"...auch wenn es uns schmerzt."

BDI-Präsident Hans-Peter Keitel nennt den Preis für die Euro-Rettung

"...auch wenn es uns schmerzt."
© Sigrid Rossmann - pixelio.de

"Der Euro ist unverzichtbar", unter dieser Überschrift bringt die Frankfurter Rundschau in ihrer Ausgabe vom 29. August 2011 ein Interview mit Hans-Peter Keitel, den Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Es lohnt sich, dieses ganzseitige Interview zu lesen, denn endlich sagt mal ein prominenter Verfechter der in die Krise geratenen Währungsunion, dass die Aufrechterhaltung derselben von den Deutschen Opfern und Schmerzen verlangen wird. Das ist die ungeschminkte Wahrheit, die von Politikern jeder Couleur  verschwiegen, verheimlicht und beschönigt wird. Es gibt keinen Grund, Keitel für seine Haltung zur Euro-Rettung dankbar zu sein, wohl aber für seine Offenheit, die zur Aufklärung der Deutschen über ihr künftiges Schicksal einen wertvollen Beitrag leistet.

Die entscheidende Stelle in dem auch sonst sehr aufschlussreichen Interview ist nur einen Satz lang: "Wir wollen nach vorn gehen und in Europa, in den Euro investieren - auch wenn es uns schmerzt." Der Industrie-Lobbyist, vormals Vorstandsvorsitzender des Baukonzerns Hochtief, gebraucht dieses kleine Wörtchen "uns" für das nationale Kollektiv, meint aber ganz gewiss nicht jene, die - wie die deutsche Exportindustrie - von der Währungsunion profitieren oder zu profitieren glauben, sondern all jene, die den Preis dafür bezahlen sollen, dass gerettet wird, was nach Ansicht von Keitel und anderen gerettet werden muss.

Unzählige Menschen in Deutschland sind bereits seit langen Jahren den Folgen der Währungsunion ausgeliefert, wie jüngst Prof. Dr. Eberhard Hamer vom Mittelstands-Institut Niedersachsen dargelegt hat: "Tatsächlich war der Euro für die deutsche Exportwirtschaft innerhalb Europas von Vorteil, weil er sie vor Währungsschwankungen im Währungsgebiet sicherte. Für die deutsche Volkswirtschaft dagegen bedeutete der Euro die Verwendung unserer Außenhandelsüberschüsse in der EZB für die Defizite von  Griechenland, Italien, Frankreich usw. und dadurch einen jahrelangen Abfluss unserer Leistungsbilanz-überschüsse in Höhe von 4 bis 6 % BIP. Per saldo haben wir also im Abrechnungskreislauf der Zentralbanken schon lange jährlich 5 bis 6 % unseres Sozialproduktes mit Hilfe des Euro an die übrigen  Mitgliedsländer verschenkt."

Im Wissen darum erschließt sich nun auch weit besser die etwas rätselhafte Formulierung des BDI-Präsidenten Keitel, wonach "wir.in den Euro investieren - auch wenn es uns schmerzt." Denn die etwa 120 Milliarden Euro, die da jährlich in die Länder der Eurozone "verschenkt" werden, fehlen natürlich an vielen Ecken und Enden, nicht zuletzt dem Staatshaushalt, der dafür zu verzinsende Kredite aufnehmen muss.

Aber das ist noch nicht alles, wie Prof. Hamer berichtet: "Zählt man unsere Beitragsüberschüsse hinzu, haben wir bis zur Krise 2008 auf deutsche Kosten all das finanziert, was der Euro in ärmeren bzw. hemmungsloser verschul-deten Ländern wie Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich, Irland u. a. an Geldzufluss und Wachstum ermöglichte, die ihnen sonst auf Grund ihrer eigenen schwachen Landeswährung und Wirtschaftskraft nicht möglich gewesen wären. Dadurch konnten sie sich das leisten, was sie sich eigentlich nicht leisten durften."

Etwas zugespitzt, aber keineswegs übertrieben lässt sich sagen: All diese Länder konnten sich damit auch all die deutschen Exportwaren leisten, die ansonsten keinen Käufer gefunden hätten und deshalb wohl auch gar nicht produziert worden wären. Das hätte zweifellos negative Auswirkungen auf die Auslastung der deutschen Industrie und die Zahl der Arbeitsplätze gehabt. Andererseits haben 120 Milliarden Euro, die in den Euro-Raum "verschenkt" werden, auch ein ganze Reihe negativer Auswirkungen in Deutschland,  wovon nicht nur der Zustand vieler Straßen oder die mickrige Erhöhung der Geldleistungen für Hartz-IV-Bezieher zeugen. Aber davon spricht Keitel so wenig wie von der Tatsache, dass der Exportchampion Deutschland den größten Billiglohnsektor in Westeuropa hat.

Unfreiwillig verrät Keitel aber mit seiner Formulierung   ".in den Euro investieren - auch wenn es schmerzt", wie verlogen die immer wieder gehörte politische Propaganda ist, wonach Deutschland "Hauptprofiteur des Euro" sein soll. Denn wenn das so wäre, müsste Deutschland, wie es der BDI-Präsident verlangt, nicht "in den Euro investieren", sondern aus dieser längst getätigten Investition großen Gewinn ziehen!

Warum das allerdings ganz und gar nicht der Fall ist, hat der Heidelberger Volkswirtschaftsprofessor Franz-Ulrich Willeke in seinem kürzlich erschienenem Buch "Deutschland, Zahlmeister der EU" ebenso akribisch wie sachlich unanfechtbar, dazu ohne jede Polemik aufgezeigt. Willeke hat einen sehr guten Ruf zu verlieren, doch der ist offenbar in keiner Weise in Gefahr, weil bislang noch niemand - ähnlich wie bei Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab"  - dem emeritierten  Volkswirtschaftslehrer einen oder gar mehrere Fehler bei seinen Berechnungen nachweisen kann.

BDI-Präsident Keitel gebraucht sehr oft die Worte "wir" und "uns". Dabei unterscheidet er in der Regel nicht die Interessen des BDI und seiner Mitglieder von den Interessen des Staates und des gesamten Volkes. Wenn er sagt: "Wir brauchen eine stabile Gemeinschaft. Dafür ist der Euro unverzichtbar. Wir wollen kein Abenteuer mit unkalkulierbaren Risiken", dann mag er aus der Interessenlage des BDI recht haben. Denn er hat dabei im Blick die fehlenden Wechselkursschwankungen für die Exportindustrie sowie den gewaltigen Absatzmarkt für deren Produkte. Es ist verständlich und legitim für den Verbandschef eines wichtigen Wirtschaftszweiges, diese Vorteile in den Vordergrund zu stellen.

Spricht Keitel hingegen davon, "wir" müssten "nach vorn gehen und in Europa, in den Euro investieren - auch wenn es uns schmerzt", hat er  sowohl beim "wir" wie erst recht beim "uns" keineswegs den BDI im Sinn, sondern den deutschen Staat und das deutsche Volk.  Denn auf die Frage, ob zum Zweck der Haushalts-Konsolidierung nicht höhere Unternehmenssteuern angebracht wären, gibt Keitel eine klare Abfuhr. Und er will auch auf keinen Fall eine europäische Wirtschaftsregierung, wohl aber eine europäische Finanzregierung. Mit anderen Worten: Kein Dirigismus für die Wirtschaft, wohl aber für die Melkkuh Steuerzahler.

Es ist bemerkenswert, mit welcher Rücksichtslosigkeit die Mächtigen in Wirtschaft und Politik die Interessen breiter Schichten in Deutschland missachten zu können glauben. Damit werden sie den Euro in seiner jetzigen Verbreitung und Konstruktion zwar nicht retten, aber die gesamtgesellschaftlichen Kosten dieser zum Scheitern verursachten Rettungsaktion noch erheblich in die Höhe treiben.

Immerhin kommt dem BDI-Präsidenten Hans-Peter Keitel der Verdienst zu, die Opfer und Schmerzen, die damit für deutsche Steuerzahler, Rentner und  Empfänger von Transferleistungen verbunden sein werden, nicht ver-schwiegen zu haben. Auf entsprechende Aussagen von Bundeskanzlerin Merkel oder den zum nationalen Harakiri bereiten Eurobond-Fans Steinmeier und Trittin wird man dagegen noch lange warten müssen.



Wolfgang Hübner, 30. August 2011

Leserkommentare (3)

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....und hier noch eine Presselese vom heutigen Tag in Überschriften, in Verbindung mit der Frage, wie "sinnvoll" es ist, sich weiter "SCHMERZEN" mit dem EURO zufügen zu wollen :


Europa kämpft gegen neuen Banken-Crash :

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,783419,00.html


- Panik macht sich breit: Die Welt steht vorm nächsten großen Finanz-Crash

http://www.propagandafront.de/182290/panik-macht-sich-breit-die-welt-steht-vorm-nachsten-grosen-finanz-crash.html


- Griechenland bietet Bar-Garantien für Hilfskredite (Bemerkung : Mit welchem BAR-Geld wollen DIE "garantieren" ????)

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,783608,00.html



- Tschechen-Präsident Vaclav Klaus : "Euro ist gescheitert" :

http://www.finanzen.net/nachricht/devisen/EUR-CZK-CZ-Klaus-Euro-gescheitert-781715


- Euro-Rettungsfonds Kabinett beschließt - Abgeordnete rebellieren

http://www.stern.de/politik/deutschland/euro-rettungsfonds-kabinett-beschliesst-abgeordnete-rebellieren-1722479.html



NACHTRAG :

Interview mit UBS-Ökonomen Gerit Heinz in den "Deutschen Mittelstands-Nachrichten" :

Austritt Deutschlands: „Ein Weg, das Ungleichgewicht in der Eurozone zu beseitigen“

Das Interview unter : http://www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de/2011/08/23861/

Die täglichen Durchhalteparolen der "hohen Politik" bzw. der Lobbyisten zum Thema Euro ähneln, auf dem Hintergrund der knallharten Faktenlage, immer mehr jenen, die einst aus dem "Bunker" in Berlin über den "Endsieg" verlauteten.

Das Projekt EURO ist - schon wegen dessen Unbezahlbarkeit für Deutschland als "Hauptsponsor" - de facto gescheitert und es ist an der Zeit, das sich die EURO-Betonköpfe das endlich eingestehen.

Wenn man schon vor gut 10 Jahren zu feige war, über die Einführung des EURO ein Plebiszit abzuhalten, so sollten die Damen und Herren in Berlin und Brüssel wenigstens den Schneid besitzen, daß Volk über seine Megaverschuldung auf Generationen zu befragen.

Darauf wetten möchte ich allerdings nicht......