„Eine Obergrenze der Frankfurter Bevölkerungszahl ist sinnvoll“

Zwei BFF-Reden aus der Stadtverordnetenversammlung

„Eine Obergrenze der Frankfurter Bevölkerungszahl ist sinnvoll“
(Gruppenbild des neu gewählten Magistrats)


Wir dokumentieren hier die Texte der Reden der BFF-Stadtverordneten Wolfgang Hübner und Patrick Schenk während der Stadtverordnetensitzung am 14. Juli 2016. Beide Reden beschäftigen sich mit der Neubesetzung des Magistrats, aber auch mit Fragen der Stadtplanung und dem Zustand der städtischen Demokratie.  
_________________________________________________________________


Die Rede von Wolfgang Hübner:

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

heute soll der bisherige Bürgermeister und Planungsdezernent endgültig abgewählt werden. Es ist die absurde Situation entstanden, dass ausgerechnet die BFF-Fraktion auch heute dagegen stimmen wird, obwohl sie erhebliche inhaltliche Differenzen mit der von Herrn Cunitz politisch verantworteten Planungspolitik hatte.

Ich halte es deshalb für notwendig zu erläutern, warum unsere Fraktion so stimmen wird. Denn wir tun das nicht, um als Opposition einfach das Gegenteil zu dem zu tun, was die Gagroko, also die Ganz-Große-Koalition tut. Was uns leitet, sind inhaltliche Gründe. Solche zu nennen, ist hingegen die Gagroko bis heute der Öffentlichkeit schuldig geblieben.

Meine Fraktion hat keinerlei Schwierigkeiten damit, dass Herr Cunitz ab morgen kein Bürgermeister mehr ist. Wir hätten auch keine Schwierigkeiten mit der Ablösung von Herrn Cunitz als Planungsdezernent, wenn damit eine positive Veränderung der städtischen Planungspolitik verbunden wäre. Doch die ist nicht in Sicht, zumal nicht mit dem von der Gagroko präsentierten Nachfolger - im Gegenteil.

Aber kommen wir zu den inhaltlichen Positionen, die uns dazu bewogen haben, gegen die Abwahl von Herrn Cunitz zu stimmen: Ein Thema wird in den nächsten fünf Jahren die Politik in Frankfurt mit Gewissheit prägen, nämlich das anhaltende Bevölkerungswachstum mit den damit zusammenhängenden Problemen und Herausforderungen.  

Der Zustrom ansiedlungswilliger Menschen in die Stadt Frankfurt ist eine Realität. Ich liege sicher nicht falsch mit der Vermutung, dass die meisten Neubürger nicht vom Apfelwein oder der Grünen Soße angezogen werden, sondern von der Magnetkraft der Prosperität Frankfurts. Zugespitzt gesagt: Wirtschaftliches Wachstum erzeugt Bevölkerungswachstum.

Die drei Partner der Gagroko sind, mit kleinen Differenzierungen, allesamt Freunde des Wachstums, auch Herr Cunitz. Das ist nicht verwerflich, aber auch keineswegs unproblematisch. Denn so wenig es unbegrenztes Wachstum gibt, so wenig gibt es unbegrenzte Möglichkeiten, Wachstum für alle oder wenigstens für die meisten Bewohner unserer Stadt verträglich zu gestalten. Dass sich Herr Cunitz gleichwohl bemüht hat, innerhalb dieser Grenzen des Wachstums einen akzeptablen Weg zu finden, wollen wir ihm keineswegs absprechen.

Eine tiefere Einsicht in diese Erkenntnis der Wachstumsgrenzen lässt der Koalitionsvertrag leider nicht ansatzweise erkennen. Vielmehr hat es den Anschein, als sei es nur ein Problem der Infrastruktur und des Wohnungsbaus, den weiteren starken Zuzug zu bewältigen. Offenbar wird das Wachstum an Menschen verbunden mit der Erwartung auf noch mehr Wirtschaftswachstum, noch mehr Steuereinnahmen, noch mehr Vielfalt.

Von einer Obergrenze des Einwohnerwachstums ist im Koalitionsvertrag deshalb keine Rede. Auch Herr Cunitz will bekanntlich davon nichts wissen - warum soll er dann eigentlich ausgewechselt werden, meine Damen und Herren? Die Botschaft der Gagroko ist: Unsere Tore sind offen – irgendwie werden wir das schon hinkriegen mit Arbeit, Wohnungen, Verkehr, Umwelt und Integration für alle, die kommen. Also kommt!

Wir brauchen aber Obergrenzen der Bevölkerungszahl in unserer Stadt! Und zwar brauchen wir solche Obergrenzen sowohl in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht. Die quantitative Obergrenze kann selbstverständlich nur eine markante Richtzahl sein – aber auch nicht weniger als das. Um zu verhindern, dass Frankfurt in einer unerträglichen Weise verdichtet und zubetoniert wird, sei diese Richtzahl mit rund 750.000 Einwohnern beziffert, die hohe Zahl illegal und unangemeldet lebender Menschen nicht eingerechnet. Eine solche Richtzahl, meine Damen und Herren, ist für die weitere Stadtplanung sinnvoll und, das betone ich ausdrücklich, ökologisch auch notwendig.

Es ist gewiss mit erheblichen finanziellen Anstrengungen verbunden, dafür eine akzeptable, funktionierende Infrastruktur zu schaffen. Ich halte es allerdings für möglich, rund 750.000 Einwohner mit Wohnraum ohne die Opferung von nennenswerten Landschafts- und Ackerflächen versorgen zu können. Im Bestand kann noch viel ausgebaut und besser genutzt werden. Sinnvolle Verdichtungen sind möglich, auch kreative Hochbauten für Normal- und Geringverdiener dürfen kein Tabu sein. Ich kann jedenfalls nicht verstehen, warum neuerdings nur Reiche und Gutverdiener für hochhausreif befunden werden.

Soweit der quantitative Aspekt. Kommen wir zur Qualität der Bevölkerungszunahme in Frankfurt. Der Zustrom aus Neubürgern hat, grob formuliert, zwei Hauptquellen: Die einen kommen aus dem Inland, also Hessen und anderen Teilen Deutschlands. Die anderen kommen aus dem Ausland, also Europa und der ganzen Welt.

Da bekanntlich die deutschstämmige Bevölkerung nicht wächst, sondern altert und schrumpft, resultiert der Zuwachs aus dem Inland aus der zunehmenden Urbanisierung, also der tendenziellen Entleerung der sogenannten „Provinz“. Ob das ein unumkehrbarer Prozess ist, wird die Zukunft weisen. Für Frankfurt sind mit dieser Entwicklung vor allem Wohnungsprobleme verbunden. Denn die in der Regel gutausgebildeten Zuwanderer aus dem Inland suchen angemessene Unterkünfte zu bezahlbaren Preisen, zudem eine umfassende Infrastruktur. Wir denken, dass Herr Cunitz im Rahmen seiner Möglichkeiten dazu einen Beitrag geleistet hat – warum soll er also ausgewechselt werden?

Es gibt jedoch keine Pflicht der Stadt Frankfurt, jedem dieser Menschen ausreichenden und bezahlbarem Wohnraum sowie eine perfekte Infrastruktur anzubieten. Es gibt hingegen großes Interesse, denjenigen Inlandszuwanderern beste Möglichkeiten zu bieten, die für die soziale und technische Infrastruktur besonders gebraucht werden – zum Beispiel Erziehungskräfte, Kranken- und Altenpfleger, Polizisten, Feuerwehrleute und so weiter. Für die Wohnversorgung dieser Menschen mit meist limitierten Einkommen müssen die städtischen Wohnungsgesellschaften eine besondere Verantwortung übernehmen.

Der Zustrom von Menschen aus der EU, anderen Staaten Europas und aus der ganzen Welt in die international geprägte Stadt Frankfurt ist eine Tatsache, die gerade Herrn Cunitz und seiner grünen Partei bekanntlich sehr am Herzen liegt. In diesem Zustrom widerspiegelt sich vorrangig die wirtschaftliche und soziale Attraktivität unserer Stadt. Für beides kann es jedoch keine dauerhafte Garantie geben. Denn unser ökonomisches System ist nur noch bedingt marktwirtschaftlich zu nennen. Der von dem klugen linken Soziologen Wolfgang Streeck beschriebene „Finanzinternationalismus der Eliten“ ist längst auf Verschuldung und die Geldproduktionsmaschine EZB so sehr angewiesen, dass ein hochangesehener ehemaliger Chefvolkswirt der EZB jüngst äußerte: „Wir können nur beten“.

Die vorrangig aus ökonomisch-konjunkturellem Kalkül betriebene Einwanderung von möglichst billigen und willigen Arbeitskräften vor allem für einfache, schlecht bezahlte Tätigkeiten im Dienstleistungssektor wie Hotels, Gastronomie, Reinigungsgewerbe oder Flughafen schafft aber nicht nur eine Klassengesellschaft neuen Typs. Diese Entwicklung führt auch in eine ethnisch-kulturell spannungsgeladene Situation.  

Frankfurt kann aus diesen Erwägungen und nicht zuletzt auch im Hinblick auf den immer weiter anschwellenden Sozialetat der Stadt unmöglich zur Heimat all derer aus dem Ausland werden, die in unserer Stadt leben wollen. Die Gagroko schweigt über diese Einsicht ebenso wie Herr Cunitz – warum soll er also in den Vorruhestand?

Wenn wir Frankfurt als eine sozial einigermaßen stabile Stadt bewahren wollen, die auch in wirtschaftlich schlechteren Zeiten gesellschaftlich und politisch zusammengehalten werden kann - dann müssen wir eine Obergrenze der Bevölkerung innerhalb der Stadtgrenzen nicht nur diskutieren, sondern auch fixieren. Das hat überhaupt nichts mit der albernen Unterstellung zu tun, wer so etwas sage, wolle eine Mauer um die Stadt errichten und die Zugbrücken hochziehen. Tatsache ist vielmehr: Millionen können jederzeit kann nach Frankfurt kommen. Aber es können nicht Millionen bleiben – so einfach ist das!

Auch Herr Cunitz ist den Verlockungen zu billiger Polemik manchmal erlegen. Er ist aber sicher einsichtig genug, um den Quatsch vom neuen Mauerbau nicht selbst zu glauben. Da sind wir uns bei seinem vorgesehenen Nachfolger keineswegs so sicher. Deshalb halten wir die Auswechslung von Herrn Cunitz nicht für gerechtfertigt. Und deshalb kandidiere ich nachher gegen Herrn Josef.


Die Rede von Patrick Schenk:

Herr Stadtverordnetenvorsteher,

sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

Uns Bürgern Für Frankfurt fällt die Entscheidung bei den heute anstehenden Wahlen für die hauptamtlichen Magistratsmitglieder leicht. Obwohl zwei der nun drei Fraktionen zählenden Koalitionspartner am 6. März rund 16 Prozent verloren haben und die Wahlbeteiligung unter 40 Prozent betrug, wird heute eine Ausweitung des Magistrats auf nun zehn (!) hauptamtliche Stadträte mit einer nicht unerheblichen Beamtenbesoldung - im wahrsten Sinne des Wortes - besiegelt. Ein politischer Skandal, den wir allein schon aus Gründen einer den Bürgern unserer Stadt gegenüber verantwortungsbewussten Haushaltsführung strikt ablehnen. Wir werden daher den Kandidaten Becker, Hartwig, Josef, Oesterling und Weber keine Stimme geben.

Wir tun dies nicht, weil wir etwa gegen die eine Kandidatin oder den anderen Kandidaten persönliche Vorbehalte hätten. Darüber können wir uns, anders, als einige Kollegen hier im Saal, kein zuverlässiges Urteil erlauben. Wir halten diese Ausweitung und Umbesetzung des Magistrats für falsch, für teuer und mit Blick auf das enttäuschende Wahlergebnis von CDU, SPD und GRÜNEN für völlig unverantwortlich.
Wir haben uns aber entschlossen, einen eigenen Kandidaten für das Amt des Planungsdezernenten zu nominieren. Mit Wolfgang Hübner wollen wir insbesondere die kritisch denkenden Kolleginnen und Kollegen unter Ihnen ermutigen, einen Kandidaten zu wählen, der ausreichende kommunalpolitische Erfahrung mit klaren Vorstellungen über Planungspolitik in seiner Heimatstadt Frankfurt verfügt.

Wolfgang Hübner ist als Mann selbständiger, oft auch unbequemer Positionen bekannt. Er sagt nicht „heute Hüh und morgen Hott“, sondern steht für eine Politik der Obergrenzen gegen „Bauen, bauen, bauen“-Geschrei und die geplante Betonierung und Verdichtung wertvollen Lebens- und Naturraums. Die Setzung von Obergrenzen für den Bevölkerungszuzug ist keine Provokation, sondern Resultat planerischer Vernunft und ökologischer Notwendigkeiten.

Mit seinem weitblickenden Einsatz für den Wiederaufbau der Altstadt und für die Erhaltung der traditionsreichen Rennbahn hat Wolfgang Hübner bewiesen, dass Planungspolitik für die Bürger da ist und nicht nur für Investoren. Das zu beachten, ist in Zukunft notwendiger denn je.

Unsere Stadt braucht klare und zukunftsweisende Entscheidungen dringender denn je. Erst am Wochenende schrieb die Frankfurter Rundschau von einer „Bleiernen Zeit“, weil seit dem 6. März quasi Stillstand herrscht in Stadtpolitik und Stadtverwaltung. Zu lange hatte man sich über Personen und Dezernatszuschnitte unterhalten. Zu lange dauerte das Hickhack um eine Beteiligung von Grünen oder F.D.P., welches schließlich zugunsten der Grünen ausgefallen ist. Und zu lange lagen und liegen immer noch anstehende Entscheidungen aus dem Planungs- und Schuldezernat auf Eis. Dieses Zaudern hat nicht nur unserer Stadt geschadet, es hat auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik weiter erschüttert und wird sicherlich nicht zu einem Anstieg der Wahlbeteiligung beitragen.

Schon jetzt zeigt sich, dass das neue Dreierbündnis schwerfällig, langsam und definitiv nicht vor Dynamik übersprudelnd agieren wird. Abstimmungen werden komplizierter, langwieriger und gewiss auch noch mehr als früher von Fundamentalismen und bisweilen ideologisch dominierten Grundsätzen geprägt sein. Eine für die SPD nach gut zehn Jahren neue Rolle. Sie muss nun wieder Regierungsverantwortung übernehmen - und setzt dabei auf junge Hoffnungsträger (zumindest Einen). Dass der designierte Planungsdezernent Mike Josef diese Hoffnungen erfüllen wird, muss schon heute bezweifelt werden. Zu durchsichtig ist sein Schweigen vor den heutigen Stadtratswahlen. Zu anstehenden politischen Fragen, wie beispielsweise „Project Shelter“ hätte er selbstverständlich eine Meinung, nur werde er diese NICHT vor der Wahl äußern, erklärte er gegenüber der Frankfurter Rundschau. Das ist doch der Beginn einer hervorragenden Vertrauensbasis. Man verschweigt den beiden anderen Koalitionspartnern vor der Hochzeit lieber einmal seine politischen Ansichten. Sollen diese doch nach der Hochzeitsnacht erfahren, wen man da so geheiratet hat.

Wir wissen aber bereits, dass der Schützling von Oberbürgermeister Feldmann und der grauen Eminenz namens Martin Wentz den Frankfurter Norden – und wahrscheinlich nicht nur den – massiv bebauen will. Und das muss er auch, wenn er seine bauwütige Partei und den Oberbürgermeister nicht enttäuschen will. Nur die CDU-Führung tut so, als wisse sie das nicht, und will allen Ernstes heute einen Mann ins Amt hieven, der ihr danach die Zunge rausstrecken wird. Viel Vergnügen, sage ich da nur!

Fast schon wie eine „Lichtgestalt“ ragt da Klaus Oesterling heraus, der gleichwohl unsere Stimmen nicht bekommen wird. Zu klar sind noch meine persönlichen Erinnerungen an die Zeit des sogenannten „Vierers“, in der insbesondere die SPD nicht gerade durch „Vertragstreue“ glänzte. Zu häufig musste der damalige Fraktionsvorsitzende der SPD an jedem zweiten Donnerstag-Morgen zu den anderen Koalitionären kommen und erklären, dass seine Fraktion am Mittwoch-Abend nicht den vorabgesprochenen Empfehlungen gefolgt sei. Das sind ja schöne Aussichten für Ursula Busch, die designierte neue Fraktionsvorsitzende.

Nein, meine Damen und Herren, von uns werden Sie keine Zustimmung für Ihre heute hier zu wählenden Kandidaten erhalten. Wir setzen stattdessen auf einen eigenen Kandidaten und bauen auf die Zustimmung derer, denen Personen mit klaren Ansichten und Liebe zu unserer Heimatstadt mehr bedeuten, als Großkoalitionäre, die permanent dem kleinsten gemeinsamen Nenner verpflichtet sind. Wir werden daher die vorgenannten Kandidaten nicht wählen und werben um Ihre Stimme für Wolfgang Hübner.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Leserkommentare (1)

Um einen Kommentar zu verfassen, loggen Sie sich bitte hier ein.
Falls Sie noch kein Benutzerkonto besitzen, können Sie sich hier registrieren.

Ohgott, ist das dieser Josef, von dem ich neulich in der FAZ ein Interview gelesen habe oder wo das war? Furchtbar...

Offenbach freut sich über zahlungskräftige Zuwanderer, warum also innerhalb Frankfurts unbegrenzt erweitern. Das tut der Stadt und den Bürgern, die hier bereits leben, nicht gut.

Und schon jetzt ist es so, dass die Stadt nur so wimmelt vor spanischen Studenten, griechischen jungen Absolventen usw.
Das gefällt den Arbeitgebern natürlich. Aber was bedeutet es für Deutsche? Mancher wird sein blaues Wunder noch erleben, wenn er aus der Uni rauskommt und kapiert, wofür er da immer so selbstverständlich lauthals argumentiert und demonstriert hat: Vielfalt, Zuwanderung, Toleranz, blablabla...