Eine grüne Provokation: Diallo statt Miquel!

Verdienstvoller Oberbürgermeister soll aus dem Gedächtnis

Eine grüne Provokation: Diallo statt Miquel!

Hübners Frankfurter Woche – Folge 34

Straßenbenennungen nach früheren, in der Regel bereits verstorbenen Politikern sind selten ohne Risiko. Denn das Urteil der Nachwelt über die so geehrten Personen kann sich im Laufe der Jahrzehnte ändern, auch in negativer Hinsicht. Doch mit dem jeweiligen Zeitgeist konforme Umbenennungen von Straßen oder Plätzen sind heikle und zudem finanziell und bürokratisch aufwendige Aktionen, die deshalb nur in ganz wenigen Fällen gerechtfertigt sein dürften. Ganz gewiss würde nicht die Umbenennung der Miquelallee dazu zählen. Denn ihr Namensgeber war ein Jahrzehnt lang, von 1880 bis 1890, ein sehr verdienstvoller Oberbürgermeister von Frankfurt. Auf dem Hauptfriedhof hat Johannes von Miquel, der 1901 starb, ein Ehrengrab.

Es blieb, wem auch sonst, den Frankfurter Grünen in Person ihres stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Römer, Emre Telyakar, vorbehalten, die Forderung zu verbreiten, die Allee künftig nicht mehr nach Miquel, sondern nach dem verstorbenen ehemaligen Grünenpolitiker und kurzzeitigen Integrationsdezernenten Jean-Claude Diallo zu benennen. Das Echo auf diesen provokativen Vorschlag ist zwar negativ. Aber das sollte niemanden beruhigen: Die Grünen wollen ihr besonderes Weltbild als derzeit stärkste politische Kraft im Römer langfristig durchsetzen, taktische Rückzüge ändern daran nichts. Miquel, so argumentieren sie, sei einer der Gründer des „Deutschen Kolonialvereins“ gewesen.

Man möchte sagen: Na und? Welche bedeutenden Politiker in Deutschland und Europa waren in der damaligen Zeit nicht direkt oder indirekt in den Kolonialismus verwickelt? Sollen all diese Gestalten nachträglich als erinnerungsunwürdig gebrandmarkt werden, bliebe gerade in den großen Kolonialnationen England, Frankreich, Spanien, Portugal oder den Niederlanden kaum einer mehr übrig, mit dessen Namen eine Straße geschmückt werden könnte. Was der erst 27-jährige Herr Telyakar da vorschlägt, ist nichts weniger als der grünverblendete Ruf nach einer radikalen Vergangenheitsverleugnung. Zu dieser besteht im Fall von Johannes von Miquel jedoch nicht der geringste Anlass.

Miquels Sparsamkeit ist keine grüne Tugend

Es mag an der Herkunft des grünen Kommunalpolitikers aus dem ehemaligen osmanischen Kolonialreich liegen, daß er nicht weiß, vielleicht auch nicht wissen will, welch große Bedeutung Oberbürgermeister Miquel für die Modernisierung der Stadt Frankfurt gehabt hat. Leider wissen auch viele heutige Frankfurter nicht mehr, wer sich seinerzeit für Armenfürsorge ebenso wie für die Errichtung des prächtigen Hauptbahnhofs oder sozialen Wohnungsbau erfolgreich eingesetzt hat. Und noch weniger dürfte der Kulturkämpfer Telyakar darüber wissen, wie entscheidend der spätere preußische Finanzminister das Steuerwesen in Deutschland bis heute mitgeprägt hat.

Es mag aber sein, daß den Grünen irgendwie zu Ohren gekommen ist, wie sparsam der ehemalige Revolutionär von 1848/49 mit den öffentlichen Geldern umging. Zwar ist solche Sparsamkeit inzwischen auch in den sogenannten „bürgerlichen“ Parteien nicht mehr gut angesehen – bei den Grünen war und ist sie es noch nie, sondern geradezu verschrien. Kurzum: Die Stadt Frankfurt und die Frankfurter haben die allerbesten Gründe, nicht am Namen der Miquelallee rütteln zu lassen. Und der Verfasser dieses Textes hegt größte Zweifel, ob irgendwer im 22. Jahrhundert mit guter Begründung eine Straße nach Emre Telyakar benennen oder gar umbenennen möchte.


Wolfgang Hübner

Leserkommentare (0)

Um einen Kommentar zu verfassen, loggen Sie sich bitte hier ein.
Falls Sie noch kein Benutzerkonto besitzen, können Sie sich hier registrieren.