Die „Kultur“ versagt schon wieder
Energienot bedroht auch Theater und Museen

Hübners Frankfurter Woche – Folge 54
Seit dem 1. September wird die Fassade der Alten Oper, Frankfurts schönstem Bauwerk, abends nicht mehr beleuchtet. In der kommenden langen dunklen Jahreszeit ist das zweifellos ein Attraktivitätsverlust für die Stadt. Begründet wird die Maßnahme mit der befürchteten Energienot sowie den horrend ansteigenden Preisen für Strom und Gas. Diese Sorgen teilt die Alte Oper mit fast allen Kultureinrichtungen der Stadt, ob Theater oder Museen. Nirgendwo gibt es finanzielle Reserven für vielfach höhere Kosten des angemessenen Unterhalts für die Institutionen: Aber schließlich brauchen dort sowohl die Künstler, die wertvollen Werke wie die Besucher annehmbare Bedingungen.
Museen und Theater gehören zu den Stätten mit besonders hohem Energieverbrauch. Niemand will frieren im Parkett. Bilder und andere Ausstellungsexponate reagieren hochempfindlich, wenn sie unsachgemäßen Bedingungen ausgesetzt werden. Deshalb hört es sich wie Hohn an, wenn die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur, Claudia Roth (Grüne), Theater und Museen zu einer „Vorbildfunktion“ im Energiesparen auffordert. Schließlich gehört Roth genau der Partei an, die ganz entscheidenden Anteil sowohl an der fragwürdigen „Energiewende“ wie auch den selbstzerstörerischen Sanktionen gegen Russland hat.
In einem Pressebericht war vor zwei Tagen zu lesen, daß der Direktor eines Kulturinstituts Roths Aufruf als „wohlfeil“ kritisiert hat: „Seit Jahren sparen wir Energie ein. Ein Limit war schon vor dem Ukraine-Krieg erreicht.“ Doch mit Namen will der Direktor nicht genannt werden. Diese Ängstlichkeit, die auch als Feigheit bezeichnet werden kann, ist leider ganz typisch für den gesamten hochsubventionierten Kulturbetrieb in Frankfurt wie in Deutschland. Dabei wäre es doch die klassische Pflicht gerade der Kultur- und Kunstschaffenden, sich offen kritisch gegen Zumutungen der Politik zu wehren.
Doch schon in der Corona-Krise, für den gesamten Kulturbetrieb verbunden mit extrem negativen Konsequenzen, die noch immer Folgen wie Besucherschwund zeitigen, hatten die verantwortlichen Leiter von Theatern, Opern, Konzerthäusern und Museen nahezu widerstandslos vor den politisch verfügten Auflagen gekuscht. In dieser Zeit ist auch sehr deutlich geworden, was die Phrasen von der „unverzichtbaren Bedeutung“ der Kultur oder der „Kulturnation Deutschland“ wirklich wert sind, nämlich sehr wenig bis nichts.
Es wäre in der jetzigen Situation die Aufgabe von Künstlern und Tätigen im Kulturbetrieb zu fragen und öffentlich zu diskutieren, warum es eigentlich eine Energienot gibt, obwohl Deutschland von keinerlei Naturkatastrophe heimgesucht wurde oder wird. Noch ist es ja warm genug, um darüber gemeinsam ohne kalte Füße zu streiten.
Wolfgang Hübner