Schulpolitik als politisches Experimentierfeld
Erbärmlich, einfach erbärmlich.

FREIE WÄHLER - Fraktion im Römer
Kommentare/Meinungen 7/2011
Die CDU bereitet sich im Bund auf eine künftige Koalition mit den Grünen oder auf eine Neuauflage der nicht mehr allzu „Großen Koalition“ mit der SPD vor. Teil dieser Vorbereitungen ist der geplante Verzicht auf die Hauptschulen zugunsten eines zweigliedrigen Schulsystems aus Gymnasien und den sogenannten Oberschulen, die Haupt- und Realschulen vereinen sollen. Damit knickt auch die CDU vor jenen Bildungsideologen ein, deren Idealziel ein einziger Schultyp „für alle“ ist. Es versteht sich, dass die Linkspartei bereits jetzt dieses Ziel schon propagiert, die anderen Parteien werden da sicher - wenngleich mit gewissem Zeitabstand - folgen.
Denn nichts ist leichter für Politiker, als im Bildungsbereich an lebenden Objekten munter all die Experimente durchzuführen, die sie sich gesellschafts- und erst recht wirtschafts-politisch versagen wollen oder müssen. Natürlich ist es Augenwischerei, wenn Hauptschulen oder Sonderschulen einfach durch Umbenennung zum Verschwinden gebracht werden. Denn keineswegs verschwunden sind damit diejenigen Kinder und Jugendlichen, die genau dort am besten aufgehoben und am besten gefördert werden könnten. Statt aber die Haupt- und Sonderschulen zu unterstützen, wurden und werden sie gnadenlos als „Restschulen“ in menschenverachtender Manier schlecht geredet.
Im Ergebnis, das ist auch in Frankfurt so, wollen insbesondere Eltern ohne Einwanderungsherkunft ihre Kinder kaum noch auf die vorhandenen Hauptschulen schicken. Die Eingangsstufen der Gymnasien, das ist gerade in Frankfurt so, platzen folglich aus allen Nähten. Etliche Schülerkarrieren enden allerdings nicht mit dem Abitur, sondern schlussendlich doch auf der Hauptschule oder im Hauptschulzweig der Gesamtschulen.
Denn es ist ja so, wie es die Journalistin Regina Mönch in einem FAZ-Artikel schildert: „Mit der Hauptschule werden keinesfalls die Defizite abgeschafft, die das eigentliche Dilemma für eine große Gruppe von Schülern sind: Sprachschwierigkeiten, Analphabetismus, Schulverweigerung, ungenügende Kenntnisse und Fähigkeiten, um eine Schulausbildung zu beginnen.“ Statt sich diesen schwierigen Problemen zu stellen, die nicht zuletzt durch eine verantwortungslose Einwanderungspolitik entstanden sind, flüchten sich Parteien und Politiker in Umbenennungskosmetik: Oberschule statt Hauptschule – das klingt doch schon gleich viel schöner. Und wer will schon unten bleiben, wenn er nach oben gelockt wird?
Aber die da locken, spielen ein falsches und zynisches Spiel: Sie wissen erstens, dass sie die menschliche Substanz der Hauptschulen, nämlich deren Schüler, nur verlagern, damit aber ebenso nur die Probleme dieser Schüler verlagern, keinesfalls aber lösen oder auch nur lindern. Und zweitens wissen solche Bildungspolitiker inzwischen sehr genau: Ein besseres Förderprogramm für Privatschulen kann es überhaupt nicht geben als die Schleifung des mehrgliedrigen Schulsystems mitsamt der faktischen Verwandlung der Gymnasien bzw. der gymnasialen Zweige zur Regelschule sowie die damit einhergehende völlige Entwertung der früher so bewährten Realschulen.
Zynisch ist all das, weil die meisten derer, die das politisch bertreiben und zu verantworten haben, ihre Kinder entweder auf Elitegymnasien unterbringen oder, besonders wenn es mit den Leistungen des eigenen Nachwuchses etwas hapert, diese auf Privatschulen lotsen. Das ist in Frankfurt selbstredend auch nicht anders. Und hier wie auch andernorts werden von diesen politischen Bildungsexperimentatoren die unverschämtesten bis schamlosesten Erklärungen für die private Doppelmoral geliefert, wenn sie auf letztere angesprochen werden.
Es gibt aber auch ein weitgehend verborgen gehaltenes ökonomisches Motiv für die Schleifung des Schulsystems, das gerade bei der Bundes-CDU eine größere Rolle spielen dürfte als bei den Bildungsideologen von Grünen und SPD: Die Umbenennung der Hauptschule in Oberschule und die Reduzierung vom dreigliedrigen zum zweigliedrigen Schulsystem ist wesentlich billiger als die notwendige massive Förderung gerade der Hauptschulen bzw. deren Schüler.
Einmal mehr wollen sich Parteien vor den Konsequenzen ihrer verfehlten Politik, nämlich die Zerrüttung des Bildungssystems durch demographische und gesellschaftliche Fehlentwicklungen, drücken. Die Korrektur dieser Fehlentwicklungen, soweit überhaupt möglich, wird ordnungs- und finanzpolitische Entscheidungen in einem Ausmaß erfordern, zu denen die derzeit verantwortlichen Parteien nicht willens, auch wohl nicht mehr fähig sind.
Da ist es schon viel einfacher und billiger, den Kurs auf die Einheitsschule für das gemeine Volk und die Privatschulen für die selbsternannte Elite zu halten. Die Verlierer dieses Kurses stehen schon fest: Es werden viele Kinder und Jugendliche sein, denen mit einer Umbenennung überhaupt nicht geholfen ist. Aber wo aus politischem Kalkül gehobelt wird, da fallen halt menschliche Späne. Und das alles lässt sich auch noch höchst „fortschrittlich“ begründen. Erbärmlich, einfach erbärmlich.
Wolfgang Hübner, 29. Juni 2011