Gewaltenteilung ist ein hohes Gut
Fragwürdiges Justizverständnis des SPD-Planungsdezernenten

Gewaltenteilung ist im offiziellen Selbstverständnis der Bundesrepublik ein hohes Gut. In der Praxis ist sie bisweilen beargwöhnt. So nun auch beim Streit um das Rennbahn-Areal und die dort geplante DFB-Akademie.
In der 14. Sitzung der Stadtverordneten-Versammlung am 1. Juni 2017 richtete der AfD-Stadtverordnete Dr. Dr. Rahn eine Frage an den Planungsdezernent Mike Josef (SPD). Die Frage lautete, ob Josef es für klug halte, dem Oberlandesgericht vor einer Urteilsverkündung im die Rennbahn betreffenden Gerichtsverfahren Ratschläge zu erteilen. Josef antwortete mit einem knappen "Ja". Und Josef legte noch einen drauf. Er nahm das Urteil vorweg, indem er erklärte, dass auf dem Gelände "kein einziges Pferderennen mehr stattfinden wird". Das Gericht sei sich seiner Meinung nach offenbar der Tragweite seiner Terminverschiebungen nicht bewusst. Das Gerichtsverfahren sei eine "Soap Opera", die ihn und seine Mitstreiter davon abhalte, nun "Politik" ohne weitere Rücksichtnahmen zu treiben.
Wir dokumentieren Josefs Äußerungen an dieser Stelle und ergänzen sie darunter durch den Redebeitrag des BFF-Fraktionsvorsitzenden Patrick Schenk.
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Stadtverordneter Dr. Dr. Rainer Rahn, AfD:
Im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau sagte der Planungsdezernent kürzlich im Hinblick auf das die Rennbahn betreffende Gerichtsverfahren, es sei .klug, jetzt endlich eine Entscheidung zu fällen.. Offensichtlich ist dem Planungsdezernenten das Prinzip des Rechtsstaats und der Gewaltenteilung nicht bekannt, da er glaubt, dem Gericht erläutern zu müssen, was klug ist und was nicht. Der Präsident des OLG Frankfurt hat die unsachliche Kritik des Dezernenten auch sofort zurückgewiesen.
Ich frage den Magistrat: Hält der Magistrat die Äußerung des Planungsdezernenten für klug?
Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:
Es antwortet Herr Stadtrat Josef. Bitteschön!
Stadtrat Mike Josef, SPD:
Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrter Herr Stadtverordneter Dr. Rahn!
Ich beantworte die Frage wie folgt: Ja.
(Beifall, Heiterkeit)
Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler:
Die erste Zusatzfrage kommt von Herrn Stadtverordneten Dr. Rahn. Bitteschön!
Stadtverordneter Dr. Dr. Rainer Rahn, AfD:
(Zusatzfrage)
Nur zum Verständnis: Ist das Ihr Ernst, dass Sie es in Ihrer Funktion als Parteivorsitzender für sinnvoll oder klug halten, einem unabhängigen Gericht einen Ratschlag zu erteilen, wie es entscheiden soll?
Stadtrat Mike Josef, SPD:
(fortfahrend)
Herr Dr. Rahn, wissen Sie, ich habe lange überlegt, wie ich Ihre Frage beantworte. Sie müssten aus Ihrem eigenen politischen Werdegang wissen, dass man immer erst im Nachhinein weiß, ob Entscheidungen klug waren oder nicht. Ich habe mir einmal im Vorfeld angeschaut, wie sich Ihre Partei bei der Frage der Bewertung der Justiz verhalten hat. Beispiel: Landesverband Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Die AfD ist dort die Partei, die am stärksten mittelbar mit der Justiz zu tun hat oder diese kritisiert - von linksorientierter Justiz war da die Rede, die Justiz war wegen des schwachen Vorgehens gegen die Migrationsflut im Gespräch. Dass gerade von so einer Partei, von einem Vertreter einer solchen Partei, in der Sie jetzt sind, solch eine Frage gestellt wird, ist völlig unglaubwürdig. Es geht Ihnen gar nicht darum.
(Beifall)
Wenn es Ihnen nämlich darum gehen würde, hätten Sie schon eigene Konsequenzen daraus ziehen müssen, was Sie nicht gemacht haben. Ich will es schon einmal an der Stelle benennen: Für mich verstärkt sich schon der Eindruck, dass sich das Gericht über die Tragweite der Verschiebungen offensichtlich nicht ganz im Klaren ist. Man kann politisch über den DFB und die Entscheidung zur Rennbahn, auf der kein einziges Pferderennen mehr stattfinden wird, egal wie die Entscheidung ausgeht - das muss man auch in aller Deutlichkeit sagen -, diskutieren. Aber es muss doch im eigenen Interessen der Justiz liegen, eine zeitnahe Entscheidung zu fällen, um Klarheit zu schaffen. Darum geht es doch. Man kann politisch zu verschiedenen Bewertungen kommen und darüber diskutieren. Aber wir sind doch hier nicht bei einer Telenovela. Ich möchte Ihnen vortragen, was in der FAZ vor einigen Tagen von Herrn Schwan stand, das ich zu hundert Prozent teile: .Fast ist man inzwischen eher gespannt darauf, was als Nächstes passiert, um ein Urteil zu verhindern, als darauf, wie dieses ausfällt.. Das kann es einfach nicht sein. Wir sind hier nicht bei einer Soap‑Opera. Wir betreiben Politik. Es geht um eine wichtige Entscheidung mit einer entscheidenden Bedeutung für die weitere Planungssicherheit, sowohl für die des DFB als auch für die der Stadt Frankfurt. Von daher wäre es im Interesse der Justiz, eine Entscheidung zu fällen, um Klarheit zu schaffen.
(Beifall)
Jetzt stellen Sie sich einmal umgekehrt vor, der Amtsleiter des Liegenschaftsamtes, der durchaus Vertreterinnen und Vertreter hat, würde zwei, drei Monate lang ausfallen. Vor diesem Hintergrund würde dann das Gericht oder die Justiz entscheiden, dass aufgrund dieses Ausfalls die Gerichtsverhandlungen jedes Mal verschoben werden. Das ist für mich - jetzt einmal nur vom logischen Menschenverstand her, ich will das gar nicht juristisch bewerten - nicht mehr nachvollziehbar. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen.
(Beifall)
Stadtverordneter Patrick Schenk, BFF:
Herr Stadtverordnetenvorsteher,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wenn mich das schlichte Ja des Dezernenten Josef auf die Frage des Kollegen Dr. Rahn schon befremdet hat, fand ich den strömenden Applaus in diesem Hause noch viel bedenklicher.
(Zurufe)
Ich will Ihnen ganz kurz begründen warum. Wir haben hier einen komplexen Fall, sonst wäre er nicht in der zweiten Instanz vor dem OLG in einer so langen Beratung mit einer so schwierigen Beweisaufnahme, sonst wäre früher entschieden worden. Offensichtlich haben sich die Richter in der ersten Instanz und jetzt auch in der zweiten Instanz ausgiebig Gedanken über diesen schwierigen Fall gemacht. Wir haben es mit Parteien und mit unterschiedlichen, sehr komplexen Verträgen und Unterverträgen zu tun, die durchaus auslegungsfähig sind. Es ist schwierig, zu einer Entscheidung zu kommen.
Wenn jetzt die öffentliche Hand, vertreten durch diesen Magistrat, mit der Behauptung, endlich eine Entscheidung zu fällen - denn das hat Herr Josef gesagt -, Druck auf die Justiz ausübt...
(Beifall, Zurufe)
...dann erinnert mich das an die dunkelsten Kapitel der Demokratie in diesem Staat.
(Beifall, Zurufe)
Nein, ich sage Ihnen das hier ganz deutlich. Es geht eben nicht um Kritik an der Justiz. Die lesen wir in der Presse allemal. Der Kollege Dr. Schulz wird mir das bestätigen. Die haben wir in der NJW und in der Presse, das wissen wir. Man kann sich über Gerichtsurteile streiten und darf auch durchaus sehr kritisch über sie sprechen, aber als Partei in einem Verfahren Druck auf die Justiz auszuüben, das gleicht einem Skandal. Das wird in diesem Hause nicht unvergessen bleiben.
Vielen Dank!
(Beifall, Zurufe)