Dienstwagen gerettet, politische Ehre verloren
BFF-Rede zur Abwahl von zwei grünen Dezernenten

In einer Sondersitzung der Stadtverordneten am 8. Juni 2016 wurden zwei hauptamtliche Mitglieder des Magistrats, die Grünen-Politiker Sarah Sorge und Olaf Cunitz, abgewählt, um Platz für zwei Politiker der SPD zu machen. Der Redebeitrag des BFF-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Hübner behandelt kritische diese Abwahl.
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Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren!
Die vorzeitige Abberufung hauptamtlicher Magistratsmitglieder ist keine Selbstverständlichkeit. Wenn man lange genug dabei ist, wie ich jetzt, dann hat man das alles schon einmal erlebt, nämlich 2006. 2006 war die SPD betroffen, das haben wir bereits gehört. Für die SPD war das sicherlich keine schöne Stunde. Heute steht die Abwahl von zwei grünen Dezernenten an. Es gibt aber einen gewaltigen Unterschied zwischen der Situation im Jahr 2006 und im Jahr 2016. 2006 konnten und wollten die SPD‑Stadtverordneten natürlich der Abwahl ihrer Leute nicht zustimmen. Das ist doch klar. Heute aber werden, und zwar noch in namentlicher Abstimmung, die GRÜNEN dafür stimmen, dass zwei ihrer Dezernenten abgewählt werden. Ich sage den GRÜNEN, Sie werden heute zwar zwei Dienstwagen retten, aber Sie werden auch Ihre Ehre verlieren.
(Beifall, Zurufe)
Ich weiß, dass der Begriff der Ehre in Ihren Wörterbüchern nicht mehr vorkommt. Aber nehmen Sie zur Kenntnis ...
(Zurufe)
Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es noch Stadtverordnete und Menschen in diesem Land gibt, für die er eine Rolle spielt.
(Beifall)
Und es gibt selbstverständlich auch eine politische Ehre, ganz klar. Ich bedanke mich bei Herrn zu Löwenstein für seine demokratietheoretische Vorlesung, der ich mit Interesse zugehört habe. Ich weiß also jetzt, was der Wählerwille ist. Aber Herr zu Löwenstein, Sie wissen es doch ganz genau, hier geht es am allerwenigsten um den Wählerwillen, sondern hier geht es um den Willen der neuen Koalition, die Personalausstattung so zu machen, wie sie sich das vorstellt beziehungsweise wie sich die Mehrheit das vorgestellt hat. Es wird ein Mythos verbreitet - Frau Rinn hat erfreulicherweise darauf angespielt -, es handele sich hier um den Wählerwillen. Wenn es wirklich um den Wählerwillen ginge, dann hätte sich doch folgende Koalition gebildet: CDU, SPD und AfD. Das wäre der Wählerwille gewesen.
(Beifall)
Der Wählerwille war es, Herr Stock, dass die GRÜNEN in die Opposition gehen, das ist ganz klar. Sie verweigern sich diesem Wählerwillen, in die Opposition zu gehen, weil Sie eben an ihren kleinen Machtpositionen hängen und an den zwei Dienstwagen, die jetzt noch übrig bleiben. Darum geht es bei der ganzen Sache. Ich sage auch noch, diese neue Koalition nimmt überhaupt keine Rücksicht. Sie hat zu vermerken, dass wir die niedrigste Wahlbeteiligung überhaupt haben. Und was macht sie? Sie erhöht die Zahl der Dezernenten um eine Position. Das ist dann also der Wählerwille.
(Beifall)
Sie haben nach 1945 die geringste Legitimität überhaupt, hier diese Dinge zu tun, aber Sie machen es.
(Zurufe)
Ich will das nicht näher beleuchten, wir führen noch einige andere Debatten. Wir haben es uns in der BFF-Fraktion nicht leicht gemacht und Kriterien für die heutige Entscheidung aufgestellt. Ich nenne Ihnen zwei Kriterien, nach denen wir beurteilen, wie wir bei diesem Abwahlverfahren verfahren wollen. Erstens: Hat die zur Abwahl stehende Person ihr Amt und ihre Aufgaben so mangelhaft wahrgenommen, dass die Abwahl und die damit verbundenen Kosten und Folgen notwendig erscheinen? Zweitens: Stellt die zur Nachfolge bestimmte Person hinsichtlich ihrer Qualitäten und der von ihr vertretenen Inhalte eine echte Verbesserung da?
Die Betrachtung der beiden Abwahlkandidaten nach diesen Kriterien hat für uns Vorrang vor der politischen Wertung. Wenn es um eine politische Wertung geht, gibt es gar keinen Zweifel, dann sind wir natürlich dafür, zwei grüne Dezernenten abzuwählen. Herr Dr. Rahn hat es bereits gesagt, ein guter Tag für Frankfurt. Dem können wir uns nur anschließen. Aber es geht hier nicht nur um diese Kriterien. Das wäre zu einfach und das wäre auch meiner Meinung nach zu billig.
Ich will also jetzt erläutern - bei Frau Sorge werde ich es kurz machen und bei Herrn Cunitz ein bisschen länger -, wie die beiden diese Kriterien erfüllen beziehungsweise nicht erfüllen. Bei Frau Sorge ist es so, dass man beim ersten Kriterium mit einiger Sicherheit Ja sagen kann. Selbstverständlich hat sie eine objektiv schwierige Situation vorgefunden, was hier allgemein verschwiegen wird. Sie hat ein schweres Erbe angetreten. Die ganze Schlamperei, die in der Ära Ebeling gewesen ist, musste sie im Grunde genommen übernehmen. Frau Ebeling, und das wissen die, die ein bisschen länger dabei sind, hat in ihrer letzten Amtsperiode große Lustlosigkeit gezeigt. Sie hat die Dinge nicht mehr angepackt und sie sozusagen Frau Sorge als ihrer Nachfolgerin überlassen. Das muss man fairerweise zu der Leistung von Frau Sorge sagen.
Zum zweiten Kriterium, ob nämlich die Nachfolgerin - ich sehe sie gerade hier vorne - dann bessere Leistungen erbringen wird, kann ich immerhin sagen, dass es möglich ist, wenngleich keineswegs sicher. Es ist nämlich insofern keineswegs sicher, weil auch sie an viele objektive Grenzen kommen wird, die ihr das Leben nicht leicht machen werden. Das muss man bedenken. Und es gehört auch zur Fairness dazu, wie man die Person betrachtet.
Allerdings - das muss auch zu Frau Sorge gesagt werden - ist sie ein negatives Beispiel für falsches Berufspolitikertum. Sie hat einen Lebenslauf, der eigentlich unmöglich ist. Der ist nur von Politik geprägt. Da gibt es keine Lebensleistung, keine berufliche Lebensleistung, keine Lebensleistung mit Lebenserfahrung. Sie ist jetzt im mittleren Alter, wo man beruflich kurz vor dem Höhepunkt steht. Das kann sie nicht verzeichnen, denn sie hat in ihrem Leben nichts weiter gemacht als Politik. Ich habe bei Frau Sorge immer das Gefühl, ihre Spezialdisziplin ist es, politische Gegner zu bekämpfen. Das hat sie auch mit einer gewissen Unerbittlichkeit getan. Ich erinnere an die von ihr ideologisch völlig überhöhte Inklusionsdebatte. Insofern sagen wir, wir werden Frau Sorge mit abwählen.
Kommen wir zu Herrn Cunitz. Bei Herrn Cunitz ist es so, dass das erste Kriterium - ich lese das noch einmal vor: „… hat die zur Abwahl stehende Person ihr Amt und ihre Aufgaben so mangelhaft wahrgenommen, dass die Abwahl und die damit verbundenen Kosten und Folgen notwendig erscheinen“ - nicht zutrifft. Dazu sage ich eher Nein. Herr Cunitz hat - das ist von Herrn Oesterling sehr gut geschildert worden - in einem Zwiespalt gelebt. Nämlich, dass er im Grunde genommen mit einer großen Wachstumsbewegung - einem Bevölkerungswachstum - umgehen musste, die Quadratmeterzahl in Frankfurt ist nicht gewachsen, aber die Einwohnerzahl beziehungsweise die Zahl der Zugewanderten. Damit hatte er Schwierigkeiten. Er ist in dieser Frage oft unfair angegangen worden. Das muss man einfach sagen. Das habe ich so gesehen und auch in den Ausschüssen miterlebt.
(Beifall)
Es waren übersteigerte Erwartungen, die geweckt wurden. Vor allen Dingen wurde in dieser Beziehung eine gewisse Hetze von den LINKEN. initiiert und auch ziemlich starke Angriffe von der SPD. Wir werden ja sehen, was die SPD in dieser Frage leistet. Herr Cunitz hat gesagt: „Wenn ich in den vergangenen vier Jahren nach politischer Opportunität gearbeitet hätte, wäre ich vielleicht noch im Magistrat, aber inhaltlich nicht im Reinen.“ Das muss man ein Stück weit ernst nehmen, denn er hat in verschiedenen Fragen, meiner Meinung nach, gute Arbeit geleistet. Er hat vor der Wahl klar Nein zum Pfingstberg gesagt.
(Beifall)
Daran werden wir uns erinnern. Er hat in Fragen bezüglich der ABG dem Druck, der teilweise massiv auf ihn ausgeübt wurde, auch mit massiven Besuchen im Ausschuss für Planung, Bau und Wohnungsbau, nicht nachgegeben, er hat dem widerstanden. Herr Cunitz hat sich - zu unserer Überraschung, aber auch zu unserer Freude - beim Thema Altstadt äußerst positiv verhalten. Er hat diese Dinge nach vorne getrieben. Er war nie jemand, der bei dieser Sache abgeblockt hat. Ich muss es natürlich erwähnen, Herr Dr. Rahn hat es auch erwähnt, dass seine Rolle bei der Rennbahn eine schändliche gewesen ist. Seine törichte Bemerkung nach dem Bürgerentscheid hat ihn verfolgt. Ich habe mich ehrlich gesagt gefreut, dass das Bild der jubelnden Jungs nach dem Abschluss mit dem DFB inzwischen immer größere Lücken aufweist: Niersbach ist weg, sein Generalsekretär auch, jetzt ist Cunitz weg und Frank werden wir auch noch irgendwie schaffen.
(Heiterkeit)
Was negativ an ihm war, dass er auch als Dezernent nie ganz eine gewisse Überheblichkeit aufgegeben hat, die seiner intellektuellen Brillanz entstammte - er war ein guter Rhetoriker. Er war mit der beste Rhetoriker hier im Hause, aber das hat ihn dazu verführt, dass er immer ein wenig Fraktionsvorsitzender blieb. Herr Oesterling wird es bald erleben, es gibt schon ein paar Unterschiede zwischen dem Posten des Fraktionsvorsitzenden und dem eines Dezernenten. Er wird auch ein bisschen darunter leiden. Auch Herr Cunitz hat darunter gelitten. Er konnte es nicht ganz verbergen, wie sehr er darunter gelitten hat. Auch an der Akzeptanz der Zuwanderung und der Verweigerung, daraus die Konsequenzen zu ziehen, die die LINKE. und die SPD ziehen wollten, ist er mit gescheitert.
Beim zweiten Kriterium, Herr Josef, ist es so, dass wir betrachten, wie es dann nach ihm sein wird. Nach ihm sollen Sie ja kommen. Dann schauen wir uns einmal Ihre Qualifikationen an, weil heute richtigerweise auch von Qualifikationen die Rede war. Wir bekommen also einen Planungsdezernenten als Nachfolger von Herrn Cunitz , der Gewerkschaftssekretär ist.
(Beifall)
Als Nachfolger bekommen wir einen Mann, der nicht im Ausschuss für Planung, Bau und Wohnungsbau war. Wenn zum Beispiel Herr Pawlik oder Herr Amann als neue Dezernenten vorgeschlagen wären, was sollte ich gegen die sagen? Das sind Leute, die Ahnung haben. Dagegen sage ich nichts. Aber Herr Josef, Sie haben für den Pfingstberg gepredigt und bekommen ihn im Koalitionsvertrag nicht unter. Es wird also sehr interessant und spannend.
Wir haben heute und auch in der ersten Sitzung des Ausschusses für Planung, Bau und Wohnungsbau schon wieder die Andeutung gehört, dass die SPD darauf vertraut, dass die Koalition innerhalb dieser Wahlperiode umfällt. Ich sage, die Koalition ist bereits umgefallen. Wir haben es in der letzten Sitzung des Ausschusses für Planung, Bau und Wohnungsbau erlebt. Sie haben eine Anregung des Ortsbeirates 15 abgelehnt und sind dafür vor Publikum und in der Öffentlichkeit von Herrn Cunitz kritisiert worden. Dass das nicht wirklich durch die Presse ging, ist ein Versäumnis der Presse. Es war ein spektakulärer Vorgang und auch ein Vorgang, den ich so in all den Jahren, in denen ich dabei bin, noch nicht erlebt habe.
(Beifall)
Über eines müssen wir uns völlig im Klaren sein: Mit dem neuen Planungsdezernenten Josef kommt der Oberbürgermeister, nämlich Herr Feldmann, endlich auf den Prüfstand in der Praxis. Demnächst ist Schluss mit Ankündigungen und damit, immer zu sagen, ich würde ja gerne etwas machen, aber die anderen lassen mich nicht. Nein, wir wissen, es gibt dieses Bündnis Feldmann, Josef und - wer steht im Hintergrund? - natürlich Herr Wentz. Herr Wentz, der ehemalige SPD-Planungsdezernent, predigt schon lange, dass die Äcker in Frankfurt betoniert werden sollen. Wir sind sehr gespannt.
Ich sage es nochmals, wir werden Frau Sorge heute mit abwählen. Und wir werden die Abwahl von Herrn Cunitz denen überlassen, die das zu verantworten haben, nämlich der Koalition und vor allen Dingen den GRÜNEN.
Ich bedanke mich.
(Beifall)