Nachverdichtung mit Flachdachblocks

Neue Wohnungen in Ginnheim ohne ausreichendes Verkehrskonzept

Nachverdichtung mit Flachdachblocks
© Marlis Lichtjahr


Eine maßvolle Nachverdichtung innerhalb bestehender Straßenzüge kann positive Effekte haben. Allerdings muss sie richtig geplant sein. Bei der Platensiedlung in Frankfurt-Ginnheim aber passiert dies in der falschen Reihenfolge.

Generell ist die Nachverdichtung innerhalb eines bestehenden Siedlungsraums einer Neuplanung auf freiem Feld vorzuziehen. Natur- und Erholungsraum wird so geschont, Frischluftschneisen bleiben besser gesichert. Innerstädtische Brachflächen werden stattdessen einer sinnvollen Nutzung zugeführt. Dennoch muss bei einer Nachverdichtung genau betrachtet werden, inwieweit sie bestehende städtebauliche, architektonische und soziale Strukturen beeinträchtigt. Werden also für die Anwohner wichtige Grünflächen und Gärten überbaut? Werden architektonisch stimmige Ensemble empfindlich gestört? Verändert sich die Sozialstruktur eines Quartiers?

Bei der Platensiedlung in Ginnheim, die, wenn es nach der derzeitigen Rathaus-Koalition geht, eine Nachverdichtung erfahren soll, kommen noch weitere Probleme hinzu. Die Platensiedlung bildete einst die größte der ehemaligen Housing Areas in Frankfurt, in denen US-Soldaten in 80 bis 115 Quadratmeter großen Wohnungen lebten. Nach dem Auszug der Amerikaner 1994 kaufte die Stadt Frankfurt das Areal vom Bund auf. Architektonisch ist die Siedlung mit relativ niedrigen schlichten Satteldachblocks in lockerer Zeilenbauweise zwischen ausgedehnten, wenig genutzten Grünflächen ein typisches Kind der 1950er Jahre.

Bereits seit Jahren gibt es Pläne zu einer Neustrukturierung des Gebiets. Der ehemalige Planungsdezernent Edwin Schwarz (CDU) wollte die Siedlung abreißen, was zu Protesten führte. Davon ist heute keine Rede mehr. Stattdessen will die städtische ABG-Holding dort nun via Nachverdichtung dreimal so viele Menschen ansiedeln wie bislang. 95 Millionen Euro sind dafür eingeplant. Es gäbe somit keine Abrisse, keine Modernisierungen und keine Mieterhöhungen für die Bestandsmieter, wird verlautbart. So hofft man den Widerstand in der Bevölkerung geringer zu halten.

Rund 500 Wohneinheiten sollen bis 2022 neu entstehen. Durch Holzmodule sollen die bislang dreigeschossigen Häuser aufgestockt werden und zwei weitere Etagen erhalten. Diese gestalterischen Pläne des Architekten Stefan Forster verwandeln die Satteldachhäuser zu Flachdachkisten derzeit üblichen Stils. Die bislang offenen Zeilen sollen durch sechsgeschossige Kopfbauten am Blockrand geschlossen werden. Die Grünflächen wandeln sich dadurch zu Höfen, die nicht mehr so leicht von der Straße einsehbar sein werden.

ABG-Chef Junker äußerte sich zur Notwendigkeit der Vorgehensweise, indem er die städtische Wachstumslogik bestätigte. "Bis 2020 werden in Frankfurt 34 000 neue Wohnungen benötigt. Das bedeutet 8000 Wohnungen pro Jahr. Dafür muss das große Potenzial an Flächen, auf denen günstiger Wohnungsbau möglich ist, genutzt werden", zitierte ihn die "Frankfurter Neue Presse".

Viele Mieter sind mit den städtischen Plänen nicht einverstanden. Befürchtungen, dass sich das Areal optisch in ein Gefängnis verwandelt, gehen einher mit Sorgen vor zu viel sozialer Enge, also mehr Lärm, mehr Stress, mehr Problemen mit anderen Mietern.

Die "Linke" stellt derweil illusorische Forderungen nach einem 100%-igen Sozialwohnungs-Anteil auf, obwohl sie weiß, dass sogar die Sozialbindungen der Bestandsbauten in diesem Jahr auslaufen. Derzeit werden noch 4,40 Euro pro Quadratmeter bezahlt. Ein Preis, der gerade für die Neubauten in Zukunft nicht mehr zu halten sein wird.

BFF-Ortsbeirat Thomas Budenz sieht das Pferd falsch herum aufgezäumt. Wieder einmal zeige sich, dass die Stadt zu wenig für den Stadtteil Ginnheim tue: "Eine behutsame Verdichtung müssen wir wohl hinnehmen, aber die dafür nötige Infrastruktur muss vorher bereitgestellt werden." Derzeit laufe alles darauf heraus, dass die Stadt einfach Wohnungen baue, aber sich weder um den damit verbundenen Verkehr, um Schulen, Kindergärten oder Einkaufsmöglichkeiten für die Bürger ausreichend kümmere.

Wahrscheinlich 2000 neue Mieter brächten zumindest rund 1000 Kraftfahrzeuge mit. Zwar geben sich die "Grünen" der Illusion hin, es würden weitgehend nur Fahrradfahrer in die nachverdichtete Platensiedlung ziehen, die Realität werden aber bald verstopfte Straßen sein. Weder ist die Zuwegung in das Siedlungsgebiet ausreichend für den zunehmenden Verkehr, noch ist der öffentliche Nahverkehr ausreichend ausgebaut. Vorrangiges Ziel vor einer Bebauung sollte, so Budenz, die Planung einer staufreien Zuwegung, die Schaffung von ausreichenden PKW-Parkplätzen und von Einkaufs- sowie Gastronomie-Angeboten in dem Areal sein. Zudem müsse die Platensiedlung an das U-Bahn-Netz angeschlossen werden. Erst nach der Lösung dieser Probleme könne man daran gehen, so viele neue Menschen in Ginnheim anzusiedeln.

Auch weitere Nachverdichtungen brachte ABG-Chef Frank Junker bereits ins Spiel. Er erwähnte diese Möglichkeit für die Steuben-Siedlung und die Hügel-Siedlung in Ginnheim, die Edwards-Siedlung in Berkersheim, die Fischstein-Siedlung in Hausen und die früheren Bundesbank-Wohnungen an der Miquelallee. Das Thema bleibt also akut.

Die Ginnheimer Bürger haben zuvor die Möglichkeit, ihre Meinung zur geplanten Verdichtung der Platensiedlung während der nächsten Sitzung des Ortsbeirates 9 am Donnerstag, 16. Februar, ab 19.30 Uhr, in der Astrid Lindgren-Schule, Platenstraße 75, kund zu tun.


Marlis Lichtjahr

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Die Parkplatzproblematik auch angesichts von Nachverdichtungen im Wohnbereich erläutert dieser Artikel:
https://www.op-online.de/hessen/problem-parkplatzsuche-10262201.html