Museen unter pädagogisch-politischer Einflussnahme

Das Wesen der klassischen Ausstellung muß erhalten bleiben

Museen unter pädagogisch-politischer Einflussnahme


Museen sind fragile Institutionen. Sie können halbwegs funktionieren oder aber nur durch massive Steuergeld-Subventionen am Leben erhalten werden, wie zum Beispiel das spärlich besuchte "Museum für Weltkulturen", bei dem jede Eintrittskarte mit über 100 Euro bezuschusst wird.

Ein Museum, das hinsichtlich des Besucherinteresses sehr gut funktioniert, ist das Senckenberg Naturmuseum, ein Vorzeigemuseum der Stadt Frankfurt. Nach Vorläufern wurde das Museum 1904-1907 am heutigen Standort erbaut. Auf 6.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche werden rund 10.000 Ausstellungsstücke aus einem Fundus von 40 Millionen Objekten gezeigt. Diese reichen von Dinosaurierskeletten bis hin zu ausgestopften Tiermodellen.

Das Senckenberg Naturmuseum wird in absehbarer Zeit nicht untergehen. Dennoch gilt es auch bei diesem Museum in Zukunft genauer hinzuschauen, daß dessen besonderes Flair nicht Schaden erleidet.

2017 kam es zum umstrittenen Umbau des Gebäudes durch den Architekt Peter Kulka. Die Chance zu einer äußeren Wiederherstellung des im zweiten Weltkrieg beschädigten historischen Ensembles wurde nicht genutzt, stattdessen wurden die alten Gebäude teils modernistisch entstellt.

Nun drohen der altehrwürdigen Einrichtung zudem gewisse Risiken im Inneren durch die moderne Museumspädagogik.


Die negativen Auswirkungen moderner museumspädagogischer Konzepte kann man auf exemplarische Weise beim gerade rekonstruierten Berliner Schloss sehen, dessen Räume nun mit Ausstellungsstücken gefüllt sein wollen. Das dort unter anderem nun einziehende Berliner Stadtmuseum hat nun seine Pforten mit der Ausstellung unter dem Zeitgeisttitel "Berlin Global" geöffnet.

Die Wochenzeitung "Die Zeit" beschreibt das Ausstellungskonzept folgendermaßen: "'Berlin und die Welt' lautet die Parole. Paul Spies, der Direktor des Stadtmuseums, (...) rechnet mit einem jungen, touristischen Publikum, international, wenig museumserfahren. Einen Rundgang durch die Stadtgeschichte will er ihm nicht anbieten, das wäre auch unnötig, den findet der Interessierte schon im Märkischen Museum. Originale werden nur ausnahmsweise gezeigt, das hat mit den heiklen konservatorischen Bedingungen zu tun. Aber Geschichte und deren Zeugnisse, das wäre den Kuratoren auch zu konventionell erschienen. (...) Stattdessen werden neue Ausdrucksformen eingesetzt, viel Videomaterial natürlich. Aber der Besucher soll auch selbst tätig werden. Er bekommt, so er will, ein Chiparmband, mit dem er sich einloggt (gerne mit einem Fantasienamen) und immer wieder abstimmen kann. Denn die Ausstellung soll nicht ein Bildungserlebnis vermitteln, das im Zugewinn an Kenntnissen (und hoffentlich Einsichten) bestünde. Sie soll die Frage nach der 'Haltung ' stellen. Die Mehrzahl der Säle kann man durch zwei Portale betreten, die mit verschiedenen Einstellungen bezeichnet sind: 'Ich sorge mich um die Welt ' / 'Ich kümmere mich um mein Umfeld ' oder 'Ich will eine soziale Stadt ' / 'Ich will eine offene Stadt '. Das sind Beispiele echter Dilemmata, eine Entscheidung ist zu treffen. Welche Entscheidung es ist, registriert das Chiparmband, zuletzt kann man sich bei Rückgabe ein kleines persönliches Sittlichkeitsprofil ausdrucken lassen. Ob die Besucher die Entscheidungssituationen regelmäßig wahrnehmen und darauf bedacht reagieren, muß sich noch zeigen."

Man kann es in einfache Worte fassen. Man geht heute von jungen Besuchern aus, die kaum über historische Bildung verfügen. Statt zu versuchen, diesen eine solche Bildung nahezubringen, steht das Begeistern für die ursprünglich vermittelten Museums-Inhalte für die Verantwortlichen nicht mehr im Vordergrund. Den jungen Besuchern werden vielmehr politische Positionen zum Nachplappern nahegelegt. Als Vermittlung dienen nicht mehr Museumsexponate, sondern Videos, Displays und Chiparmbänder.


Es stellt sich die Frage, worin für junge Besucher der Reiz einer solchen Ausstellung liegen soll? Was sollte sie verleiten, dort hineinzugehen, sofern es nicht vom Lehrer im Rahmen eines Ausflugs verlangt wird? Diejenigen, die täglich mit elektronischen Medien zu tun haben, sich tagtäglich einloggen, finden in den sozialen Netzwerken im Handumdrehen für sie weitaus interessantere Inhalte, als griesgrämige museumspädagogische Belehrungen - etwa zum Kolonialismus oder politischer Korrektheit.

Nun ist vorgenannter Fall in Berlin ein extremes Beispiel, aber bundesweit gibt es Tendenzen, die in eine ähnliche Richtung gehen. Auch im Ledermuseum der Frankfurter Nachbarstadt Offenbach versuchte man sich bereits weg vom Zeigen der Exponate in Schauvitrinen und hin zu Video-Animationen oder der Präsentation weniger Ausstellungsstücke im Rahmen künstlerisch inspirierter Installationen zu bewegen.

Ein wenig erinnert dies an die Kirchen. Dem Verfall des klassischen Interesses bei der von Smartphones eingenommenen Jugend versucht man durch Anpassung an den Zeitgeist entgegen zu wirken. Statt also der Digitalisierung das bewusst haptische Erleben einer Ausstellungsschau entgegen zu setzen, läuft man hier hektisch einer Entwicklung hinterher, die man nicht einholen kann, und man gerät womöglich erst Recht in den Strudel des Verfalls.

Diese Gefahr besteht beim Senckenberg-Museum ebenfalls, das in diesem Jahr - Vorläufer werden mitgezählt - seinen 200. Geburtstag feiert. Museumsdirektorin Brigitte Franzen initiierte dort nun eine Fragebogenaktion zum "Museum von morgen". Das muß erst mal nichts Schlechtes bedeuten, kann aber problematische Folgen haben, sollten dort utopische oder kontraproduktive Auffassungen formuliert und danach womöglich „museumspädagogisch“ umgesetzt werden. Franzen kündigte jedenfalls an, "Freiräume" entstehen lassen zu wollen. Sie sollen als Ort dienen, "an dem man auch einmal innehalten und reflektieren kann". Als ob man dies nicht auch vor jedem Dinosaurier-Modell bereits könnte. Und sehr viel besser als bei irgendwelchen Projekt-Räumen. Im Senckenberg-Museum soll zudem die situative Reaktion auf ausgewählte Themen im Vordergrund stehen, womit auch Projekte des Jugendbeirates erwähnt werden. "Das Museum muß sich verändern, ist in einem ständigen Prozess der Befragung", verkündet Franzen. Woher der Druck zur Veränderung kommt, verrät sie nicht. Dafür aber erklärt sie, daß "flexible" Räume benötigt würden, um das "Nachdenken über die Natur (...)“ in die Öffentlichkeit zu tragen "Es soll ein demokratisches Museum sein. Wir wollen eine Plattform für Diskussionen sein."

Bislang war den Frankfurtern nicht bewusst, daß das bisherige Museumskonzept offenbar einen Mangel an Demokratie aufgewiesen haben könnte. Zudem stellt sich die Frage, wer den Ablauf der künftigen Diskussionen inhaltlich bestimmt und in welche Richtung das "Nachdenken über die Natur" verlaufen könnte.

Das Senckenberg-Museum ist damit sicherlich kein Einzelfall, andere Museen bewegen sich eine ähnliche Richtung. Diese muß nicht per se negativ sein, aber es gilt wachsam zu bleiben, dass aus einer reichhaltigen Museumslandschaft nicht ein Areal hektischer Modetrends und pädagogisch-politischer Einflussnahme wird.


Marlis Lichtjahr

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