Magistrat polemisiert, Wissenschaftler klärt auf
BFF-Frage bekommt erst auf Umweg Beantwortung

Der Fraktionsvorsitzende der Bürger Für Frankfurt BFF, Wolfgang Hübner, hat die Fragestunde der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 15. September 2016 unter anderem dazu genutzt, um die Frage eines Bürgers nach sogenannten „Chemtrails“, also auffälligen Kondensstreifen am Himmel, aufzugreifen und diesbezüglich vom Magistrat eine aufklärende Antwort zu bekommen.
Es ist bei den Stadtverordneten der Bürger Für Frankfurt BFF langjähriger Brauch, die Fragestunde ebenso wie das parlamentarische Instrument der Anfrage zu nutzen, um Bürgern, Mitgliedern oder auch Interessenvertretern Antworten des Magistrats auf deren Fragen übermitteln zu können. Dies resultiert aus dem Verständnis, Politik auch und nicht zuletzt als Dienstleistung am Bürger zu begreifen.
Dass eine ebenso künstliche wie dubiose Chaosfraktion im Römer diese Frage der BFF – ebenso wie ein Boulevardblatt mit großen Buchstaben - aufgreift, um sie zu skandalisieren ist dabei eher nebensächlich und kann amüsiert zur Kenntnis genommen werden: Wann war der „BFF-Chef“ zuletzt so prominent mit einem 22 x 22 cm großen Foto und entsprechendem Aufmacher in einer Frankfurter Zeitung präsent wie bei diesem Thema?...
Wichtiger jedoch bei diesem Vorgang ist aus Sicht der BFF-Fraktion die polemische „Nichtantwort“ des Magistrats, erteilt durch die Dezernentin Rosemarie Heilig (Grüne), welche lautet: „Der Magistrat beteiligt sich nicht an Verschwörungstheorien.“
Die BFF-Frage wollte allerdings nicht wissen, ob sich der Magistrat an irgendwelchen Verschwörungstheorien beteiligt. Vielmehr wurde danach gefragt, was der Magistrat zu dem Verdacht einiger Bürger zu sagen hat, es könnten heimlich chemische Substanzen versprüht werden, um das Wetter manipulativ zu beeinflussen. Dass der Magistrat der Stadt Frankfurt mit seiner unsachlichen Antwort die beklagten Verschwörungstheorien eher noch befeuert, ist Frau Heilig bei ihrer faktischen Verweigerung einer Auskunft offenbar nicht in den Sinn gekommen. Denn anstatt einer sachlichen Stellungnahme der Stadt Frankfurt - welche an dieser Stelle durchaus wünschenswert und angebracht gewesen wäre - liefert sie mit dem Ausbleiben einer begründeten Antwort auf die Frage den Verfechtern der „Chemtrail-Theorie“ zusätzlichen Nährboden.
Doch sind die Bürger unserer Stadt oftmals klüger wie die sie regierenden Politiker. Diese Erkenntnis ist bei den Bürgern Für Frankfurt BFF bekanntermaßen programmatisch verwurzelt und hat sich auch in diesem Fall wieder einmal bestätigt. So erreichte die BFF-Fraktion direkt am Tag nach der Stadtverordnetenversammlung die folgende aufklärende Stellungnahme eines wissenschaftlich hochqualifizierten Bürgers, welche wir hier im Wortlaut dokumentieren:
„Bei den angeblichen „Chemtrails“ handelt es sich um ganz normale Kondensationsstreifen von Flugzeugen (Contrails). Kondensationsstreifen entstehen folgendermaßen: Bei der Verbrennung von Kerosin in den Flugzeugtriebwerken entsteht Kohlendioxid und Wasserdampf. Beides ist unsichtbar. Erst einige Sekundenbruchteile später, wenn die Abgase abgekühlt sind, kondensiert der Wasserdampf und bildet kleine Tröpfchen (wie in einer Waschküche). In der üblichen Reiseflughöhe von ca. 10 km hat die Luft eine Temperatur von etwa -50°C. Dadurch kristallisieren die Tröpfchen und bilden kleine Eiskriställchen (wie sehr kleine Schneeflocken). Diese Eiskriställchen sind als Kondensationsstreifen sichtbar. Da die Eiskriställchen sehr klein sind, fallen sie nicht sofort als Schnee zu Boden, sondern bleiben schweben - wie natürliche Wolken. Chemisch und physikalisch gesehen, unterscheiden sich die Kondensationsstreifen nicht von normalen Wolken.
Wenn die Luft in der Höhe, in der das Flugzeug fliegt, relativ warm ist, und/oder relativ trocken ist, lösen sich die Kondensationsstreifen auf. Wenn die Luft relativ kalt und/oder relativ feucht ist, bleiben die Kondensationsstreifen bestehen.
Je nach Wetterlage kann es vorkommen, dass die Luft Wasserdampf-übersättigt ist, d.h. sie enthält mehr Wasserdampf, als zur Bildung von Eiskristallen erforderlich ist; aber es bilden sich keine Eiskristalle, weil die notwendigen Kondensationskeime fehlt. Wenn ein Flugzeug durch eine solche Luftschicht fliegt, dienen die Eiskriställchen aus dem Kondensationsstreifen als Kondensationskeim für den Wasserdampf in der umgebenden Luft. Dadurch kondensiert immer mehr Wasserdampf, und die Kondensationsstreifen werden immer größer und breiter. (Derselbe Effekt zeigt sich in Mineralwasser: Wenn man Zucker hineinstreut, bilden sich an diesen Keimen plötzlich sehr viele Bläschen). Die Vergrößerung der Kondensationsstreifen ist also ein ganz natürlicher Vorgang, der ebenso bei natürlicher Wolkenbildung auftritt.
In niedrigeren Höhen, in denen die Luft wärmer ist, bilden sich die Kondensationsstreifen gar nicht erst. Daher haben die Flugzeuge, die in Frankfurt starten und landen, in der Regel keinen Kondensationsstreifen. Die Kondensationsstreifen werden von denjenigen Flugzeugen verursacht, die in größeren Höhen über Frankfurt hinweg fliegen.
Die angeblichen „Chemtrails“ über Frankfurt entstammen der Verschwörungstheorie. Nach dieser Theorie werden angeblich Chemikalien in der Luft versprüht, um das Wetter im Frankfurter Raum zu verändern. Es gibt zwar tatsächlich Ansätze, durch Versprühen von Chemikalien (beispielsweise Silberiodid) Regenwolken zu erzeugen. Dies ist aber relativ teuer und macht aber nur dort Sinn, wo die Luft feucht und Wasserdampf-übersättigt ist, sich aber trotzdem keine Wolken bilden, z.B. über Wüsten in der Nähe von Meeren (z.B. in Israel). In Frankfurt macht dies absolut keinen Sinn: Es regnet genug; und Wolken gibt es auch mehr als genügend.
Fazit: Es gibt keine Chemtrails über Frankfurt. Es werden keine Substanzen versprüht. Bei den Kondensationsstreifen über Frankfurt handelt es sich um ganz normale Wolken aus Eiskriställchen.
Zu meiner Person: Ich bin Professor für anorganische und analytische Chemie an der Goethe-Universität. Wir forschen seit vielen Jahren über Luftschadstoffe im Zusammenhang mit Wolkenbildung.
Prof. Dr. Martin U. Schmidt
Institut für Anorganische und Analytische Chemie“
Eine solche Antwort hätte sich die BFF-Fraktion im Römer vom Magistrat gewünscht. Denn damit hätte er nicht nur zur Klärung des Sachverhalts beigetragen, sondern darüber hinaus auch mit einer ordentlichen Beantwortung der Frage seinen Respekt gegenüber den Stadtverordneten und den von ihnen vertretenen Bürgern zum Ausdruck gebracht. Aber das ist von einem Magistrat der „GagroKo“, der ganz großen Koalition aus CDU, SPD und Grünen, wohl doch zu viel verlangt.