesen FAZ-Beitrag in voller Länge, versehen mit einigen persönlichen Anmerkungen von Wolfgang Hübner.
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Frankfurter Gesichter
Wolfgang Hübner

 
In den späten sechziger Jahren unternahm Wolfgang Hübner gern Enteignungsspaziergänge. Er schlenderte dann durch die Wohnviertel seiner Heimatstadt Frankfurt und hielt Ausschau nach Mercedes-Sternen. Die schlug er reihenweise ab – „mit einer speziellen Handtechnik“. Das war die Zeit, in der Hübner, heute Fraktionschef der Freien Wähler im Römer, noch ein Linker war. Ein Sympathisant des kommunistischen China, viele Jahre Mitglied der Deutschen Friedens-Union, einer Art Tarnorganisation der verbotenen KPD. Als die Gewalt der Linken wuchs, als die Rote-Armee-Fraktion Menschen ermordete, reichte es ihm. Heute spricht Hübner von der „Verblendung dieser Jahre“. Biser zu dem Politiker wurde, der er nun ist, verging trotzdem noch viel Zeit.
 
Hübner ist Bäckerssohn. Der elterliche Betrieb stand an der Kirchnerstraße. Vater und Mutter stammten aus einem Dorf in der Wetterau. „Ich bin ein Migrantenkind“, sagt der 1946 geborene Stadtverordnete. Er meint das ernst. Damals, so sagt er, seien 30 Kilometer zwischen der Wetterau und der Großstadt viel weiter gewesen als heute. Hübner ist im Rathaus sicher einer der unbeliebtesten Stadtverordneten. Für alle Politiker links der CDU ist er ein Rechtsradikaler. Einer, der für die gerne Toleranten jeder Couleur Inakzeptables äußert, zum Beispiel diesen Satz: „Ich meine, wenn man in ein begehrtes Land wie Deutschland kommt, gilt es erst mal eine Gegenleistung zu erbringen.“ Einer, der schon 1993 bei der Gründung der BFF, des Vorgängers der Freien Wähler, forderte, dass Ausländer vor allem Deutsch lernen müssten – eine Ansicht, die längst salonfähig ist. Bei den Grünen löst Hübner bis heute Schnappatmung aus. Kaum steht er am Pult, beginnen die Zwischenrufe.
 
Hübner ist aber auch einer, der sich nah an und zuweilen jenseits der Fremdschäm-Grenze bewegt. Als einer der wenigen im Römer, die in der Lage sind, frei eine gute Rede zu halten, fällt er sich zuweilen selbst in den Rücken. Anstatt seinen Argumenten zu trauen, wird er persönlich. Vor ein paar Jahren sagte er zu Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg von den Grünen, sie geize nicht mit ihren weiblichen Reizen. Zu den Morden des NSU ließ er wissen, „Politiker und Massenmedien“ versuchten „Abermillionen Menschen in Deutschland“ glauben zu machen, „das größte und gefährlichste Problem sei der Rechtsextremismus in seiner mörderischen Variante“. Auch eine angebliche Satire über den Begriff „Rotationseuropäer“ für Sinti und Roma hielten viele für total daneben. Hübner gibt sich selbstkritisch: „Ich kann nicht sagen, dass ich mit jedem Auftritt von mir einverstanden bin.“ Für seinen größten Erfolg hält er es, die Altstadt auf den Weg gebracht zu haben.
 
Vieles, was Hübner auszumachen scheint, bekommt Risse, wenn er glaubt reden zu können, ohne sofort angegriffen zu werden. In der großen Wohnung eines Mehrfamilienhauses im Westend, das seinem Bruder und ihm gehört, gibt es sehr viele Bücher. Und jede Menge CDs. Klassik, Opern. Den Kaffee für den Gast brüht er sekundengenau auf. Mit einem Wecker. In der Wohnung über ihm wohnt eine polnische Familie, unter ihm eine italienische. 1973 fing Hübner bei der Nachrichtenagentur AP an. Er blieb fast 37 Jahre. Oft gewann er das interne „Monatsrennen“: Seine Kulturkritiken – über Film und Oper vor allem – wurden am meisten abgedruckt. 2009 hörte er auf. Kümmerte sich mit seiner Frau um den schwerbehinderten Sohn. Sein Junge starb vergangenen Sommer. Mit 38 Jahren. Hübner sagt: „Das wird man nicht mehr los.“


- Tobias Rösmann
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Einige Anmerkungen zu meinem FAZ-Porträt:

Wenn man, wie ich in Frankfurt geboren ist und das ganze schon recht lange Leben in dieser Stadt gelebt, gearbeitet und gewirkt hat, ist es nicht unerfreulich, Eingang in diese traditionsreiche Galerie „Frankfurter Gesichter“ gefunden zu haben. Die Zeichnung meines Gesichtes ist gelungen, schöner bin ich nun einmal nicht.

Zum Text ist allerdings doch einiges zu sagen. Gewiss war es eher mutig von dem in Frankfurter Politikerkreisen allgemein sehr geschätzten, weil kompetent-fairen Journalisten Tobias Rösmann, ausgerechnet einen so umstrittenen Kommunalpolitiker wie mich in dieser Rubrik zu porträtieren. Das wird etlichen Leuten und Kreisen in Frankfurt wenig bis überhaupt nicht gefallen. Gleichwohl habe auch ich einen gewissen Preis dafür zu entrichten, mich für die Darstellung in der Rubrik bereit erklärt zu haben.

Denn in dem Text, mit dem ich grundsätzlich leben kann, sind einige zu korrigierende oder zu erklärende Passagen: Ich habe nicht „reihenweise“ Mercedes-Sterne geköpft, sondern nur einige – Mercedes-Fahrer, vergebt mir! Ich war nicht viele Jahre in der Deutschen Friedens-Union (DFU), sondern nur recht kurze Zeit - als 19jähriger. Aber es war für mich eine wichtige Erfahrung, die ich nicht missen möchte in meiner bewegten politischen Biographie.

Gewiss bin ich einer der „unbeliebtesten“ Stadtverordneten. Wäre es anders, müsste ich mir sehr ernsthafte Gedanken machen. Denn ich bin nicht gewählt worden, um im Römer beliebt zu sein, sondern um die Interessen der Bürgerinnen und Bürger mit Leidenschaft und Konsequenz zu vertreten. Deshalb bin ich aber nicht, wie Rösmann ausnahmsweise nicht gut informiert schreibt, „für alle Politiker links der CDU“ ein „Rechtsradikaler“. Es gibt eine Reihe von Stadtverordneten und Magistratsmitgliedern „links“ von der CDU, die das mit besten Gründen nicht tun, aber halt auch nicht öffentlich sagen werden. Mir reicht es, das zu wissen. Und selbstverständlich bin ich für die Linkspartei, Frau Jutta Ditfurth und einen superlinken Piraten schon deshalb „rechtsradikal“, weil ich halt nun mal schon lange weder linksradikal noch gar linksextrem, sondern einfach realistisch bin.  

Ob ich mir, wie Rösmann schreibt, ab und zu mit Äußerungen „selbst in den Rücken“ falle, mögen andere beurteilen. Und ob sich jemand ob der drei genannten Beispiele „fremdschämen“ muss oder möchte, ebenfalls. Ich schäme mich jedenfalls in diesen drei Fällen nicht, auch nicht nachträglich: Die Anspielung auf den Einsatz weiblicher Reize der grünen Integrationsdezernentin wäre in weniger vom Genderwahn verkrampften Ländern als “Deutschland von Sinnen” eher als ironisches Kompliment belächelt worden. Zu meinem immer wieder skandalisierten Kommentar zu dem NSU-Verfahren stehe ich nach Kenntnis weiterer Informationen über die Hintergründe dieser dunklen Staatsaffäre mehr denn je – da haben sich ganz andere zu schämen. Und meine kleine Satire über die absurde Bezeichnung „Rotationseuropäer“ kann nur die geärgert haben, die solchen politisch-korrekten Begriffsquatsch verbreiten.

Wer von dem Porträt „Risse“ im Klischeebild von mir bekommen haben sollte oder noch bekommen wird, beweist damit nur, dass Herr Rösmann gute Arbeit geleistet hat. Diese Anmerkungen sind dann auch keine Kritik an der Arbeit des Journalisten. Betrachten sie, lieber Leser, meine kleinen Korrekturen und Erklärungen einfach als notwendige Ergänzung. Und jetzt genug von mir: Zurück an die wahren Probleme!


Wolfgang Hübner

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