Kampf den fruchtbaren Äckern - 1

Geplanter neuer Stadtteil: Ein Umweltmassaker droht

Kampf den fruchtbaren Äckern - 1
© Claus Folger


In folgendem Text setzt sich der unabhängige Frankfurter Journalist Claus Folger mit dem geplanten neuen Stadtteil im Nordwesten Frankfurts auseinander. Er hat vor Ort recherchiert und sich auch mit grundsätzlichen Fragen dieser Planung beschäftigt. Das Ergebnis seiner hier in zwei Teilen dokumentierten Reportage (den zweiten Teil veröffentlichen wir am 03.08.2017) legt eine Ablehnung der Pläne des Magistrats aus mehrerlei Gründen nahe. Die BFF-Fraktion wird zu diesem Thema nach der Sommerpause weitere Stellungnahmen, Informationen für die Öffentlichkeit und parlamentarische Initiativen folgen lassen.
  
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Es geht voran! Der Fortschritt ist unaufhaltsam. Die Flughafenstadt Frankfurt will ihren neuen Stadtteil vor der Hochtaunuskreisgemeinde Steinbach links und rechts an die Autobahn A 5 klatschen. Frankfurt hat aus dem Desaster am Riedberg, einer gruseligen Mischung aus Betonwüste und Eigenheimidylle im Handtuchformat, keine Konsequenz gezogen: Das Städtebauniveau sinkt weiter. Dass der Bundesverkehrswegeplan 2030 den Ausbau der A5 auf acht Spuren zwischen der Anschlussstelle Friedberg und dem Nordwestkreuz Frankfurt fest einplant, ist für Frankfurts Politiker von CDU, SPD und Grünen  auch kein Kriterium, von ihren Absichten zu lassen.

Nur afrikanische Potentaten, die Autobahnschneisen gerne direkt durch ihre Hauptstädte schlagen, sind noch rückschrittlicher. So geschehen in Dodama, Tansania, wo vier Autobahnspuren mitten durch die staubige Stadt gebaut wurden und in Yamoussoukro, Elfenbeinküste, wo eine zehnspurige Autobahn durch das Herz der Stadt führt. Aber sind afrikanische Fürsten wirklich rückständiger bzw. fortschrittsgläubiger als Frankfurter Stadtväter, die schließlich den Bau der Nordwest-Landebahn forcierten mit dem Ergebnis, dass viele potentielle Wohnbaugebiete jetzt im Siedlungsbeschränkungsgebiet liegen und wegen Fluglärms nicht mehr ausgewiesen werden dürfen?

Der bis in die Details sehr gelungene Wiederaufbau der Frankfurter Altstadt erscheint angesichts der herrschenden Geistlosigkeit in der Stadt wie ein Wunder. Doch wir bleiben beim Thema: Die bebaute Fläche Steinbachs beträgt also ca. 200 Hektar. Dort leben derzeit etwa 10.000 Menschen. Frankfurt plant auf einer Bruttofläche von 190 Hektar – die eigentliche Wohnbebauung soll auf etwa 90 Hektar stattfinden – eine Trabantenstadt für 20.000 bis 30.000 Menschen mit einer achtspurigen Autobahn mittendurch. Dabei wird auf dem entsprechenden Entwicklungsgebiet von ca. 550 Hektar das sehr fruchtbare Ackerland zum größten Teil verlorengehen. Nachhaltig ist das Bauen auf der grünen Wiese also nicht. Und eine Umgehungsstraße zieht in aller Regel die nächste Umgehungsstraße nach sich.

Steinbachs Bürgermeister Stefan Naas hält Frankfurts Expansionspläne für völlig überzogen. Er sagt: „Frankfurt soll wachsen, aber die A5 ist die natürliche Grenze.“ Doch der Frankfurter Stadtplanungsdezernent Mike Josef (SPD) bleibt ungerührt. Er bewertet den amorphen weder-Stadt-noch-Land-Siedlungsbrei auf dem Stadtbezirk Riedberg als ein Erfolgsmodell und kündigt für den geplanten Stadtteil die gleiche Rezeptur an: „Ein neuer Stadtteil ist immer eine Investition in die Zukunft. Wir haben uns für eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme wie auf dem Riedberg entschieden, weil wir mit der Differenz des Preises für Ackerland und Wohnbauflächen in die Infrastruktur investieren können.“

Völlig unbeleckt von der Tatsache, dass eine Zersiedelung  aus ökonomischer und sozialer Sicht nutzlos ist, da mit einer sinkenden Siedlungsdichte der Aufwand pro Einwohner zum Erhalt der technischen Infrastruktur wie Versorgungsleitungen, Kanalisation, Verkehrswege usw. steigt, führt der blasierte SPD-Stadtrat weiter aus: „Wir bauen die Stadt klassisch weiter und schaffen eine Brücke in die Region.“

Deutlich mehr ökologische Kompetenz als der Frankfurter Planungsdezernent besitzt das Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz. Es empfiehlt unter anderem folgende Maßnahme gegen Flächenverbrauch: „Eine nachhaltige Siedlungsentwicklung, die dem Prinzip Innen vor Außen folgt. Statt des Neubaus auf der grünen Wiese suchen Kommunen ihren Außenbereich zu schonen, indem sie auf verträgliche Art und Weise ihre Möglichkeiten zur Innenentwicklung (Brachflächen, Baulücken, Leerstände) ausschöpfen. Möglichst gleichzeitig kann dabei für ein verbessertes Stadtklima gesorgt werden.“

Es ist zweifellos einfacher und sinnvoller, leerstehende Büros in Wohnungen umzubauen – das Volumen an leerstehender Bürofläche bewegt sich in der Bankenstadt Frankfurt grundsätzlich im gigantischen Bereich –, als auf der grünen Wiese neue Wohngebiete auszuweisen. Immobilienberater Lorenz meint, dass eine Umgestaltung nicht zwingend billiger sei als ein Neubau. Allerdings könnten die neuen Bewohner in den gewachsenen Vierteln wie Westend und Nordend auf die Infrastruktur zurückgreifen, die andernorts erst geschaffen werden müsse. Im Magistrat der Stadt Frankfurt scheint aber Einigkeit darüber zu bestehen, dass durch die Umwandlung von Büroflächen in Wohnraum kein quantitativer Beitrag zum Abbau des Büroleerstandes und zur Schaffung von neuem Wohnraum erreicht werden kann, da sich die Umwandlungsquote auf ein paar hundert Einheiten pro Jahr beschränkt, ohne jede steigende Tendenz.

Erstickt Frankfurt am neuen Stadtteil im Nordwesten? Vielleicht nicht, aber es wird wärmer, da die Felder und Wiesen bei Praunheim und Niederursel ein Frisch- und Kaltluftentstehungsgebiet sind und die Funktion kaltluftproduzierender Flächen durch Bebauung minimiert wird. „Um zu simulieren, wie klimaverträglich Bebauungspläne sind", hatte die grüne Umweltdezernentin Rosemarie Heilig erst Ende des vergangenen Jahres den Klimaplanatlas der Stadt Frankfurt vorgestellt. Aber wie politisch bestellt, ist ein neues Gutachten bei der Stadt Frankfurt aufgetaucht, das die Frischluftschneise aus der Wetterau, die über Bad Vilbel in die Stadt weht, jetzt für wichtiger hält als die Frischluftschneise aus dem Taunus, die über den Nordwesten kühle Luft in die Stadt bläst.

Ein Anruf bei Diplom-Meteorologe Gerhard Lux vom Deutschen Wetterdienst rückt die Verhältnisse zurecht: „Ich kenne das neue Gutachten nicht, aber heutzutage bekommen Sie für alles ein Gutachten. Ich bin überrascht, dass es jetzt eine andere Bewertung geben soll, da die Klimafaktoren (Höhenlage, Bodenbedeckung usw., Anm. d. A.) doch gleichgeblieben sind und sich weder das Gefälle des Feldbergs noch das Gefälle der Wetterau geändert haben.“

Der politische Wind im Magistrat der Stadt Frankfurt hat sich gedreht. Was sich garantiert nicht gedreht hat, sind Luftleitbahnen und Hangwinde. Ein kurzer Blick zurück: Zwischen 1972 und 1977 wurde in Hessen eine Gebietsreform durchgeführt. Die Stadt Oberursel wuchs um die Gemeinden Oberstedten, Stierstadt und Weißkirchen. In diesem Zusammenhang konnte die Stadt Frankfurt die Demarkationslinie ihres Stadtteils Niederursel verschieben, wodurch die Gemarkung Niederursel um 170 Hektar auf 840 Hektar wuchs. Aus Oberurseler Land wurde Niederurseler Land. Landwirt Richard Bickert weiß, warum: „Man wollte die Felder damit vor Bebauung schützen und ihren kühlenden Effekt für die Metropole bewahren.“


Gerade noch haben die grüne Umweltdezernentin Rosemarie Heilig und der SPD-Planungsdezernent Mike Josef die Frankfurter zur dreizehnten Frankfurt Green City-Veranstaltung eingeladen: „Diskutieren Sie mit und erfahren Sie mehr darüber, wie der Klimawandel in Städten wie Frankfurt das Leben und den Alltag beeinflussen kann. Da künftig mit mindestens zwei Grad höherer Durchschnittstemperatur gerechnet werden muss, werden sich die Hitzetage häufen und die wachsende Stadt vor neue Herausforderungen stellen. Wichtig sind Maßnahmen wie Begrünung auf Plätzen, an Gebäuden und an Straßen, freie Flächen für die Kaltluftentstehung (...)“

Ich rufe also bei Hans-Georg Danner im Umweltamt der Stadt Frankfurt an. Er ist der ausgewiesene Ansprechpartner für den aktuellen Klimaplanatlas. Ich möchte von ihm wissen, was es mit dem neuen Gutachten auf sich hat und was der Klimaplanatlas über die Frischluftschneisen aus dem Taunus und der Wetterau sagt. Wie aus der Pistole geschossen, verweist er mich auf den Pressereferenten Martin Müller. Pressereferent Müller empfiehlt mir, wieder bei Herrn Danner anzurufen. Er sei genau der Richtige und könne meine Fragen aus dem Effeff beantworten. Er entschuldigt sich auch für das „Ping-Pong-Spiel“.

Tags darauf rufe ich wieder bei Experte Danner an. Er ist konsterniert, da er von Pressereferent Müller nicht vorab darüber informiert wurde, dass ich wieder bei ihm anrufen würde. Er entschuldigt sich bei mir, „leider ist bei uns alles streng formal“. Bevor er mir Auskunft erteilen könne, müsse er vorher noch mit Pressereferent Müller sprechen. Er notiert sich meine E-Mail Adresse und meine Telefonnummer und verspricht, sich bei mir zu melden. Zwei Tage später ruft mich Pressereferent Müller an. Er bittet mich, meine Frage doch schriftlich per Mail an ihn zu formulieren, was ich prompt mache.

Schließlich die delikate Antwort aus dem Umweltamt: „Der zwischen Niederursel und Steinbach geplante Stadtteil ist im aktuellen Klimaplanatlas als Frisch- Kaltluftentstehungsgebiet dargestellt. Eine Versiegelung würde diese Klimafunktion deutlich reduzieren, wobei dies besonders für den Bereich östlich der BAB 5 gilt. Zu erwarten wäre demzufolge ein spürbarer Eingriff ins Stadtklima, beschränkt auf den Nordwesten Frankfurts. Von einem Gutachten, dass dieser Einschätzung widerspricht, ist uns nichts bekannt.“

Was in der Konsequenz bedeutet, dass die grüne Umweltdezernentin einer Großstadt – gegen die Expertise ihrer eigenen Behörde – ein Projekt vorantreibt, das das Stadtklima im gesamten Nordwesten dieser Großstadt spürbar zum Negativen verändern wird.


(Kampf den fruchtbaren Äckern - Teil 2)

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