Heiligenzwist vor der Liebfrauenkirche

Darf Olaf weiter seine Heiligenbilder verkaufen?

Heiligenzwist vor der Liebfrauenkirche
© Claus Folger


In diesen Tagen ist einiges los vor der Haustür von Bruder Paulus, dem Mönch mit dem großen Herzen für Obdachlose, der im Kapuzinerkloster Liebfrauen lebt. Sein Glaubensbruder „Heiligenbildchen-Olaf“, der seit Juni 2003 in der „Neuen Kräme“ Devotionalien (u.a. Armbänder aus Bosnien von einer armen Familie) verkauft, schnauft durch. Seitdem bekannt wurde, daß er aus der Liebfrauenstraße weg soll, erfährt er viel Zuspruch von den Passanten („kunterbunte Christen“, wie Olaf sagt), die ihn immer wieder ins Gespräch verwickeln, Ratschläge geben und auch Geld spenden.

Einen Stand hat er nicht mehr, seine Lebensgrundlage ist weggebrochen. Wie soll er jetzt noch seine Wohnung im Marbachweg finanzieren, die ihm Bruder Paulus 2016 besorgte? Olaf schildert seinen Weg ins Nichts: „Als Hausmeister der Carolus Buchhandlung durfte ich bis zu deren Schließung 2015 in ihrer Sondernutzungserlaubnis mit drinsitzen. Dann fing der Ärger an. Eisenbahn-Reiner erhielt auf Pressedruck eine schriftliche Erlaubnis, seine Spielzeugeisenbahn dauerhaft hier ausstellen zu dürfen, ich dagegen nur eine mündliche. Vor vier Wochen bekam ich dann die Anzeige der Stadtpolizei.“

Legendenhaft mutet es an, wenn Olaf von seiner „Berufung“ 1998 erzählt. Fast zehn Jahre war er drogensüchtig, bis Jesus die Worte „sei zuverlässig“ zu ihm sprach, als er nach vielen Jahren wieder einmal – allein in seinem Zimmer – betete. Von einem auf den anderen Tag rührte er keine Drogen mehr an und beschloss aus Dankbarkeit, sich für das Evangelium einzusetzen. Zunächst trug er seine aus der Drogensucht resultierenden Schulden ab („Jesus will keinen in seinem Weinberg haben, der so einen Rattenschwanz hinter sich herzieht“), bevor er 2003 seinen Dienst auf der Straße begann.

Ora et labora

Olaf (51) investiert viel für seine Botschaft „Öffnet eure Herzen für Christus“. So steht er montags bis samstags um 2.15 Uhr auf, um bis 5.00 Uhr in der Bibel zu lesen und zu beten. Meistens besucht er noch um 7.00 Uhr die Eucharistiefeier in der Liebfrauenkirche, anschließend „geht er raus an die Arbeit“. Auch sonntags ist er vor den Hühnern wach, um von 4.00 Uhr an seine Gebete zu halten. „Ich lebe wie Bruder Paulus nach einem gewissen Ordensleben, nur anders und ohne Kutte.“

Trotzdem ist nicht nur Eisenbahn-Reiner sondern auch er seinem großen Glaubensbruder ein Dorn im Auge: „Liebe braucht Ordnung. In der Stadt Frankfurt haben wir eine öffentliche Ordnung, die auch für die beiden gilt.“ Olaf arbeitet allerdings auf seine Weise für die Schöpfungsordnung mit. So hielt er die Umgebung seines Standes immer sauber, fegte die Kippen weg und entsorgte den herumrumliegenden Abfall, auch wenn es nicht seiner war. „Wenn wir beim lieben Gott sind, wird er uns fragen: ‚Hast du auch mitgeholfen, daß der Müll auf der Erde ein bisschen weniger wurde?‘“

Hier hakt Mathias Mund ein: „Im Gegensatz zu Heiligenbildchen-Olaf ist Eisenbahn-Reiner ein Messi, der sich nicht an die Auflagen hält.“ Der Fraktionschef von BFF-BIG hinterfragt daher die vor dreieinhalb Jahren für den Obdachlosen Reiner Schaad erteilte Sondernutzungserlaubnis, seine Modelleisenbahn unmittelbar vor dem Eingang zum Innenhof des Liebfrauenklosters präsentieren zu dürfen. Auch sieht er einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da Olaf seine Devotionalien nach der Anzeige der Stadtpolizei jetzt nicht mehr auslegen dürfe.

Mittlerweile könnte sich aber eine Lösung für den überzeugten Christen Olaf Wand abzeichnen, der nicht nur nach Auffassung der BFF-BIG-Fraktion, sondern auch nach allgemeinen Dafürhalten vieler Bürger, längst zum Frankfurter Stadtbild gehört. Das Ordnungsamt deutete am vergangenen Donnerstag gegenüber der Presse eine mobile Lösung an. Olaf wäre mit einer Art Handwagen sehr zufrieden, da er aufgrund einer schweren Knieverletzung keinen klassischen Bauchladen betreiben kann, wie ihn die Regularien verlangen. Mathias Mund (BFF-BIG) drängt daher auf eine wasserdichte verwaltungsrechtliche Genehmigung, da nur eine solche die von Olaf benötigte Rechtssicherheit bietet und ihn damit vor weiteren Anzeigen der Stadtpolizei schützt.

„Heiligenbildchen-Olaf“ fühlt sich wohl in unmittelbarer Nähe zur Liebfrauenkirche, die sich laut wikipedia nicht nur aufgrund der außergewöhnlich langen Öffnungszeiten zu einem spirituellen Zentrum im Rhein-Main-Gebiet entwickelt hat: „Ich habe den Ruf Gottes in mir, in der Liebfrauenstraße in Frankfurt zu sein.“ Bruder Paulus – der im öffentlichen Raum mitunter wie ein Hausherr auftritt – sähe ihn allerdings lieber als fahrenden Händler, der an verschiedenen Stellen der Stadt regulär mit Gewerbeschein und ohne Sondernutzungserlaubnis seine Waren feilbietet.


Claus Folger

Leserkommentare (0)

Um einen Kommentar zu verfassen, loggen Sie sich bitte hier ein.
Falls Sie noch kein Benutzerkonto besitzen, können Sie sich hier registrieren.