Der Irrtum der Frankfurter Museumslobby: Größere Häuser und viele Millionen = mehr Kultur

Kommunalwahl wird künftige Kulturpolitik mitentscheiden

Der Irrtum der Frankfurter Museumslobby: Größere Häuser und viele Millionen = mehr Kultur
© Rainer Sturm - pixelio.de

Kaum haben sich die - nach wie vor defizitären - städtischen Einnahmen wieder etwas erholt, schon meldet die politisch bestens vernetzte und unterstützte Frankfurter Museums- und Kulturlobby beträchtliche Ansprüche an: Verdoppelung der Kosten für den Neubau des Historischen Museums, ein zweites Volkstheater für Michael Quast in Sachsenhausen, Umbau von Film- und Architekturmuseum, Ausbau des Jüdischen Museums, Generalsanierung des gerade einmal 25 Jahre alten Museums für angewandte Kunst sowie der gewiss 70 bis 100 Millionen teure Neubau des besucherschwachen Museums der Weltkulturen. Einige dieser Projekte sind bereits beschlossen, andere sollen kurz nach der Kommunalwahl von einer dazu bereiten politischen Mehrheit ermöglicht werden.

Ob es diese Mehrheit geben wird, das muss bei der Wahl im März nun von den Wählerinnen und Wähler entschieden werden. Bei dieser Entscheidung geht es um riesige Beträge an Steuergeldern: Entweder für die ehrgeizigen Expansionspläne einer Kulturlobby, deren Fürsprecher  in sehr vielen Fällen übrigens auch ganz persönlich davon profitieren würden. Oder aber dafür, in Bereichen von Erziehung, Bildung, Integration, Seniorenbetreuung, Verkehr, Umwelt usw. notwendige und in vielen Fällen längst überfällige zusätzliche Investitionen vorzunehmen. Auf jeden Fall kann das Geld der Stadt, also das Geld der Bürger, nur einmal ausgegeben werden.

Die Kulturlobby reagiert stets äußerst gereizt, wenn auf die Kosten ihrer zahllosen Projekte hingewiesen wird. Und wenn gar angeführt wird, das der Stadt zur Verfügung stehende Geld könnte auch für Bereiche ausgegeben werden, die vielen Menschen nutzen, die selten oder nie ins Museum oder die Oper gehen, dann ist nach aller Erfahrung seitens der Kulturlobby mit Polemik ("Kulturbanausen") und dem bekannten Hinweis zu rechnen, die sogenannten "weichen Standortfaktoren" würden doch immer wichtiger. Beide Argumentationslinien der Kulturlobby erweisen sich aber bei näherer Betrachtung als nicht überzeugend: Wenn die Zahl und Größe der Museen und Kulturinstitutionen Gradmesser von Frankfurts kultureller Substanz wäre, dann allerdings müsste man nur weiter tüchtig gründen, investieren und bauen.

Doch die kulturelle Substanz einer Stadt (oder einer Nation) ist stets nur so groß, wie die kulturelle Substanz seiner Bewohner entwickelt ist. Es gibt sehr gute Argumente dafür, dass die kulturelle Substanz der Frankfurter Gesamtbevölkerung vor 1933 höher war als 2011. Auch der Vergleich zwischen 1965, als es noch kein Museumsufer und viele andere Kulturinstitutionen gab, und 2011 müsste keineswegs sicher zugunsten des jüngeren Datums ausgehen. Das hat sehr viel nicht nur mit kultureller Bildung von Menschen, sondern auch mit der Bevölkerungsstruktur zu tun, die in Frankfurt alles andere als auf eine Wiedergeburt des schwindenden Bildungsbürgertums hindeutet.

Was das Argument mit dem "weichen  Standortfaktor" betrifft, hat noch niemand schlüssig nachgewiesen, dass ein japanischer oder französischer Banker gerade oder gar nur deshalb nach Frankfurt gekommen ist, von türkischen Ladenbesitzern und marokkanischen Müllmännern ganz zu schweigen. Und innerdeutscher Zuzug nach Frankfurt findet in aller Regel wegen der besseren Arbeitsplatzsituation statt, er scheitert in aller Regel auch nicht an der fehlenden Ausstellungsfläche für das Museum der Weltkulturen. Es ist zu hoffen, dass die Wähler am 27. März mehr Realitätssinn zeigen als die derzeit in Goldgräberstimmung befindliche Museums- und Kulturlobby samt politischen Unterstützern. Soviel steht fest: Der kulturellen Substanz Frankfurts würde das keineswegs schaden.

PRESSEMITTEILUNG 8/2011

Frankfurt/Main, 23. Januar 2011

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