Böses Kraftwerk, gutes Kraftwerk
Ein grünes Märchen, verbreitet von Frau Dr. Rottmann

FREIE WÄHLER - Fraktion im Römer
Kommentare/Meinungen 14/2011
Daran gibt es keinen Zweifel: Die Grünen sind die großen politischen Gewinner der letzten Monate, auch in Frankfurt. Die Zugewinne der Partei bei der Kommunalwahl Ende März waren beträchtlich, der Zuwachs an Macht und Einfluss in Politik und Gesellschaft noch beträchtlicher. Wie alles im Leben hat das seinen Preis. Und wir alle sind dabei, diesen zu zahlen. In den nächsten Wochen, Monaten und Jahren werden viele derjenigen, die grün gewählt haben, aber auch diejenigen, die nicht an der Wahl teilgenommen haben, sich noch oft fragen, ob sie diesen Preis eigentlich bezahlen wollten.
Es mag sein, dass bei diesen Zeitgenossen dann Enttäuschung, Ärger oder gar Wut aufkommt. Aber helfen wird das wenig, denn bis zu den nächsten Wahlen ist es noch weit, besonders weit in Frankfurt. Das weiß natürlich auch die grüne Umweltdezernentin Manuela Rottmann allzu gut. Im Vollgefühl des Erfolgs hat die Politikerin, die als aussichtsreiche grüne Kandidatin für die 2013 anstehende Neubesetzung des Oberbürgermeister-Amtes gilt, nur drei Tage nach der Wahl eine scharfe öffentliche Attacke gegen das geplante Braunkohlestaub-Kraftwerk bei der Firma Allessa Chemie in Fechenheim gestartet.
Sofort danach bildete sich vor Ort eine starke Bürgerinitiative, die eine gesundheitliche Gefährdung der umliegend wohnenden Bevölkerung befürchtet. Zwar stellen sich auch etliche Mitglieder dieser Bürgerinitiative die Frage, warum Frau Rottmann die Öffentlichkeit erst kurz nach der Wahl mobilisierte, wo sie doch nachweislich schon lange davor bestens über die Pläne des für Fechenheim und Frankfurt mit seinen 800 Arbeitsplätzen und vielen Handwerkeraufträgen so wichtigen Werks informiert war. Eine richtig überzeugende Antwort konnte die ansonsten nicht um Formulierungen verlegene Doktorin bislang nicht erteilen.
Doch Frau Rottmanns Ziel, das Kraftwerk-Projekt in Misskredit und Verruf zu bringen, ist längst erreicht. Daran wird auch die mit großer Wahrscheinlichkeit bald erfolgende gerichtliche Bestätigung der Rechtmäßigkeit des Kraftwerk-Projekts nichts ändern. Selbst das spektakuläre Urteil des Frankfurter Verwaltungsgerichts, das der Politikerin rechtswidriges Vorgehen und die Verbreitung von nicht weniger als fünf Falschbehauptungen bescheinigt, veranlasst Frau Rottmann nur zur trotzigen Ankündigung, sie werde dagegen Berufung einlegen.
Diese Haltung ist völlig konsequent, da sich die grüne Umweltdezernentin schon bislang weder von sachlichen Argumenten pro Braunkohlestaubkraftwerk von Seiten des Unternehmens in Fechenheim, noch von Seiten des Betriebsrats und der zuständigen Gewerkschaft beeindruckt gezeigt hat. Frau Rottmann kann sich gleichwohl ihrer Sache umso sicherer sein, da weder von der Oberbürgermeisterin noch vom Koalitionspartner CDU bislang Gegenwind kam und auch nicht erwartet werden kann. Von einer Partei, die sich in der Diskussion um den Flughafenausbau immer so besorgt um Arbeitsplätze gab und die gerne verkündet: „Sozial ist, was Arbeit schafft“, muss das mehr als verwundern.
Doch nicht um die CDU geht es hier, sondern um die Grünen, denen Frau Rottmann ebenso angehört wie ihr in Berlin für diese Partei aktiver Ehemann. Es ist nicht so, dass den Grünen der Erhalt oder die Schaffung von Arbeitsplätzen egal wäre: Wenn es darum geht, für sich und die eigene Klientel solche zu sichern, sind die Grünen sogar ausgesprochen einfallsreich. Wie am Beispiel des Chemiewerks in Fechenheim hingegen zu erkennen ist, kümmert es die Grünen wenig bis überhaupt nicht, ob Arbeitsplätze und damit materielle Existenzen gefährdet werden, wenn politischer Profit bei denjenigen Bevölkerungsgruppen winkt, denen ein Chemiewerk in der Nachbarschaft einfach nur lästig ist, weil es ihre Lebensqualität zu beeinträchtigen droht.
Die Frage, ob dem wirklich so ist, kann auf geltender Rechtsbasis leicht beantwortet werden: Das Braunkohlestaubkraftwerk erfüllt alle geltenden gesetzlichen Bedingungen. Weil das so ist, wird Frau Rottmann vor Gericht Schiffbruch erleiden – und sie weiß das. Aber erstens haben gerade die Grünen ihren Aufstieg nicht zuletzt der Tatsache von kalkulierten Rechtsverletzungen und Rechtsprovokationen zu verdanken.
Und zweitens wollen die Grünen das unter globalen Konkurrenzdruck produzierende Chemiewerk, das vor einigen Jahren beinahe völlig geschlossen worden wäre, dazu nötigen, ein anderes, „sauberes“ Kraftwerk bauen und betreiben zu lassen. Das ist nicht von vornherein ein schlechtes Motiv. Denn wenn das möglich wäre, müsste diese Möglichkeit zumindest erwogen und geprüft werden.
Beim kürzlichen Besuch der Fraktion der FREIEN WÄHLER im Werk der Allessa Chemie in Fechenheim wurde seitens der Gesprächspartner aus der Geschäftsleitung bestätigt, dass im Vorfeld der Entscheidung andere Formen der Energiegewinnung geprüft wurden, auch die von den Grünen bevorzugte „saubere“ Erdgas-Variante. Nicht zuletzt aus betriebswirtschaftlichen Gründen habe man sich aber für das jetzt so umstrittene Braunkohlestaub-Kraftwerk entschieden. Das wäre zu kritisieren und sogar abzulehnen, wenn damit Umwelt- und Verkehrsbeeinträchtigungen verbunden wären, die Schaden für die umliegenden Anwohner zu verursachen drohten.
Es kann trotz aller gesetzlichen Bestimmungen und Umweltauflagen, die das neue Kraftwerk einhalten muss und auch überprüfbar einhalten wird, nicht ausgeschlossen werden, dass austretende Feinstäube negative gesundheitliche Folgen bei manchen Menschen haben könnten. Offenbar ist das weder zweifelsfrei beweisbar noch zweifelsfrei widerlegbar. Frau Rottmann kann dieses Problem jedoch nicht zur Begründung ihrer Haltung anführen. Denn dann müsste sie sich viel vehementer gegen den Flughafenausbau gewandt haben, was bekanntlich weder sie noch die Frankfurter Grünen allen verbalen Pflichtübungen zum Trotz gemacht haben.
Im konkreten Fall noch weit schwerer wiegt das Schweigen der Dezernentin über ein Kraftwerk, das sich auf dem Gelände der Allessa Chemie in unmittelbarer Nähe zum derzeit noch in Konstruktion befindlichen Braunkohlestaub-Kraftwerk befindet. Die Entdeckung dieses anderen Energieproduzenten war die eigentliche Überraschung der FREIEN WÄHLER beim Besuch vor Ort. Inhaber ist die mehrheitlich städtische Mainova AG, die dort zur Stromgewinnung ausrangierte Eisenbahnschwellen verbrennt. Frau Rottmann selbst bezeichnet dieses ganz besondere Material zur Verfeuerung als „Biomasse“, woraus folgt, dass die Mainova behaupten kann, dort werde „Naturstrom“ gewonnen – höchst akzeptabel für vollelektrisierte Haushalte grüner Verbraucher.
Ein näherer Blick auf diese „Biomasse“ lohnt gleichwohl: Denn die auf dem Werksgelände auf einem riesigen Haufen gestapelten alten Bahnschwellen sind alles andere als harmlose Holzruinen. Vielmehr handelt es sich dabei um hochgiftiges Material, über das sich bei Wikipedia lesen lässt:
„Holzschwellen sind durch die Imprägniermittel und durch Rückstände aus dem Bahnbetrieb eine Gefahr für Gesundheit und Umwelt. Sie müssen daher als gefährlicher Sondermüll betrachtet und entsprechend entsorgt werden. Seit 1991 unterliegen sie entsprechenden gesetzlichen Vorschriften und Verwendungs-beschränkungen. Mit der Festlegung dieser Beschränkungen wurde unter anderem auch die bis dahin häufige Verwendung preisgünstig erworbener gebrauchter Holzschwellen im gewerblichen Landschaftsbau und durch Privatpersonen (etwa in Schrebergärten) unterbunden, wo Schwellen als Stützmauern, freistehende Sichtschutzwände, Sitzgelegenheiten und ähnliches verwendet wurden.“
Mainova gibt an, dass in dem Verbrennungsverfahren, in dem Strom und Wärme erzeugt wird, alle Giftstoffe samt Rückständen unschädlich gemacht werden. Das hoffen und glauben wir gerne. Die Mainova erwähnt aber mit keinem Wort, wie giftig die ausrangierten Bahnschwellen sind, die augenscheinlich den Großteil der „Biomasse“ bilden. Die Bahnschwellen selbst finden übrigens nur eine bemerkenswert kurze Erwähnung in der Information des Unternehmens. Immerhin gibt es dort die Angabe, wonach täglich 13 große LKW das Verbrennungsmaterial anliefern – bei dem Braunkohlestaubkraftwerk sind es nach Angaben von Allessa Chemie täglich nur drei. Von denen wird nebenbei keiner durch bewohnte Gebiete von Fechenheim fahren.
Wenn zwei verschiedene Kraftwerkstypen so eng beieinander stehen, ist es schon reizvoll, deren Leistungsfähigkeit und Umweltbilanz zu vergleichen. Das kann hier nicht im Detail geleistet werden, wird aber noch nachgeholt. Doch soviel ist schon jetzt klar: Sowohl das „Biomasse“-Kraftwerk wie auch das Braunkohlestaubkraftwerk arbeiten vollständig im gesetzlichen Rahmen. Ob die Verfeuerungsmasse im Mainova-Kraftwerk ausschließlich einheimischen Ursprungs ist, ist nicht bekannt. Braunkohlestaub jedenfalls wird in Deutschland gewonnen, womit auch viele Arbeitsplätze hierzulande verbunden sind.
Infolge der fortlaufenden Verteuerung von Öl und Gas, das aus dem Ausland bezogen werden muss, ist Braunkohlestaub preislich immer attraktiver geworden. Von ganz besonderer Bedeutung ist die ungleich bessere Planungssicherheit mit Braunkohlestaub: So kann die Allessa Chemie mit diesem Energiestoff verlässlich kalkulieren, weil sie mit dem Lieferanten einen Zehn-Jahres-Vertrag abschließen konnte, der nur Inflationskorrekturen beim Preis beinhaltet. Mit Erdgas aus Russland oder anderswo wäre das gewiss nicht möglich.
Für ein unter hohem globalen Konkurrenzdruck arbeitendes Unternehmen, in dem Energie nach Personal der zweitwichtigste Kostenfaktor ist, stellt das einen großen Vorteil dar – für die Sicherung der Arbeitsplätze damit auch. All das aber scheint die grüne Politikerin Rottmann nicht zu kümmern. Für sie und ihre Parteifreunde gibt es in Fechenheim ein „gutes“ Kraftwerk (Biomasse) und ein „böses“ Kraftwerk (Braunkohlestaub). Und den Bürgerinnen und Bürgern wird suggeriert, dass von dem „bösen“ Kraftwerk Gefahr für Gesundheit und Leben drohten. Die Fakten sagen etwas anderes.
Die hochintelligente, bestens informierte Dezernentin weiß das selbstverständlich auch, schürt aber gezielt Unsicherheit und Ängste. Es ist leider anzunehmen, dass auch weitere Niederlagen vor Gericht da keine Einsicht bewirken werden, wo ideologische Verbohrheit und parteipolitisches Kalkül sich ungut vermischt haben.
Dem muss allerdings entschiedener Widerstand entgegengesetzt werden. Denn es geht hier nicht nur um Wahrhaftigkeit in der Argumentation, sondern auch um die wirtschaftliche Existenz eines Unternehmens, das – wenngleich nun unter anderem Namen – das Leben einer ganzen Stadtregion seit weit über einem Jahrhundert mitprägt. Es geht ferner darum, dass eine einheimische Energiequelle, die noch auf lange Sicht zu günstigen Preisen ausreichend vorhanden sein wird und mit modernster Technik auch als umweltverträglich bezeichnet werden kann, nicht mit unzutreffenden Argumenten verteufelt wird.
Und es geht schließlich darum, Kraftwerke zur Energiegewinnung nicht willkürlich in „böse“ und „gut“ einzuteilen. Denn wenn hochgiftige Bahnschwellen „Biomasse“ sein sollen, dann ist Braunkohlestaub das nicht weniger. Der „Fall Rottmann“ gibt hinreichend Aufschluss darüber, mit welchen Methoden und industriefeindlicher Einstellung die in Frankfurt stark gewordenen Grünen Politik machen. Es ist auch notwendig, sich mit der Denkweise einer Bürgerinitiative zu beschäftigen, bei der hunderte hoch-qualifizierte Arbeitsplätze und viele Existenzen von Handwerksbetrieben weniger zu zählen scheinen als die politisch kalkulierte Panikmacherei einer grünen Politikerin.
Wenn dazu die CDU-Oberbürgermeisterin und auch der CDU-Wirtschaftsdezernent nichts als feig-verlegenes Schweigen anzubieten haben, die ehemalige Arbeiterpartei SPD weg duckt und die Linkspartei sich nur in ihrer gewohnten Kapitalismuskritik ergeht, wird es Zeit für eine sehr grundsätzliche Diskussion über Umwelt- und Wirtschaftspolitik in Frankfurt. Denn das grüne Märchen vom „bösen“ und „guten“ Kraftwerk hat in der Realität schon genug Schaden gestiftet. Und fürs Märchenerzählen werden Politiker von der Bürgerschaft nicht gebraucht, auch nicht Frau Dr. Manuela Rottmann.
Wolfgang Hübner, 27. Juli 2011