„Josef-Stadt“ oder ökologische Glaubwürdigkeit

Neue Römer-Koalition wird sich entscheiden müssen

„Josef-Stadt“ oder ökologische Glaubwürdigkeit

Hübners Frankfurter Woche – Folge 21

Die planerischen Vorarbeiten für den projektierten neuen großen Stadtteil im Nordwesten Frankfurts werden weiter vorangetrieben. Südlich der Autobahntrasse A5 sollen in einem sogenannten „Stadtteil der Quartiere“ viele tausende Wohnungen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen entstehen. Damit soll zum einen der Mangel an Wohnraum gemildert, zum anderen Vorsorge für künftigen Wohnraumbedarf getroffen werden. Hauptbetreiber des Projekts ist Planungsdezernent Josef (SPD) mit Unterstützung seines Parteifreunds Oberbürgermeister Feldmann. Deshalb wird das Projekt auch schon mal als „Josef-Stadt“ bezeichnet.

In der neuen Koalition im Römer ist die SPD jedoch nur der zweitstärkste Partner hinter den grünen Wahlsiegern. Das ist deshalb so bedeutungsvoll, weil es gerade die Grünen waren, die das durchaus plausible, planerisch schon weit ausformulierte neue Wohnraumprojekt „Günthersburghöfe“ in ihrer Hochburg im Stadtteil Nordend zu Fall gebracht bzw. erheblich gestutzt haben. Das wurde mit ökologischen Argumenten begründet. Es sei an dieser Stelle dahingestellt, wie überzeugend diese Argumente wirklich waren.

Tatsache ist jedoch, daß es nicht glaubwürdig ist, an einer Stelle der Stadt gegen Verdichtung, Versiegelung von Grünflächen und Belastung des Mikroklimas zu sein, an anderer Stelle aber grünes Licht für ein Riesenprojekt zu geben, das wertvolle Ackerflächen vernichtet, Frischluftschneisen blockiert, dicht an einer der meistfrequentierten Autobahnen Deutschlands liegt und unlösbare zusätzlich Verkehrsprobleme erzeugen wird. Trotzdem haben die Grünen schon in der früheren Koalition mit CDU und SPD erkennen lassen, die „Josef-Stadt“ zu akzeptieren. Damals waren sie allerdings in der Stadtregierung nur der kleinste Partner.

Das hat sich nun vollkommen geändert. Als die führende Kraft in der neuen Koalition können sie sich nicht hinter anderen Parteien verstecken. Sondern sie werden erklären müssen, warum im Nordwesten Frankfurts im großen Maßstab etwas ermöglich werden soll, was im wesentlich kleineren Maßstab in ihrer Hochburg Nordend unbedingt verhindert werden musste. Und der gesamte neue Magistrat aus Grünen, SPD, FDP und Volt wird zu begründen haben, für wen eigentlich die Stadt so massiv erweitert werden soll: Junge, meist deutsche Familien verlassen jedenfalls derzeit Frankfurt in Richtung Umland nicht nur, aber auch wegen der unbezahlbaren Preise für Wohneigentum oder Mieten.

Das ist sozial bedauerlich und nachteilig für Frankfurt. Ökologisch aber hat es eine Entlastung der weiteren Verdichtung der Stadt zur Folge. Und wer die Prognosen über den Klimawandel ernst nimmt, was bei den Grünen vorausgesetzt werden sollte, kann diese Entwicklung nicht nur als negativ betrachten. Falls die neue führende politische Kraft im Römer trotzdem die „Josef-Stadt“ befürworten sollte, hat sie nicht nur ein großes Glaubwürdigkeitsproblem: Sie muß dann auch sagen, für welche Bevölkerungskreise der neue Stadtteil gedacht ist.

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