Die Arroganz der neuen Herrschaftsschicht

Der Fall Dr. Rottmann und andere

Die Arroganz der neuen Herrschaftsschicht


Frankfurts Umwelt- und Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann ist eine hochintelligente Frau, die vor einigen Jahren eine  wirtschaftsrechtliche Dissertation vorgelegt hat, deren Qualität über allen „Guttenberg-Zweifel“ erhaben ist. Die aus dem fränkischen Hammelburg stammende Juristin und Mutter hat seit 1990 eine makellose Karriere bei den Grünen absolviert. Bis vor wenigen Wochen galt sie sogar als Star der in Frankfurt bei der Kommunalwahl im März noch stärker gewordenen Partei und als deren erste Anwärterin auf die Kandidatur für das 2013 neu zu vergebende Amt des  Oberbürgermeisters in einer der bedeutendsten Städte Deutschlands.

Nun aber gibt es die ersten unerfreulichen Stellen in der politischen Vita Dr. Rottmanns: Ihre gerichtliche Niederlage in der Auseinandersetzung  um das Braunkohlestaub-Kraftwerk der Chemiefirma Allessa in Fechenheim sowie ihre fast schon demonstrativ passive Rolle bei der Aufklärung des EHEC-Verdachts in einem  Flüsschen des Stadtteils Nieder-Erlenbach. Beide Male agierte Dr. Rottmann befremdlich selbstgerecht und uneinsichtig. Denn in Sachen Kraftwerk will sie die geradezu niederschmetternde Lektion des Verwaltungsgerichts nicht hinnehmen und in  Revision gehen; in Sachen EHEC will sie von nichts gewusst haben, für nichts zuständig und deshalb auch für nichts verantwortlich sein.

Dr. Rottmann glaubt sich diese Haltung auch leisten zu können, weil sie (und ihre Partei) in den veröffentlichten Medien auf eine große Zahl offener und versteckter Sympathisanten rechnen können. Kein Politiker irgendeiner anderen Partei wäre in Anbetracht der beiden Sachverhalte Kraftwerk und EHEC so glimpflich davon gekommen, wie es Dr. Rottmann bislang beschieden ist. Aber es wäre zu einfach, die Selbstgerechtigkeit und Uneinsichtigkeit der Politikerin nur oder auch hauptsächlich den Medien anzulasten. Vielmehr muss Dr. Rottmanns Verhalten als geradezu idealtypische Arroganz der neuen deutschen Herrschaftsschicht grüner Prägung begriffen werden.

In einer Demokratie bedarf Herrschaft einer Massenbasis. Der marxistische Politologe Georg Fülberth hat kürzlich in einem Zeitschriftenartikel eine erhellende Analyse zu der Massenbasis der Grünen veröffentlicht. Demnach erkennt er diese Massenbasis in der Intelligenz: „Seit Jahrzehnten besteht sie nicht länger aus ein paar Zehntausenden von Akademikern wie zur Zeit Kaiser Wilhelms, sondern aus Millionen.“ Und weiter: „Anders als früher hat sie (die Intelligenz), eine eigene Partei, die Grünen. Deren Anhänger wählen sich selbst.“ Fülberth folgert: „So sind die Grünen mittlerweile die Hegemonialpartei geworden, nach der sich Union und SPD auch dann noch richten müssen, wenn sie von ihr noch nicht an Wählerstimmen  überholt sind.“

Wer verstehen will, warum sich die CDU in Frankfurt, noch immer ja an Wählerstimmen stärker als die Grünen, in derartiger Weise von diesen dominieren lässt, wird das in Kenntnis der Analyse des linken Marburger Professors besser oder sogar überhaupt erst können. Die Grünen samt der herausragend promovierten Manuela Rottmann wissen nur zu gut um ihre Rolle und Bedeutung.

Zwar haben sie selbstverständlich nicht alle Teile der deutschen Intelligenz auf ihrer Seite. Vorwiegend sind es Hochschulabsolventen in den pädagogischen, sozialen, medialen, geisteswissenschaftlichen und kreativen Berufssektoren, die – oft im öffentlichen Dienst – das zuverlässige Rückgrat der Partei darstellen. Diese Gruppen der Intelligenz bilden zusammen-genommen nicht nur eine große Zahl von Menschen, sondern mehr noch nehmen sie großen Einfluss auf das gesellschaftliche Bewusstsein.   

Deshalb ist die Arroganz grünen Verhaltens der Gewissheit geschuldet, den Altparteien CDU und SPD nicht nur politisch, sondern mehr noch aufgrund der oben skizzierten gesellschaftlichen Basis überlegen zu sein. Die Politiker der Grünen und ihre Wähler aus der Massenintelligenz unserer Zeit empfinden und benehmen  sich als neues Großbürgertum, allerdings progressiv-linker Couleur - also ohne Stil, klassische Bildung und auch ohne den gewissen  Charme des alten Großbürgertums.

Unschätzbarer Vorteil dieses neuen Großbürgertums ist aber seine Macht, die Begriffe und Themen weitgehend zu bestimmen. Dazu können sie – das wurde schon erwähnt – auf eine große Anhängerschaft in den meinungs-formenden Medien  zählen. Und in der bislang lediglich von Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ und den Reaktionen darauf ernstlich herausgeforderten  Dominanz der ‚Politischen Korrektheit‘ hat die neue Herrschaftsschicht grüner Prägung einen effektiven, weil selten offen repressiven geistigen Unterdrückungsapparat, der nur von epochalen Ereignissen erschüttert oder gar vernichtet werden dürfte.

Die Schwachstelle dieser neuen Herrschaftsschicht sind jene Realitäten, die in immer größerem Widerspruch zu der politisch-ideologisch verordneten grünen Weltsicht stehen: Die Folgen der Masseneinwanderung samt missglückter Integration und Islam-Problem, die Auflösung traditioneller Bindungen, die Geringschätzung bewährter Tugenden, die andauernde Senkung des Bildungsniveaus etc.

Zweifellos werden diese Widersprüche zwischen Realität und grüner Weltsicht immer deutlicher, alltäglich erfahrbarer. Und es ist deshalb nicht verwunderlich, dass es die Grünen sind, die geradezu begeisterte Bereitschaft zeigen, in der gegenwärtigen Euro-Krise, die auch eine Globalisierungskrise ist, Deutschland finanziell und institutionell mit der Zustimmung zur Einführung sogenannter Eurobonds zu knebeln und zu schaden. Denn nichts fürchten die Grünen mehr als auch nur eine partielle Renationalisierung der Politik. Deshalb hat das global agierende Großkapital nicht die geringste Schwierigkeit, in den Grünen einen ebenso zuverlässigen wie medienge-rechten Bündnispartner bei der Entnationalisierung zu haben.

Es darf die Voraussage gewagt werden: Platzt die Globalisierung, platzt der Euro (jedenfalls in seiner jetzigen Verbreitung), dann ist auch die gegen-wärtige politische Hegemonialmacht der Grünen in akuter Gefahr. Und dann erst wird auch Frau Dr. Rottmann weniger arrogant und nicht mehr in so hohem Maße uneinsichtig auftreten können. Doch sollte niemand darauf hoffen, dass es weniger als einer Systemkrise bedarf, um die neue Herrschaftsschicht grüner Prägung zu stürzen.

Wie all ihre historischen Vorgänger wird auch diese sich mit allen Mitteln an ihre errungene Stellung klammern. Wenn einer politischen Kraft in Deutschland zuzutrauen ist, notfalls auch mit autoritären und repressiven Methoden ihre Macht zu behaupten, dann sind es gerade jene Grünen, die einst unter dem Banner antiautoritärer und antirepressiver Gesinnung in die politische Arena gezogen sind.  Es ist sehr ratsam, sich dessen im Fall einer Systemkrise zu erinnern. Und es könnte sein, dass diese Situation nicht mehr in weiter Ferne liegt.



Wolfgang Hübner, 23. August 2011

Leserkommentare (2)

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Ich halte den "grünen Weg" nicht für grundsätzlich schlecht. Ich bin ebenfalls für einen Atomausstieg, ich bin auch für eine gentechnikfreie Landwirtschaft, ich bin auch gegen Tierversuche, ich bin für einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, ich bin auch gegen eine Verschmutzung der Meere. Aber all das nicht um jeden Preis, nicht totalitär. Grün denkt hier in schwarz-weißen Mustern. Und für mich sind die Grünen unwählbar, weil man mit den oben genannten Zielen noch ein Paket an Sozialromantik einkauft, angefangen von Genderpolitik über Asylpolitik bis hin zur Schulreform. Und die drei letztgenannten Punkte zeigen, dass die Grünen zur Uniformität neigen, alles muss gleich sein, Unterschiede schaffen soziale Ungleichheit. Vielfalt ist also eigentlich unerwünscht. Die Ziele der Grünen wären natürlich durchaus reizvoll, sind aber mit lebenden Menschen nicht umsetzbar, Dieser immergrünen Romantik verfällt diese Partei noch immer, ebenso wie "Die Linke" im Herzen immer noch einem politischen System hinterhertrauert, welches sich längst überholt hat.

Das Beharrungsvermögen, mit dem die deutsche Gesellschaft die Veränderungen in der sozialen Wirklichkeit seit 1989 auszublenden versucht, ist wahrlich erstaunlich.

Dass die DDR "nicht gut" wahr ist eines der wenigen Zugeständnisse. Dann war da die Asyldebatte: Keinesfalls sollte es eine Grundgesetzänderung geben! Nach überlangem Hängen und Würgen kam sie über Nacht dann doch, und sie galt plötzlich als "weise Entscheidung". Das Rumsfeld Anfang der Nuller Jahre mit dem "alten Europa" nicht Europa insgesamt meinte, sondern nur die Staaten, die geistig in der Zeit vor 1989 verharrten (Deutschland, Frankreich), ist hierzulande bis heute nicht ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen. Bei Multikulti ist die Bremsspur ebenfalls seeeeehr lang. Noch in den 90ern sprachen die Grünen von "Zwangsgermanisierung", wenn gefordert wurde, dass Schulkinder doch bitte Deutsch können sollten, weil es sonst einfach keinen Sinn hat. Davon haben sie sich ja inzwischen genauso heimlich still und leise verabschiedet wie vom Waldsterben, das es in dieser Form niemals gab, wie man inzwischen sogar in der linksgewickelten Wikipedia nachlesen kann.

Nun könnte man sagen: Es bewegt sich doch etwas, sogar in die richtige Richtung! Das wäre nicht einmal gelogen. Die Richtung stimmt tatsächlich! Wenigstens in einigen Punkten. Wir kommen jetzt aber an einen Punkt, wo die schneckenhafte Anpassungsfähigkeit der deutschen Gesellschaft an die Wirklichkeit eindeutig zu langsam ist.

Dass die Deutschen zu langsam im Umdenken sind, hat Sarrazin ihnen gerade beim Thema Multikulti vorgerechnet. Es reicht einfach nicht mehr, Multikulti durch "Vielfalt" zu ersetzen und ein wenig deutschen Sprachunterricht zu geben. Der Schritt ist viel zu kurz. Die Demographie ist unerbittlich. Manche zugewanderte Traditionen auch.

Die Deutschen schaffen es auch nicht, sich schnell genug von ihrem "Wir-sind-Europa!"- und "wegen-der-Geschichte"-Komplex zu lösen, um zu erkennen, dass sie nur sich selbst (und andere) kaputt machen und niemandem helfen, wenn sie aus falsch verstandener Solidarität die Insolvenz Griechenlands etc. verschleppen, die Verfassung brechen, die Naturgesetze der Ökonomie missachten. Wie werden uns die Völker Europas hassen! Gerade deshalb, weil wir den Eindruck erweckten, dass wir helfen könnten und helfen sollten.

Man fühlt sich unwillkürlich an Kaiser Wilhelm II. und seinen Blanko-Scheck an Österreich-Ungarn erinnert. Krieg ist zum Glück nicht in Sicht, aber ein Vergleichspunkt trifft zu: Kaiser Wilhelm II. hatte naive Vorstellungen davon, was gut und machbar ist und welche Konsequenzen sein Handeln haben würde. Es war nicht der bärbeißige Bismarck, sondern ein Gutmensch, der in den Ersten Weltkrieg schlitterte. "Ich habe es nicht gewollt" sagte er hinterher ... gut gemeint ist eben häufig das Gegenteil von gut.

Wenn die deutsche Geschichte bald über ihre nächste Abbruchkante rutscht (wenn das Geld ausgeht), werden die Deutschen geistig nicht darauf vorbereitet sein, die Schuldigen zu erkennen. Im Gegenteil. Die Deutschen dürften dann auf die falschen Propheten hereinfallen, die ihnen ihre zurückgebliebenen Vorstellungen von Realität bestätigen, statt sie zu korrigieren, und die ihnen versprechen, die falschen Vorstellungen nun energisch durchzusetzen.

Das geht dann natürlich erst Recht schief.

Das Unfassliche, was nie wieder geschehen sollte, ist geschehen: Während sich ein Land in Europa nach dem anderen von gestern verabschiedet, bleibt bei uns geistig alles so wie es ist. Wir sehen Deutschland mit Volldampf mitten auf einem Sonderweg. Eine Wiederholung der Geschichte in grün. Und das mit den besten Absichten!

Die Phase der falschen Propheten hat bereits begonnen. Grün ist auf dem Weg zur Volkspartei.