Weihnachten sind viele Frankfurter allein
Ein-Personen-Haushalte am häufigsten

Hübners Frankfurter Woche – Folge 67
Auch in der immer weniger christlich geprägten Großstadt Frankfurt ist Weihnachten noch das größte Familienfest. Besonders dort, wo es Kinder gibt, ist die Vorfreude auf die traditionelle Bescherung unter dem geschmückten Tannenbaum weiter Realität. Doch unter der Frankfurter Bevölkerung sind Familien mit Kindern längst eine Minderheit. Denn von den 415.000 Haushalten der Stadt bestehen nur 44.000 aus drei und nur 49.000 aus vier oder mehr Personen. Hingegen lebt in 221.000 Haushalten nur eine einzige Person. Damit dominieren Alleinlebende deutlich die Bevölkerungsstruktur.
Selbstverständlich leiden nicht alle Menschen in Ein-Personen-Haushalten unter Einsamkeit. Immerhin waren zum Stichtag am 30. Juni des ablaufenden Jahres 32 Prozent dieser Gruppe bis zu 34 Jahre alt, weiblich und männlich fast gleich viel vertreten. Da können sich noch etliche Menschen zusammenfinden und demnächst wenigstens zu den jetzt existierenden 102.000 Zwei-Personen-Haushalte hinzukommen. Und nicht wenige der Alleinlebenden in Frankfurt werden über Weihnachten zu ihren Familien irgendwo in Deutschland oder auch im Ausland reisen, um gemeinsam die Festtage zu verbringen.
Doch nicht alle Menschen in den Ein-Personen-Haushalten können oder wollen das. Für manche von ihnen ist Weihnachten eine seelische Belastung, denn das Alleinsein ist in den kommenden Tagen von Heilig Abend am Samstag bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag am Montag spürbarer und vielleicht auch quälender. Für diese Mitmenschen ist die Vereinzelung, die in den westlichen Gesellschaften zum Massenphänomen geworden ist, nicht nur ein Gewinn an individueller Autonomie, sondern auch ein Verlust an Gemeinschaft und Gemeinsamkeit. Besonders an Weihnachten zahlen viele einsame oder vereinsamte Frankfurter einen Preis für jene „Moderne“, deren Nachteile nicht geleugnet werden sollten.
Es ist deshalb umso besser, daß sich in manchen Häusern oder Lokalitäten Alleinlebende am Heiligen Abend zusammenfinden, um eben nicht allein zu sein. Oder Familien einsame Alte zu einigen gemeinsamen Stunden einladen. Diese Aufgabe kann weder der Staat noch die Stadt Frankfurt übernehmen. Denn das ist die Aufgabe, die auch aus der christlichen Weihnachtsgeschichte folgt: Einen Ort zu finden, an dem auch ein Kind geboren werden kann. Unter den jetzigen Umständen reicht schon ein Ort, um Weihnachten nicht ganz allein zu sein.
Wolfgang Hübner