Ein zauberhafter Turm

Initiative will das letzte historische Kleinod des Europaviertels beleben

Ein zauberhafter Turm
© Foto: Marlis Lichtjahr


Ein realisierter Traum an Verspieltheit und extravaganter Baukunst ist das Frankfurter Europaviertel wirklich nicht geworden. Nun versucht eine Initiative das letzte historische Relikt des Areals zu retten.

Aneinandergereiht stehen die grobschlächtigen Baublöcke entlang der Europa-Allee. Einige Gebäude wirken etwas solider und klassischer, vor allem wenn Naturstein oder Klinkerverkleidungen Verwendung fanden. Bei anderen hat die Beschreibung "schlicht" unzweifelhaft zweideutigen Charakter. Die städtebauliche Struktur erinnert etwas an die Karl-Marx-Allee, die ab 1949 als "Stalinallee" in Ost-Berlin errichtet wurde.



Doch die Berliner Straße wurde noch im Stil des "Sozialistischen Klassizismus" errichtet. Das heißt, die Architekten jener Jahre hatte noch eine Ausbildung in traditioneller Baukunst miterleben können. Gesimse, Fensterrahmen, Säulen und Ornamente wurden noch im klassischen Stil zur Strukturierung und Belebung von Fassaden eingesetzt. Davon ist im Frankfurter Europaviertel nichts mehr zu merken. Die Flachdachblöcke, in deren flache Fassaden die Fensteröffnungen nur wie hineingeschnitten wirken, verleihen dem Ort eine sterile, monotone Stimmung.

Das ab 1999 auf dem Gebiet des ehemaligen Hauptgüterbahnhofs entwickelte Europaviertel wirkt, als sei es primär für die gehobenere Angestelltenschicht der nahen Zukunft konzipiert. Das infrastrukturell weitgehend abgeriegelte Wohnareal wird täglich in Richtung der Bürotürme verlassen, man bewegt sich von Tiefgarage zu Tiefgarage. In der Freizeit wird die Grünanlage vor dem Haus zum Joggen genutzt. Und eingekauft wird im nahe gelegenen Shopping-Center. Diese Struktur der gesicherten Wege, auf denen man negative gesellschaftliche Entwicklungen weitgehend umfahren kann, wird allenfalls für Urlaubsreisen aufgegeben.


Auch die alte Idee des Wohnhochhauses wird im Europaviertel wieder aufgenommen. Mit dem 60 Meter hohen Axis und dem 66 Meter hohen Westside Tower erhält Frankfurt gleich zwei neue Wohnhochhäuser. Die sozialen Folgen wird man erst in der Zukunft sehen können. Weitere sollen folgen.

Inmitten (oder besser am Rand) dieses städtischen Neubauareals steht ein letztes Zeugnis der Geschichte. An der Emser Brücke, unmittelbar angrenzend an das nächste geplante Wohnhochhaus, den "Porsche-Design-Tower", hat der alte Wasserturm des Güterbahnhofs überlebt. Der Wasserturm wurde 1911 erbaut, diente der Versorgung des Güter- und Hauptbahnhofs mit Wasser und speiste sogar Dampflokomotiven. Seit über 15 Jahren steht er leer. Doch der Eigentümer Aurelis ist zur Erhaltung und Sanierung der Fassade nach den Auflagen des Denkmalamts verpflichtet. Seitdem kamen mehrere Vorschläge zur Nutzung des Gebäudes auf. So war schon von einer Jugendbibliothek und einer Ausstellung zur Geschichte des Areals die Rede. Aurelis hätte dies aber mit Verweis auf die Baustatik und die hohen Sicherheitsauflagen für das Industriebauwerk bislang verworfen. Probleme bereite vor allem der Stahlwasserbehälter, der die gesamte Bausubstanz des dreigeschossigen Bauwerkes trage und nur eine Restnutzfläche von 30 Quadratmetern zulasse.


Nun hat sich ein Freundeskreis aus Architekten, Denkmalpflegern und Kaufleuten gebildet, der den Turm mit einer ungewöhnlichen neuen Idee beleben möchte. In Anlehnung an den seit 1978 bestehenden Nürnberger Zauberturm sollen in dem Wasserturm regelmäßige Zaubershows stattfinden.

Neben dem Denkmalpfleger Otto Mann, Diplomkaufmann Paul Lemke und dem Marketing-Fachmann Jürgen Aha ist der Diplom-Ingenieur der Architektur und BFF-Ortsbeirat Hans-Georg Oeter in der Initiative führend engagiert. Unter Federführung des derzeit in einem Oberräder Keller sitzenden Magischen Zirkels Frankfurt soll der Turm gezielt mit gruseligen Zerrbildern und Toneffekten bereits im Treppenhaus gestaltet werden. Für Jungen und Mädchen soll eine Zauberakademie eingerichtet werden.

Die Idee klingt bezaubernd, doch leider haben sich bereits die Bedenkenträger dagegen formiert. Eva Trinatafillidou (Grüne) und Helga Roos von der "Geschichtswerkstatt Gallus" sehen die "historische und museale Bedeutung" des Gebäudes als Zeugnis der Industriekultur durch eine Verwendung für Zaubershows gefährdet. Der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt Thomas Sock gab die fehlende Barrierefreiheit für Gehbehinderte zu bedenken. Zudem werden Brandschutzbestimmungen angeführt. So müssten wohl externe Fluchttreppen angebaut werden, denen der Denkmalschutz zuzustimmen habe.

BFF-Ortsbeirat Oeter hingegen versichert, die technischen Probleme in Abstimmung mit den Experten lösen zu können. Für die Sanierung und Erschließung des Turms würden zwischen 150.000 und 200.000 Euro an Kosten anfallen. 50.000 Euro sei bereits von der Gesellschaft Planen und Bauen in Aussicht gestellt worden. Finanziell solle sich das Konzept mit den Zaubershows langfristig von selbst tragen.

 
Marlis Lichtjahr

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