Intoleranz: Ein größeres Problem als Feldmann

Aufschlussreiche Turbulenzen um den Börne-Preis

Intoleranz: Ein größeres Problem als Feldmann

Hübners Frankfurter Woche – Folge 43

Was soll unsereiner noch zum Fall Peter Feldmann schreiben? Da mir zu dieser leidigen Personalie nach den letzten Grotesken dieses peinlichen Amtsverteidigers nichts mehr einfällt, lass ich es lieber. Zumal es noch andere Frankfurter Themen gibt, die näherer Betrachtung würdiger sind. Zum Beispiel die diesjährige Verleihung des mit 20.000 Euro dotierten Ludwig-Börne-Preises an Eric Gujer, den Schweizer Publizisten und Chefredakteur der hochangesehenen „Neuen Zürcher Zeitung“. Gujer ist bekannt für seine sehr kritische Sicht der politischen Verhältnisse in Deutschland.

Zum Preisträger bestimmt wurde Gujer von dem niederländischen Schriftsteller Leon de Winter. Dieser wiederum wurde ohne Gegenstimmen vom Vorstand der Ludwig-Börne-Stiftung dazu ermächtigt, den diesjährigen Preisträger zu benennen. Dem Vorstand der Stiftung gehört kraft ihres Amtes auch die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig an. Frau Hartwig blieb allerdings der Preisverleihung am 22. Mai 2022 in der Frankfurter Paulskirche aus Protest gegen die Entscheidung Leon de Winters für Eric Gujer fern. Die SPD-Politikerin ließ dazu verlauten, Gujer stehe für einen in ihrem Verständnis nationalkonservativen Diskurs und damit nicht in der Tradition der demokratischen Verständigung Ludwig Börnes.

Was auch immer Frau Hartwig unter der richtigen demokratischen Verständigung im Geiste des jüdischen Schriftstellers Ludwig Börne verstehen mag oder will: Toleranz für Andersdenkende und Andersschreibende sollten auch für die ehemalige Journalistin der linken „Frankfurter Rundschau“ eigentlich eine fundamentaldemokratische Selbstverständlichkeit sein. In den langen Jahren meiner Tätigkeit als Stadtverordneter im Römer habe ich an vielen Veranstaltungen teilgenommen, bei denen ich erhebliche Differenzen mit den Rednern oder Preisträgern verschiedenster Auszeichnungen hatte. Ich bin aber stets sitzengeblieben und habe mir deren Vorträge höflich angehört.

Ganz anders haben einige grüne Stadtpolitikerinnen währen der Preisverleihung an Gujer reagiert. Als der streitbare Leon de Winter, wie Börne ein Jude, in seiner Laudatio einiges sagte, was die stets hypersensiblen Empfindungen von einigen Grünen und Linken verletzte, verließen diese den Saal. Das wäre weiterer Erwähnung kaum wert, würde es doch nicht eine in Frankfurt leider weit verbreitete Intoleranz gegen alles dokumentieren, was gegen die faktische Diktatur einer angemaßten „Politischen Korrektheit“ der selbsternannten „Zivilgesellschaft“, also einer tonangebenden städtischen Minderheit, verstößt.

Einen unwürdigen Oberbürgermeister wie Feldmann wird sich Frankfurt demnächst gewiss vom Hals schaffen können. Die politische und geistige Intoleranz, an der er übrigens seinen nicht geringen Anteil hatte und hat, ist hingegen ein Übel, das weiter wuchert und sich frecher Weise selbst als „Frankfurter Toleranz und Liberalität“ anpreist. Die Turbulenzen um den Börne-Preis haben diese verlogenen Zustände wieder einmal grell beleuchtet.
 

Wolfgang Hübner

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