Ein Stadtteil verändert sich

Streifzug durch Frankfurts Nordend

Ein Stadtteil verändert sich
© Fotos: Richard Bishop

„Frankfurt, wo es am schönsten ist!“ Vor einiger Zeit spannte dieser Bannerspruch über der Fassade einer prächtigen Gründerzeitvilla im Holzhausenviertel. Diese befindet sich im Frankfurter Stadtteil Nordend und hat ihren Namen von der Frankfurter Patrizierfamilie Holzhausen, dem ältesten Patriziergeschlecht der alten Bürgerstadt. Als Stadtadel und freie „Königsleute“ kamen die Patrizier durch Grundbesitz zu Reichtum, den sie als Kaufherren vervielfachten.


Der heute inmitten des Viertels liegende 3,5 Hektar große Holzhausenpark ist der Rest des ehemaligen Parkgeländes der Familie, das ursprünglich fast 30 Hektar umfasste. Nach einer Schenkung durch den letzten Besitzer des Parks, Rittmeister Adolph Freiherr von Holzhausen, ließ Oberbürgermeister Franz Adickes (1846−1915) in der Gründerzeit seinen größten Teil mit dem heutigen Holzhausenviertel bebauen.


Das „Wohnensemble Holzhausenstraße“, eine Mischung aus hochpreisigen Eigentums- und Mietwohnungen, ersetzt heute das Diakonissenkrankenhausgelände zwischen Holzhausen- und Comeniusstraße. Die historische Fassade des Krankenhauses blieb dabei weitgehend originalgetreu erhalten. Hans-Georg Oeter, Ortsbeirat der Bürger Für Frankfurt BFF, lobt die Fassadengestaltung mit dem „in einem ganz schönen Stil dazu gebauten Portikus.“ Als früherer Bewohner dieses Viertels führt er durch das Diakonissengelände und beurteilt dabei die Variabilität und den eigenständigen Charakter der Altbauten sehr positiv, während für ihn die neueren Wohngebäude als „gleiche Soße“ gelten.


Auf den Stufen zum heutigen Mutterhaus der Diakonissen haben die drei Spitzenkandidaten der Bürger Für Frankfurt BFF für den Ortsbeirat 3 bei der Kommunalwahl im März 2021, der Sprachlehrer und Journalist Claus Folger, der Diplom-Ingenieur Hans-Georg Oeter und der bekannte Verkehrssoziologe Alfred Fuhr, ihren Lieblingsort gefunden. Im Hintergrund im Gebäude besprechen sich Schwestern an einem runden Tisch.


Die andere Seite des Stadtteils

Der Zauber des Holzhausenviertels verfliegt allmählich in Richtung Glauburgstraße, wo Wuchermieten für kleine und individuelle Läden eine Wesensänderung des Geschäftsbestands des Nordends ankündigen. Hier wie auch in der Bergerstraße, der Eckenheimer Landstraße und im Oeder Weg streiten Familienbetriebe gegen Ladenketten und Immobilienbüros. Außerdem stehen in der letztgenannten Straße die Wohnungen in den oberen Etagen zunehmend spekulativ leer.

Der Zauber ist vollends verpufft, als wir in der gleichen Straße an der Evangelisch Lutherischen Gethsemanegemeinde auf ein Obdachlosenlager treffen. Das ist die andere Seite des Stadtteils. Hier scheint sich jemand mit kleinen Bücherregalen seine individuelle Heimstatt eingerichtet zu haben. Aus der dies tolerierenden Gemeinde heißt es, daß schon seit Jahren Obdachlose „aus der Innenstadt hochkämen“, weil es dort zu unsicher sei. Dabei ginge es ihnen nicht um den Empfang von kirchlichen Versorgungsleistungen. So zu denken, sei eine typische Fehlannahme über diese Menschen. Die Wohnungslosen gestalteten ihr Dasein selbstständig.

Markante Armut entsteht aber auch im Stadtteil selbst. Von zwölf Ausgabestellen der Frankfurter Tafel ist bezeichnenderweise diejenige im zunehmend gentrifizierten Nordend die größte. So bedient die Lebensmittelausgabe der Christus-Gemeinde am Merianplatz jeden Monat ca. 1.150 Personen. Die Schriftstellerin und Essayistin Ria Endres, die seit 40 Jahren im gleichen Mietshaus im Nordend lebt, legt in ihrem Buch Nordend – ein Stadtteil wird verkauft den Finger in die Wunde, indem sie beispielhaft aufzeigt, wie das soziale Gefüge zu zerbrechen droht, wenn die Entwicklung des Nordends der Immobilienwirtschaft überlassen wird. Sie beobachtet „eine Entleerung des Stadtteils von normalen Bürgern.“


Konflikte im Verkehr und auf den Treffpunkten

Folgt man der Eckenheimer Landstraße weiter nach unten und schwenkt schließlich nach links, ist Alfred Fuhr zu Hause. Für ihn sind Verkehrsprobleme immer auch Nachbarschaftskonflikte. So fordert er für SUV-Fahrer einen privaten Parkplatznachweis. Es könne nicht sein, daß der Mehrbedarf an Parkfläche, den sie (nicht nur in seinem Viertel) beanspruchten, auf Kosten der Öffentlichkeit ginge. Grundsätzlich plädiert er für eine dynamische Verkehrsführung, die der Komplexität des Verkehrsgeschehens gerecht wird. Um die Leistung einer Straße abzurufen, seien lange Verweilzeiten zu vermeiden. Starre Geschwindigkeitsbeschränkungen lehnt er ab.

Wir stechen zur Friedberger Landstraße durch. Vorbei an den berühmt-berüchtigten Partyplätzen Matthias-Beltz-Platz und Friedberger Platz erreichen wir schließlich den Luisenplatz. Auch er zieht in heißen Sommerabenden die Menschenmassen an, während sich die Anwohner über den Lärm empören. Ein klassischer Konflikt, doch nur schwer zu lösen. Claus Folger wohnt in der Nähe und verfolgte, wie sich nachts Anwohner der Luisenstraße bei der Polizei über Wildpinkler in ihre Hinterhöfe beschwerten. Die Ordnungshüter tauchten allerdings nur sporadisch vor Ort auf, um Bußgelder zu verhängen. „Dabei könnte kaum eine Ordnungswidrigkeit in Frankfurt leichter geahndet werden“, meint Folger. Gleichwohl ist zu fragen, wie die drei genannten Plätze als urbane Treffpunkte erhalten bleiben können, ohne den sozialen Frieden zu bedrohen.

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