„Das Virus ‚Schwanheimer Zoo‘ lässt mich nicht los“

Corona als Bedrohung für die Lebensaufgabe Kobelt Zoo

„Das Virus ‚Schwanheimer Zoo‘ lässt mich nicht los“


In einer Zeit, in der die Politik zu repressiven Maßnahmen greift, um das Coronavirus einzudämmen, hat es der 1916 gegründete Kobelt Zoo schwer. Jetzt ist durch den Kampf gegen Corona auch noch die große Saisoneröffnung am 1. Mai ausgefallen, das Fest der Feste, mit dem der private Tierpark (17.000 qm) alljährlich einen Großteil seiner Einnahmen bestreitet. Der Eintritt in das Kleinod für Familien und Senioren ist nach wie vor frei. Doch füllen die Schwanheimer an diesem Tag die Spendenbox am Eingang normalerweise reichlich, manchmal sogar mit mehr als was durch den Umsatz an Speisen und Getränken reinkommt. „Viele Leute wissen gar nicht, daß wir ein rein ehrenamtlicher Verein sind, der sich nur aus Spenden und Veranstaltungen finanziert“, sagt die Finanzchefin des Kobelt Zoo, Monika Greitzke.

Was setzt man einem Virus am besten entgegen, wenn es nicht ein Milieu aus Liebe, Engagement und Verwurzelung in einem dörflich gebliebenen Stadtteil ist? Die Schüler bekommen die Geschichte Schwanheims in der Schule erzählt. Monika Greitzke (60), die schon mit ihrem Großvater durch die Anlage streifte, kennt die Schwanheimer Geschichte „über Hunderte von Jahren“. Ihr Fixpunkt ist zweifellos der aus einer Pfarrersfamilie stammende Naturwissenschaftler Wilhelm Kobelt, der im Alter von 76 Jahren im März 1916 in Schwanheim starb. Neben dem Kobelt Zoo am Waldrand erinnert an diesen facettenreichen Mann, der ein führendes Mitglied der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft war, auch das Wilhelm-Kobelt-Haus. Es war die ehemalige Grundschule in Schwanheim und beherbergt heute unter anderem das Heimatmuseum, das die Geschichte des erstmals im Jahr 880 urkundlich erwähnten Dorfes Schwanheim präsentiert. Der Arzt und Heimatforscher Kobelt, der sich wie kein anderer intensiv mit Ort und Umgebung auseinandersetzte, schrieb die erste Chronik des Dorfes Schwanheim.

Legendenhaft Anmutendes weiß Monika Greitzke zu erzählen, die wie viele Schwanheimer noch heute respektvoll „Doktor“ Kobelt sagt: „Doktor Kobelt war der erste Arzt in dem damaligen Bauerndorf Schwanheim. Er versorgte die armen Leute, die ihn oft nur mit Naturalien bezahlen konnten, mit Eiern, Wurst, Fleisch und Gemüse.“ Und warum ist der Eintritt in den Kobelt Zoo für alle kostenlos? Nicht nur Pressereferentin Sarah Rezagholinia hat den sozialen Auftrag des Namensgebers vor Augen: „Ich glaube, es war Maria Theresia, die sagte, Bildung und Wissenschaft sollte immer jedem Menschen frei und kostenlos zur Verfügung stehen. Das war auch die Vision von Doktor Wilhelm Kobelt.“ In der Sommerhitze wird der Kobelt Zoo zudem für Senioren zu einem sozialen Treffpunkt. Sie kommen teilweise mit ihren Rollatoren und kühlen sich auf für sie bereitgestellten Bänken und Tischen ab, da in diesem Waldstück die Temperaturen deutlich niedriger sind als in den Straßen Schwanheims.

Es könnte alles so schön sein, wenn nicht unterschiedliche Maßstäbe angelegt würden. So wurde auf Grundlage der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft vom 5. Juni 1992 die Untere Naturschutzbehörde 2013/2014 mit einem Maßnahmenkatalog vorstellig mit dem Argument, den Waldcharakter des Zoogeländes erhalten zu wollen. Während der Bannwald freilich kurz vorher dem Flughafenausbau geopfert wurde. „Das ist so eine Sache“, meint Monika Greitzke. Vier Jahre kämpfte der Zoo mit den Auflagen der Unteren Naturschutzbehörde, die am Ende fast 80.000 € verschlangen. Und das bei jährlich bereits anfallenden Fixkosten in Höhe von 50.000 € – 60.000 €.

So klein die Gesellschaft Prof. Dr. Wilhelm Kobelt e.V. auch ist, gelten für die Kobelt-Anlage laut den Regularien des Regierungspräsidiums Darmstadt doch die gleichen Auflagen wie für die großen Zoologischen Gärten. Sarah Rezagholinia ergänzt: „Wir müssen auch als ehrenamtlich geführter Zoo die EU-Richtlinien für Zoos erfüllen.“ Ohne qualifizierte Mitarbeiter geht es also nicht. Monika Greitzke schildert den üblichen Auswahlprozess: „Man muß sehen mit welcher Voraussetzung die Leute zu uns kommen. Will ich Tiere knuddeln oder will ich arbeiten? Wir nehmen die Interessenten nicht gleich als neue aktive Mitglieder auf, sondern lassen sie erst einmal ein paar Monate mitlaufen. Wenn sie nach dieser Zeit noch voll engagiert sind und Freude an ihrer Arbeit haben, passt es für uns.“

Immerhin 250 Tiere wollen versorgt werden, die oft über Tierheime, Tierrettung und Tierschutz zum Kobelt Zoo kommen. Einheimische und wenige exotische wie die Unzertrennlichen, eine Gattung von kleinen afrikanischen Papageien, die wiederum über Privathaushalte und Tierauffangstationen ihren Weg in die Kobelt-Anlage fanden. Sie existieren immer nur zu zweit, sitzen paarweise und kuscheln normalerweise ein Leben lang. „Wenn einer von beiden stirbt, geht der andere auch zwangsläufig kurze Zeit später ein, wenn man sich nicht bemüht einen neuen Partner zu finden“, schließt Sarah Rezagholinia nicht ganz glücklich.

Der absolute Publikumsliebling aber war das große sächsische Hausschwein Wolfgang, das aus einem illegalen Schweinezuchtbetrieb stammte und dort mit sechs Monaten aus der Mast befreit wurde. Erstaunlicherweise über neun Jahre – ehemalige Mastschweine leben normalerweise nur noch fünf bis sechs Jahre – döste es vor der Villa Wutz, wenn es nicht gerade mit Fressen, Schlafen und sich am Zaun wetzen beschäftigt war. „Als er im Mai letzten Jahres verstarb, hatten wir hier wochenlang weinende Kinder und Erwachsene am Zaun stehen“, berichtet Monika Greitzke.

Große Emotionen auch auf der anderen Seite: Die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Sarah Rezagholinia erwähnt zum Schluss unseres Spaziergangs durch die Anlage noch einmal, wie sehr es sie getroffen hat, als die Untere Naturschutzbehörde damals nicht nur die fehlenden Erneuerungsmaßnahmen anmahnte, sondern auch die Gesamtidee Kobelt Zoo kritisierte: „Wenn das Ehrenamt angegriffen wird, dann kränkt das persönlich, denn es sind immer Menschen, die ihr ganzes Herzblut einbringen.“

Wann der kleine Tierpark am Schwanheimer Waldrand in diesem Jahr endlich wieder seine Pforten für Groß und Klein öffnen darf, ist nach wie vor unklar.                           


Spendenkonto:  
Kobelt Zoo e.V., Volksbank Frankfurt, IBAN: DE53 5019 0000 0000 492809





Claus Folger

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