Frankfurt ist die Hauptstadt der Stromfresser

Widerspruch zwischen Klimaschutz und Steuerquelle

Frankfurt ist die Hauptstadt der Stromfresser

Hübners Frankfurter Woche – Folge 23

Berlin ist die politische Hauptstadt, in München wird am liebsten gewohnt, Görlitz und Bamberg sind wohl die schönsten Städte in Deutschland. Aber Frankfurt am Main ist nicht nur Sitz der Europäischen Zentralbank, sondern, was weit weniger bekannt ist, auch Standort des Internetknotens DE-CIX, der gemessen am Datendurchsatz zu den größten der Welt gehört. Und unsere Stadt ist in Deutschland zudem konkurrenzloser Spitzenreiter als Heimat von immer mehr gigantischen Rechenzentren, die die Digitalisierung in allen Bereichen überhaupt erst möglich machen. Für die Steuereinnahmen Frankfurts ist das ein Segen, denn aus diesen Einnahmen wird kein geringer Teil der sozialen und kulturellen Leistungen der Stadt bestritten.

Doch da es wenig Vorteilhaftes auf dieser Welt ohne entsprechend Nachteiliges gibt, hat auch die Freude an den Rechenzentren eine nicht zu ignorierende Schattenseite: Diese Schaltstellen des modernen Daseins verbrauchen ungeheuerliche Mengen an Strom und produzieren in hohem Maße Abwärme. In dem in Frankfurt offiziell besonders eifrig betriebenen Kampf gegen den vermuteten Klimawandel ist das ein ebenso hässlicher wie nicht zu beseitigender Störfaktor. Dabei hat die neue Koalition im Römer aus Grünen, SPD, FDU und (wie beziehungsreich!) Volt das gar nicht zu ferne Jahr 2035 als Zielmarke für eine städtische „Klimaneutralität“ ins politische Auge gefasst.

Nach Angaben des Magistrats lag der Stromverbrauch der bereits existierenden Rechenzentren in Frankfurt bei 1.600 Gigawattstunden. Das sind ungefähr 10 Prozent der CO2-Emissionen der gesamten Stadt! Und das sind 60 Prozent mehr als der Energieverbrauch der gut 400.000 Frankfurter Haushalte betrug. Doch dabei wird es nicht bleiben, denn es sind bereits weitere Rechenzentren in Entstehung oder geplant. Die Branche boomt, auch und nicht zuletzt deshalb, weil all diejenigen, die für weitreichende Maßnahmen gegen den vermuteten Klimawandel agitieren und demonstrieren, wie zum Beispiel „Fridays for Future“, keineswegs dazu bereit sind, ihre Smartphones oder Computer weniger zu benutzen oder gar ganz darauf zu verzichten.

Deswegen hat auch noch keine der vielen Frankfurter Klima-Demonstrationen vor den Standort eines der Rechenzentren im Stadtgebiet geführt. Gleichwohl betonen die Betreiber, die ökologische Bilanz ihrer Unternehmer zu verbessern. Schließlich produzieren Rechenzentren genug Abwärme, um theoretisch ganze Wohnquartiere damit beheizen zu können. Doch die technischen und baurechtlichen Hürden dafür sind zu hoch, um davon in einem nennenswerten Maße profitieren zu können. Und niemand weiß, ob es eine dieser Anlagen in fünf oder zehn Jahren am gleichen Ort und mit der gleichen Lieferkapazität wie Liefersicherheit von Abwärme noch geben wird.

Die verantwortlichen Politiker im Römer sind sich dieser Problematik durchaus bewusst. Aber die bedeutenden Steuererträge aus dem hochprofitablen Betrieb von Rechenzentren locken offenbar mehr als ökologische Prinzipientreue und Maßnahmen zum Klimaschutz.

Ein aktueller Magistratsbericht zur kritischen Anfrage eines Ortsbeirats zeigt erneut, wie wenig baurechtlich und energietechnisch die Stadt bei der Ansiedlung von Rechenzentren ausrichten kann. Die Stellungnahme kann allerdings den Verdacht nicht ausräumen, daß diese Beschränkungen dem Magistrat gar nicht so unlieb sind. Denn auch unter grüner Führung der Stadtregierung sollen möglichst hohe Einnahmen in den städtischen Haushalt fließen. Der Widerspruch zwischen klimapolitischen Beschwörungen und realem Handeln ist auch hier nicht zu übersehen. Mehr Ehrlichkeit bei diesem Thema wäre angebracht.


Wolfgang Hübner


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