Goethe braucht eine Augenbinde!
Klassiker blickt auf einen geschundenen Platz

Die hässliche Backsteinmauer, die ein „Kunstwerk“ sein soll, steht immer noch ums Goethe-Denkmal. Und noch immer dient der schlecht einsehbare Bereich zwischen Denkmal und Mauer als Freiluftpissoir, Kippenabwurfzone und Drogenhandelsplatz. An Goethes 262. Geburtstag am 28. August hat seine Geburtsstadt einen Kranz am Sockel angebracht, einen Tag lang stand eine leere Bierflasche neben diesem. Immerhin ist diese – Stand Vormittag 3. September – inzwischen entfernt worden.
Entfernt worden ist auch die grellbunte Graffiti-Wand, die auf dem mausgrauen Rathenau-Platz für einige Spätsommertage etwas Farbe bringen sollte. Offenbar gibt es in der Stadtverwaltung Leute, die sowas für eine urbane Bereicherung jener Steinwüste halten, die dort für viel Geld, aber null Gespür für die Bedürfnisse und den Geschmack der überwältigenden Zahl der Bürger angelegt wurde. Gerüchten zufolge soll es nur einen einzigen Menschen in Frankfurt geben, der die Neugestaltung des Drei-Plätze-Ensembles in bester Innenstadtlage wunderbar findet: ein früherer Lokalchef der Frankfurter Rundschau. Ausgerechnet der ist seit einigen Monaten Berater der Oberbürgermeisterin...
Nachdem die mobile Graffiti-Wand also wieder abgeräumt ist, befinden sich auf dem Pflaster, das mit nicht geringem Finanzaufwand dort in den einstmals von schönen Blumen bepflanzten Boden gehämmert worden ist, unübersehbare Farbspritzer. Sie zeugen von den Graffiti-Freiübungen spontankreativer Zeitgenossen. Es bedarf sicher erheblichen Aufwands, diese Farbreste wieder zu entfernen. Da das nicht sofort geschehen ist, kann mit einiger Sicherheit angenommen werden, dass diese Farbspritzer noch lange Zeit zur "Ausstattung" des geschundenen Platzes gehören werden – vielleicht auch für immer.
Derweil die derzeit verantwortlichen Parteien und Politiker im Römer sich anschicken, Kulturprojekte im dreistelligen Bereich zu realisieren, wird Kulturvergessenheit am und um das Goethe-Denkmal toleriert. Wer erbarmt sich und verbindet dem Frankfurter, der seine Heimat nicht ohne Grund in Weimar fand, endlich die Augen?!