Um jeden Preis "Kultur"

Städtische Investoren-Hilfe als absurdes Theater

Um jeden Preis "Kultur"

FREIE WÄHLER - Fraktion im Römer

PRESSEMITTEILUNG 50/2011
Frankfurt/Main, 4. August 2011

Ein Investor will in der Frankfurter Innenstadt ein marodes Gebäude abreißen und neu bebauen. Der Investor ist bislang schon Erbpachtnehmer, das soll auch künftig so bleiben. Selbstverständlich hat der Investor bei seinem Projekt großes Interesse, rechtzeitig solvente Mieter zu finden. Gerd Rieche, so heißt der Investor für die geplante Neubebauung auf dem Gelände der ehemaligen Turm-Palast-Kinos, kann sich glücklich schätzen, einen solchen Mieter an der Angel zu haben, nämlich die Stadt Frankfurt.

Investor Rieche muss es dabei nicht interessieren, dass er Profiteur einer der absurdesten Vorgänge in der an solchen nicht armen Mainmetropole zu werden verspricht. Denn die Stadt ist drauf und dran, mit Rieche einen Mietvertrag abzuschließen, der diesem langjährig einen „mittleren sechsstelligen“ Jahresbetrag zu Lasten der Stadtkasse, folglich der Steuerzahler sichern würde. Der grün-schwarze Magistrat hat nämlich die Absicht, in dem Neubau in guter Innenstadtlage eine Fläche für „kulturelle Nutzung“ zu mieten.

Absurd dabei sind gleich mehrere Vorgänge: Über die „kulturelle Nutzung“ herrscht völlige Unklarheit, die auch als Konfusion charakterisiert werden könnte. Denn das Kulturdezernat hat kein Geld dafür und will auch keines dafür aufwenden; das Deutsche Filmmuseum, das an einem zweiten Kino durchaus interessiert wäre, kann offenbar die Miete im „mittleren sechsstelligen“ Bereich so wenig aufbringen wie das Museum für Moderne Kunst (MMK), das dort ganz gerne ein “MMK Kids“ für Kinder und Jugendliche unterbringen würde.

Da niemand weiß, welche kulturelle Nutzung die Räumlichkeit eigentlich haben soll, der Leiter des Liegenschaftsamtes aber den Mietvertrag mit dem Investor unbedingt baldmöglich abschließen will, soll nun ein „multifunktional nutzbarer Raum“ errichtet werden, über dessen kulturelle Nutzung die Stadt erst entscheiden will, wenn  das neue Gebäude in ungefähr zwei Jahren stehen wird. Allerdings kann es durchaus sein, dass die ohnehin angespannte Haushaltslage es dann nicht zulassen wird, dort eine weitere kulturelle Institution zu etablieren.  Investor Rieche könnte gleichwohl die Miete der Stadt für die leerstehende Räumlichkeit kassieren – was ihm auch herzlich gleichgültig sein kann.

Allerdings kann es für die Stadtverordneten nicht gleichgültig sein, dass es überhaupt keinen Beschluss des Parlaments gibt, an diesem Ort eine Räumlichkeit für eine „kulturelle Nutzung“ zu diesen Konditionen anzumieten. Vielmehr gibt es nur eine Anfrage der SPD vom 24. November 2010, die mit Zwischenberichten des Magistrats im Februar und Juli 2011 vorläufig beantwortet wurden. Wie daraus seitens des Planungsdezernats und des Liegenschaftsamtes eine Verpflichtung zur Anmietung einer Fläche in dem Projekt des Investors Rieche konstruiert wird, entzieht sich dem Verständnis eines normal intelligenten Stadtverordneten, wirft aber Fragen auf, die noch vor Abschluss des Mietvertrages beantwortet werden müssen.

Leserkommentare (1)

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Ich farge mich vor allem, wieviel "revitalisierte Fläche" Frankfurt in den nächsten Jahren noch verträgt, und ob es hier nicht am Gesamzkonzept mangelt. Da wären: Das Klapperfeld, das Naxos-Gelände, oben genannte Liegenschaft, wohl auch das Bahnhofsviertel und das Areal am Dom. Vermutlich habe ich sogar noch einiges vergessen. Bauen kann man vieles, aber die Fläche dann auch vermietet bekommen....