Einzelhändler gegen grüne Ideologen
IHK-Vertreter fällt Kollegen in den Rücken

Hübners Frankfurter Woche – Folge 60
Frankfurt ist seit der Kommunalwahl im März 2021 gewiss nicht schöner oder attraktiver geworden, aber deutlich röter. Das war in dieser Woche einer Frankfurter Tageszeitung einen langen Jubelbericht über die segensreiche Bevorzugung der Radmobilität im Stadtverkehr wert. Dass dieser Bericht von einer den Grünen sehr nahestehenden Journalistin verfasst wurde, spricht übrigens nicht für diese Zeitung. Es ist jedoch eine Tatsache: Mit den breiten roten Streifen auf vielen Straßen, die nur für den Radverkehr vorbehalten sind, ist diese Form der Mobilität deutlich erleichtert worden. Das erkennt auch der Verfasser dieses Textes an, seit Kindheitstagen fleißiger Radfahrer in Frankfurt.
Doch wo Licht ist, fällt auch Schatten auf die Bilanz. Denn für unzählige Autofahrer in der Pendlerstadt Frankfurt ist das Leben noch mühsamer geworden – man unterhalte sich nur mal mit Taxifahrern. Und schwieriger ist es auch für Einzelhändler geworden, die wegen der politisch gewollten Verdrängung des Autoverkehrs wie zum Beispiel im Oederweg der grünen Hochburg Nordend empfindliche Umsatzeinbußen zu beklagen haben. Nun gibt es Pläne der von den Grünen dominierten Stadtregierung, auch in der Ladenstruktur noch halbwegs intakte Einkaufsstraßen wie die Berger, Leipziger und Schweizer Straße zu „fahrradfreundlichen“ Straßen umzubauen. Das wird die vorwiegend grünwählende Fahrradlobby gewiss erfreuen, verärgert jedoch die Einzelhändler dort.
Deshalb hat der Dachverband der Frankfurter Gewerbevereine nun einen fünfseitigen offenen Brief an Magistrat, Stadtverordnete und Ortsbeiräte geschrieben, in dem er fordert, „von den geplanten Maßnahmen vorerst abzusehen“. Der Dachverband weist in dem Brief auf die Bedeutung der drei Einkaufsstraßen als „das Herz funktionierender Stadtteile“ sowie auf die dramatischen Folgen der Corona-Lockdowns hin und schreibt: „Wir, insbesondere Händler und Gastronomen, kämpfen seit zwei Jahren ums Überleben. Unsere finanziellen Reserven sind aufgebraucht.“ Ob solche Argumente das Gehör hartgesottener grüner Ideologen im Römer finden, kann mit Fug bezweifelt werden.
Dass aber der Vorsitzende des Einzelhandels-Ausschusses bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) seinen in ihrer Existenz bedrohten Kollegen in den Rücken fällt, ist skandalös: Joachim Stoll, so heißt er, weist laut einem Zeitungsbericht besänftigend darauf hin, im Land herrsche „die schlechteste Konsumstimmung, die der Handelsverband jemals gemessen habe“. Was eigentlich nur ein weiteres Argument dafür ist, die Einkaufssituation nicht noch zusätzlich zu verschlechtern. Doch Stoll wird noch toller: „Der letzte Sommer hat deutlich gemacht: Wir brauchen mehr Grün in der Stadt, mehr Wasser und weniger stehenden Verkehr… Es ist gut, daß es endlich Pläne für eine andere Mobilität gibt“.
Diese törichten Äußerungen eines fehlgeleiteten „Interessenvertreters“ der Händler spielen natürlich nur denen in Hände, die Autos für Feinde halten und sich doch jede Woche ökologisch bedenkenlos einige Pakete aus dem Online-Handel mit Lieferautos vor die Wohnungstür bringen lassen. Dem Dachverband der Frankfurter Gewerbevereine kann nur dringend geraten werden, sich von Leuten wie Stoll zu distanzieren.
Wolfgang Hübner