Bevölkerungswachstum und verengte Fahrbahnen

Dem Frankfurter Verkehrsinfarkt entgegen wirken

Bevölkerungswachstum und verengte Fahrbahnen
© R2D2


Die Römer-Fraktion der Bürger Für Frankfurt BFF hat jüngst eine ausführliche Anfrage an den Magistrat der Stadt Frankfurt zum drohenden Verkehrsinfarkt gestellt. Das Problem der "Stau-City" brennt vielen Bürgern auf den Nägeln, die Hintergründe bedürfen einer Erläuterung.

In einem Interview mit der "Frankfurter Neuen Presse" warnte der kürzlich abgewählt Planungsdezernent Olaf Cunitz vor einem drohenden "Verkehrsinfarkt" der Bankenmetropole. Bezeichnend ist dabei, dass heutzutage selbst "Grüne" wie Cunitz sich nicht mehr der Wachstumslogik verweigern, die ursprünglich vor allem von liberal-konservativen und sozialdemokratischen Politikern vertreten wird. Cunitz erklärt offen, dass es auch mit den "Grünen" zur Vernichtung von Grünflächen durch umfassende Flächenversiegelung und Bebauung kommen wird.

Dabei vertritt er das derzeitige Ideal vieler "Grüner", die "verdichtete, kompaktere Stadt", in der also weniger Grün, Licht und Luft vorhanden ist, dafür aber ein im Vergleich zu geringgeschossiger Bebauung verringerter Flächenverbrauch angestrebt wird. Über die sozialen Folgen einer solchen Massierung von Menschen machen sich die "Grünen" in ihrer optimistischen Zukunftserwartung ohnehin keine Gedanken: "Laut den jüngsten Prognosen müssen wir bis 2030 rund 90.000 Wohnungen fertigstellen. Derzeit haben wir ein Potenzial für vielleicht 40.000 Wohnungen. Für die fehlenden 50.000 Wohnungen haben wir noch keine konkrete Vorstellung, wo sie entstehen sollen. Wir werden nicht darum herumkommen, noch mehr Flächen auszuweisen und Siedlungen nachzuverdichten."

Cunitz brachte dabei das Landschaftsschutzgebiet westlich des Riedbergs in die Diskussion. Doch Cunitz zeichnete sich dadurch aus, dass er über alternative Möglichkeiten nachdachte. So stellte die FNP-Redaktion die richtige Frage, ob denn wirklich alle Menschen nach Frankfurt ziehen müssen. Cunitz erklärte, dass es durchaus mit mehr Anstrengung seitens der Politik möglich wäre, diese Ströme in Richtung der Metropolen teilweise umzulenken, also besser über das Land zu verteilen. Hierzu müssten bessere Internetverbindungen in anderen Regionen geschaffen werden, zudem ein erweitertes Angebot des öffentlichen Nahverkehrs für Pendler, die auf dem Land wohnen bleiben. Es sei gerade in Frankfurt versäumt worden, intensiv in die Erneuerung des öffentlichen Nahverkehrs zu investieren. Der S-Bahn-Tunnel sei bereits am Limit: "Vor dem Infarkt des Wohnungsmarkts wird der Verkehrsinfarkt kommen. Das ist in den Auswirkungen noch dramatischer."

Hinkt der öffentliche Nahverkehr in Frankfurt aber den Erfordernissen einer auf Wachstum angelegten Bevölkerungspolitik nach, so setzt die Frankfurter Politik schon seit Jahren zugleich auf einer Erhöhung der Radverkehrsquote. Das einst beschlossene Ziel, den Anteil der Rad fahrenden Verkehrsteilnehmer bis zum Jahr 2012 auf mindestens 15 Prozent zu steigern dürfte wohl erreicht sein. Das mit dem Verkehrsdezernat verbundene "Radfahrbüro" sprach bereits 2013 von einer angestrebten Quote von 20 Prozent. Dies kommt allerdings nur jener Klientel entgegen, die relativ innenstadtnah wohnt und arbeitet, und die sich ohnehin aufgrund der dort mangelnden Auto-Stellflächen für den Radverkehr entschieden hat.

Pendler, die auf das Automobil angewiesen sind, Touristen, Konsumenten aus den Stadtteilen und umliegenden Gemeinden sowie Zulieferer ziehen hingegen den Kürzeren, wenn Fahrbahnen systematisch für breitere Radwege verengt werden sollen.

Die Verengung der ohnehin engen Frankfurter Straßen ist auch insofern fatal, weil für die Zukunft von einem Wachstum der Pendlerquote ausgegangen wird. Nach Angaben der Agentur für Arbeit gingen im Februar exakt 541709 Arbeitnehmer in Frankfurt einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Nicht einmal 200000 dieser Arbeitnehmer wohnten aber auch in der Stadt. Täglich reisen also über 350000 Menschen von auswärts zur Arbeit an, und zwar etwa 8500 mehr als 2015.

Wenn das Nahverkehrsnetz veraltet ist, die Straßen zusätzlich zugunsten innerstädtischer Fahrradfahrer verengt werden sollen, dann versteht sich von selbst, dass der von Cunitz beschworene "Verkehrsinfarkt" zumindest zu bestimmten Tagesstunden nur noch eine Frage der Zeit ist. Auch eine weitere Ansiedlung von Menschen im Stadtgebiet dürfte kaum Entlastung bringen, zumal dies zu weiteren negativen Folgen führt: Steigerung der Mietkosten, da der Wohnungsbau mit der Dynamik nicht Schritt halten kann, Versiegelung bestehender Grünflächen sowie ein weiteres Ausbluten von umliegenden Landgemeinden.

Die nun eingereichte große Anfrage der BFF-Fraktion zum "Verkehrsinfarkt" hat deshalb zum Ziel, Klarheit über die gegenwärtige Situation und eine mögliche Zukunftsplanung zu gewinnen. Es wird beispielsweise nach den genauen Zahlen der Einpendler, geordnet nach Himmelsrichtungen und Verkehrsmitteln, gefragt, ebenso nach der Nutzung spezifischer Umsteigestationen und der Stundenauslastung der Frankfurter U- und S-Bahnen.

Es wird nach den Prognosen für die Zukunft gefragt, zudem, ob der Magistrat für die nächsten Jahre die Notwendigkeit erkennt, einen zweiten S-Bahn-Tunnel zu bauen. Die aus der Antwort des Magistrats gewonnenen Erkenntnisse sollen der BFF-Fraktion dabei helfen, verkehrspolitische Entscheidungen zu treffen, die einer weiteren Vermehrung von Staus oder gar einem "Verkehrsinfarkt" in Frankfurt entgegen wirken.
 

Marlis Lichtjahr

Leserkommentare (0)

Um einen Kommentar zu verfassen, loggen Sie sich bitte hier ein.
Falls Sie noch kein Benutzerkonto besitzen, können Sie sich hier registrieren.