Die Not vieler Menschen im Lockdown

Mephistos Macht und Corona

Die Not vieler Menschen im Lockdown
© Richard Bishop


Eine von Konrad Adenauers Lebensweisheiten war es, nichts Übermenschliches von sich selbst und anderen zu erwarten. Einmal beklagte sich ein Parteifreund heftig über die Unvernunft so vieler Menschen. Adenauer blieb gelassen: „Nehmen Sie die Menschen wie sie sind, andere gibt es nicht.“

Konterkariert wird Adenauers ideologieresistente Weisheit von einem Zitat des englischen Philosophen Julian Huxley, der 1957 in seinem Buch Neuer Wein in neuen Schläuchen schrieb: „Die menschliche Spezies kann, wenn sie es möchte, über sich selbst hinauswachsen – nicht nur sporadisch, ein Einzelner mal so, ein anderer mal so, sondern als Ganzes, als Menschheit. Wir brauchen einen Namen für diesen neuen Glauben. Vielleicht passt Transhumanismus ganz gut: Ein Mensch, der Mensch bleibt, aber seine menschliche Natur überwindet.“

Viele sehen in Covid-19 einen Beschleuniger in eine transhumane Zukunft. So böten sich im Namen der Volksgesundheit angeordnete Ausgehbeschränkungen, Kontaktverbote, Besuchsverbote, Ausgangssperren, geschlossene Kitas, Schulen, Cafés und Restaurants als Katalysatoren für die Menschen an, ihre menschliche Natur als auf körperlichen Austausch angelegte soziale Wesen zu überwinden. Damit könnten neue transhumane Horizonte in der körperlosen Welt der Tech-Giganten Facebook, Amazon, Microsoft, Google und Apple, den neuen Herrscher über die westliche Ökonomie, erschlossen werden.

Doch das funktioniert nicht, da „ein adäquater Körperkontakt Voraussetzung für ein gesundes und befriedigendes Leben und den Zusammenhalt in der sozialen Gemeinschaft ist“, wie die Psychiaterin Iris Hauth meint. Was bedeuten würde, daß der körperlichen Distanzierung in aller Regel die soziale Distanzierung folgt. Statt eines neuen über sich selbst hinauswachsenden Menschen also eher das Zurückgeworfensein auf sich selbst in die Kaste der Kontaktlosen.

„Ich halte es nicht mehr mit mir aus“, sagen viele bindungs- und beziehungsarme Menschen und rufen bei der Evangelischen Telefonseelsorge der Diakonie in Frankfurt an. Dort klingelt es seit Isolation, Quarantäne und Lockdown unaufhörlich. In den vergangenen drei Monaten waren es im Durchschnitt 1000 Anrufe pro Monat. Einsamkeit ist das häufigste Gesprächsthema. Für manche war ein Schwätzchen im Lebensmittelgeschäft schon bislang der einzige soziale Kontakt. Doch auch dieser fehlt nun.

Es sind Depressionsgeplagte, die vermehrt zum Telefonhörer greifen. Schließlich sind Menschen mit Depression deutlich stärker von den Folgen der Corona-Maßnahmen betroffen als die Allgemeinbevölkerung. Laut aktueller Studie der Stiftung Deutsche Depressionshilfe blieben im Lockdown im Frühjahr 2020 depressiv Erkrankte deutlich häufiger tagsüber im Bett als die Allgemeinbevölkerung (48 % versus 21 %). „Menschen in einer Depression sind hoffnungslos und erschöpft. Eine fehlende Tagesstruktur erhöht das Risiko, daß sich Betroffene grübelnd ins Bett zurückziehen. Lange Bettzeiten können die Depression jedoch weiter verstärken. Ein Teufelskreis beginnt“, erläutert der Vorstandsvorsitzende der Stiftung und Inhaber der Senckenberg-Professur an der Goethe-Universität Frankfurt, Prof. Ulrich Hegerl.

Der politisch erzwungene, massive Entzug sozialer Interaktionen bringt – unter negativen psychischen und körperlichen Begleitfolgen – bis zu jeden fünften Deutschen tagsüber ins Bett. Es ist nicht ein Erreger, der sie befällt, in dessen Folge sie sich zurückziehen und die Lust an Geselligkeit, Späßen und Appetit verlieren lässt. Sondern es ist die Folge politischer Maßnahmen, die gesunde Menschen ohne Symptome ein typisches Krankheitsverhalten während eines immunologischen Prozesses annehmen lässt.

„Erinnert ihr euch noch daran, wie es früher war?“, fragt die freie Journalistin Milena Preradovic ihre Zuhörer auf Youtube und gibt selbst die Antwort: „Da waren wir solange gesund, bis wir krank wurden. Danach waren wir wieder gesund.“ Und wie aus einem schlechten Science-Fiction-Film: „Heute ist es anders: Heute entscheiden nicht mehr wir, ob wir gesund sind. Heute entscheiden Politiker und Virologen.“

Wie leicht man auch gebildete Menschen manipulieren kann, zeigt die Szene Auerbachs Keller im ersten Teil von Goethes Faust, wo Mephisto zu Doktor Faust sagt: „Den Teufel spürt das Völkchen nie, selbst wenn er es am Kragen hätte." Sodann demonstriert er seine teuflische Macht an den dort feiernden Verbindungsstudenten, die sich für die geistige Elite der Bevölkerung halten. Binnen weniger Minuten bringt er sie durch vorgegaukelte Trugbilder dazu, daß sie vollständig den Bezug zur Realität verlieren und sich gegenseitig die Nasen abschneiden wollen – im Glauben, es handelte sich um reife Weintrauben.


Claus Folger

Leserkommentare (0)

Um einen Kommentar zu verfassen, loggen Sie sich bitte hier ein.
Falls Sie noch kein Benutzerkonto besitzen, können Sie sich hier registrieren.