Der Prozess Arid Uka: Tag 1 (2. Teil)

2. Teil / Die Tränen

Der Prozess Arid Uka: Tag 1  (2. Teil)

Vorwort:

In Frankfurt am Main findet seit dem 31. August der Prozess gegen den jungen muslimischen Flughafenattenäter statt, der aus religiös-politischen Motiven Anfang des Jahres zwei US-Soldaten getötet und zwei weitere lebensgefährlich verletzt hat. Die Tat und der Prozess sind von erheblicher Bedeutung für die Diskussion, ob der Islam zu Deutschland gehört und welche Folgen das haben kann.
 
Von besonderer Bedeutung für die FREIEN WÄHLER in Frankfurt ist, dass die Tat ausgerechnet in der Stadt geschah, in der wenige Monate zuvor das gesellschaftspolitische Ziel der Integration von Einwanderern aufgegeben wurde zugunsten eines "Vielfalt"-Konzepts, in dem die Integration von Muslimen und die damit verbundenen Probleme faktisch geleugnet wird.

Die offizielle Reaktion auf die Bluttat bei Frankfurter Politikern und Parteien, aber auch der meisten Medien war dann große Verlegenheit, gezieltes Herunterspielen des ungeheuerlichen Vorfalls und die Suche nach individualpsychologischen Erklärungen für das Handeln des Mörders, der in Frankfurt aufwuchs und sozialisiert wurde. Angeregt von meinem Vorschlag, verfolgt der Sozialwissenschaftler G. Andreas Kämmerer nun den Prozessverlauf und wird über alle Stationen Berichte und Analysen abgeben.

Für die Richtigkeit und Tendenz seiner mit Autorenrechten geschützten Texte zeichnet G. Andreas Kämmerer mit Namen verantwortlich. Seine Texte über den Prozessverlauf erscheinen auf dieser Seite ohne Kürzungen und inhaltliche Eingriffe oder Veränderungen. An der herausragenden sprachlichen und analytischen Qualität der Texte gibt es aus meiner Sicht keinen Zweifel. Doch die Leser mögen sich selbst ein Urteil bilden, für Reaktionen aller Art sind wir dankbar.

Wolfgang Hübner, Stadtverordneter
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4. Fragen an Arid Uka

Nach der Erklärung von Arid Uka wird dieser vom Vorsitzenden Richter befragt. Die Fehlzeiten in der Schule machen den Richter nachdenklich. Arid Uka gibt jedoch keine Antwort. Auch auf die Vorhaltung, keinen Psychologen oder Arzt aufgesucht zu haben, obwohl eine Lehrkraft in der Schule bei ihm eine Depression als Erkrankung vermutet hatte, kann Arid Uka nicht schlüssig antworten: er habe sich nicht getraut, zu einem Arzt zu gehen, ist seine wenig befriedigende Antwort. Ebenfalls ohne Erklärung bleiben sein Verschweigen des Sitzenbleibens in der 12 Klasse gegenüber den Eltern und die Tatsache, dass er sein Zeugnis gefälscht hat.

Essentiell wird die Befragung, als der Vorsitzende Richter ein Thema mit der harmlos klingenden Frage einleitet, wie es denn Arid Uka mit der Religion halte. Arid Uka führt aus, dass er sich als gemäßigten Muslim einschätzt und dass er versucht habe, die Ideologie des Islam zu hinterfragen.

Richter Sagebiel fasst nach und kommt zum eigentlichen Kern:
"Haben sie die Pflicht gespürt, in den Krieg zu ziehen?"

Arid Uka antwortet leise: "Gerechtigkeit ja!", und er präzisiert: "Muslime verteidigen sich nur, die Religion erlaubt das." Und weiter: "Es war Gegenwehr, ja, diese Pflicht habe ich gespürt."

Arid Uka führt weiter aus, das der Djihad eine Anstrengung sei, ein besserer Mensch zu werden, und dass der Kampf mit Waffen auch dienlich sein kann, ein besserer Muslim zu werden.

Der Vorsitzende Richter fragt: "Auf dem Video ist nicht viel zu sehen."
Arid Uka: "Das Video hat mich besonders schockiert."

Der Richter insistiert: "Ihre Motive werden noch thematisiert."
Arid Uka weigert sich, über den Film zu sprechen.

Richter Sagebiel: "Woher stammt die Pistole?"
Arid Uka: "Dazu will ich keine Angaben machen."
Richter Sagebiel: "Das ist ein Fehler."
Arid Uka: "Nein!

Arid Uka wirkt plötzlich verstockt, unterschwellig aggressiv, motzig, nicht mehr leise und unscheinbar. Neben den Tränen zuvor eine erste sichtbare Gefühlsäußerung. Ein starker Kontrast.

Auf Nachfrage führt Arid Uka aus, dass er die Tatwaffe im Rucksack transportiert, jedoch das  Magazin in seiner Bauchtasche getrennt getragen habe; ein juristisch wichtiger Punkt, denn in der beschriebenen Form wurde die Pistole nicht griffbereit, sondern von der Munition getrennt transportiert, und laut Arid Uka erst unmittelbar vor der Tat blind im Rucksack in einen schussbereiten Zustand gebracht. Der Richter fragt diesbezüglich nach, ob Arid Uka denn Erfahrung mit Pistolen habe und schon einmal übungsweise geschossen hat. Arid Uka verneint dies kategorisch. Zwar habe er schon mal die illegale Tatwaffe durchgeladen, dann aber nicht geschossen. Wie Arid Uka jedoch ohne Waffenkenntnis die scharfe Patrone aus dem Patronenlager hat entfernen können, eine Tätigkeit, die profundes Wissen erfordert, wurde nicht erörtert.

Der Tatvorgang rückt wieder in den Mittelpunkt des richterlichen Interesses. Das Publikum erfährt, dass Arid Uka auf dem Weg zum Flughafen, dem Tatort, im Linienbus jihadistische Propaganda-Musik gehört hat, göttliche Musik auf dem Weg in den Krieg.

Der Richter fragt: "War das ein privater Jihad?"
Arid Uka antwortet: "Ich bin zum Flughafen gefahren, um Soldaten zu töten."
Richter Sagebiel erwidert: "Das würde ich einen privaten Jihad nennen."
Arid Uka widerspricht: "Das hat nichts mit Religion zu tun, zu töten."

Die Verteidigung interveniert plötzlich hinsichtlich des Kontextes motivierender "göttlichen Kampfmusik" auf dem Weg zum Tatort und führt ein überraschendes Argument ein: Als gläubiger Muslim könne Arid Uka nur religiöse Musik hören, ein Vorsatz sei somit nicht zu unterstellen. Gegen eine solche Logik ist schwer anzukommen, jedoch muss dann auch zur Kenntnis genommen werden, dass damit von Seiten der Verteidigung  zugegeben wird, dass religiöse Musik des Islam nach ihrer Auffassung "Göttliche Kampfmusik" ist.

Richter Sagebiel thematisiert weiter Einzelheiten des Tathergangs. Arid Uka sagt aus, dass er sich nach dem ersten Schuss nicht mehr an den Tathergang erinnern könne. Träfe diese Aussage zu, müsste Arid Uka nicht erklären, warum er laut Islamische Kampfrufe ausstieß, als er schießend durch den Bus gelaufen ist. Ein Vorgehen, das man sicherlich einem motivierten "Gotteskrieger" als normale Handlungsweise unterstellen kann. Aber ein Gotteskrieger will Arid Uka auf keinen Fall gewesen sein. Vielmehr sei sozusagen ein Moment der Spontanität mit im Spiel gewesen. Arid Uka: "Als der letzte Soldat auf dem Weg in den Bus an mir vorbeigelaufen ist, habe ich die Entscheidung getroffen, zu schießen."

Der Vorsitzende Richter fragt nach, wie den eine "spontane" Entscheidung spontan sein kann, wenn die Pistole im Rucksack vor dem Schuss erst noch zusammengesetzt und durchgeladen werden muss, bevor man schießen könne. Arid Uka sagt, das habe er schon zuvor erledigt.

Richter Sagebiel fasst wieder nach und zielt auf den Vorsatz der Tötungsabsicht ab, möchte wissen, ob der Angeklagte gezielt auf den Kopf des ersten Opfers geschossen habe.
Arid Uka: "Habe nicht auf den Kopf gezielt. Wollte nur Töten."

Richter Sagebiel: "Sie haben doch wohl den Arm gehoben und gezielt geschossen?"
Arid Uka widerspricht: "Ich habe nur in die Richtung geschossen, nicht gezielt."

Der Vorsitzende Richter konfrontiert den Angeklagten nochmals mit dem detaillierten Vorgehen, dass Arid Uka notwendigerweise den Arm gehoben haben muss - dies sei aber eine gezielte Handlungsweise. Arid Uka bleibt bei seiner Sichtweise: "Habe den Arm gehoben, aber nur in seine Richtung geschossen."

Auf Nachfrage sag Arid Uka, er hätte noch nie mit der Pistole Schießübungen durchgeführt.

Richter Sagebiel tadelt den Angeklagten und wirft ihm "beschönigende Halbsätze" vor, die seine Taten relativieren sollen. Weiterhin setzt der Vorsitzende Richter Sagebiel den Angeklagten in Kenntnis, dass er zwar grundsätzlich die Aussage verweigern könne; im vorliegenden Falle aber, in dem er, der Angeklagte, vorbehaltlose Offenheit reklamiert habe, in diesem Falle könnten Arid Uka sogenannte "Teileinlassungen" durchaus zum Nachteil gereichen, da das Gericht in diesem Falle berechtigt sei, negative Schlüsse aus diesem Verhalten zu ziehen.  

Die Befragung wird nach der Ermahnung fortgesetzt. Nochmals wird nach der Erfahrung Arid Uka in Bezug auf Waffen gefragt. Er führt nun aus: "Durch PC-Spiele habe ich eine Nähe zu Waffen entwickelt. Und ja, ich habe auch schon mit Softair-Waffen das gezielte Schießen geübt - aber nie auf Menschen."

Richter Sagebiel: "Alle Schüsse zielten auf den Kopf."

Arid Uka: "Nach dem ersten Schuss kann ich mich an nichts mehr erinnern."

Richter Sagebiel: "Obwohl Sie sagen, sich nicht an das weitere Tatgeschehen erinnern zu können, haben sie doch der Anklage in allen Punkten zugestimmt, der Täter zu sein. Wie können Sie das wissen, dabei gewesen zu sein?"

Arid Uka hat eine Antwort parat: "Ich habe einzelne Bilder im Kopf, auch vom weiteren Tathergang, aus dem Bus."

Das Gericht verweist auf Arid Ukas Facebook-Einträge, die ja wohl auf eine islamische Kampfbereitschaft hindeuten.

Arid Uka: "Ich wollte nach Afghanistan, um dort gegen die Amerikaner zu kämpfen, wußte aber nicht, wie ich da hinkomme."

Richter Sagebiel fragt, ob Arid Uka mit dem Tod gerechnet habe.

Arid Uka: "Ich habe mit dem eigenen Tod gerechnet."

Vorsitzender Richter: "Das wäre dann ein Tod als Märtyrer?"

Arid Uka: "Nein, ich habe nicht an das Paradies gedacht."

Richter Sagebiel, fragt nach, ob Arid Uka gewußt habe, dass die Soldaten im Bus unbewaffnet waren.

Arid Uka: "Mir war klar, dass die Soldaten unbewaffnet waren."

Die Staatsanwaltschaft thematisiert nochmals den Werdegang Arid Ukas.

Arid Uka: "Ich suchte nach dem Schulabbruch nach Halt."

Nach der Realschule im Jahre 2006 habe er sich dem Islam zugewandt, präzisiert die Staatsanwaltschaft, und weiter: Arid Uka hat die Grundwerke des Jihadismus gelesen und Moscheen und einschlägige Prediger aus dem Islam gehört. Der Staatsanwalt fragt provokant in Richtung Verteidigung, ob man sich Arid Uka als einen "autodidaktischer Durchlauferhitzer" vorzustellen habe, der sich kurz vor dem Anschlag blitzartig radikalisiert habe?

Der Vorsitzende Richter versucht nochmals in eine andere Richtung zu sondieren und befragt Arid Uka nach seinem Verhältnis zu Sexualität, zu Frauen, ob er denn eine Freundin gehabt habe. Arid Uka führt aus, dass er für eine Freundin viel zu schüchtern gewesen sei und auch nie mit einer Frau ausgegangen sei.

Diese Frage vom Vorsitzenden Richter stimmt nachdenklich, da sie in jenem Sinne nur notwendig erscheinen würde, wenn man Arid Uka gutachterlich eine sexuelle Reifeverzögerung und Deformation attestiert hat, so dass eine von Arid Uka wahrgenommene Vergewaltigung von Frauen aus seinem Kulturkreis als eine überschießende Reaktion im Bereich der Psychopathologie eine Teilerklärung fände. Jene Frage würde dann, aber auch nur dann einen Sinn machen, wenn  der Vorsitzende Richter am ersten Verhandlungstag den Inhalt des psychiatrischen Gutachtens schon kennen würde UND der an dieser Stelle unbekannte Inhalt des Gutachtens in die vom Richter durch seine Frage ausgeführte Richtung weisen würde.

Das Einvernehmen mit dem Angeklagten findet langsam ein Ende und Arid Uka wird befragt, ob Verwandte, z.B. seine Eltern, der Verhandlung beiwohnen. Arid Uka verweist darauf, dass nur sein älterer Bruder bei den Zuschauern anwesend sei. Und tatsächlich ist der Bruder von Arid Uka,  Hastrid Uka, 27 Jahre alt, im Publikum auszumachen, umringt von einer Traube unauffälliger Personenschützer beiderlei Geschlechts, teilweise aus dem Fernsehen bekannt, wobei sich die Frage stellt: ist die Öffentlichkeit vor dem Bruder zu schützen, oder der Bruder vor der Öffentlichkeit?


5. Der BKA-Sachverständige

Basis der BKA-Ermittlungen ist die am 3. März erfolgte Übernahme des Verfahrens durch die Generalbundesanwaltschaft aufgrund der Bedeutung des Verfahrens - der Ermittlungsverdacht zielt auf einen islamistischen Anschlag in Deutschland.

Der strukturierte Power-Point-Vortrag des Sachverständigen Horst Scholl, leitender Terrorismusexperte beim Bundeskriminalamt, bebildert das Tatgeschehen von Arid Uka mit Tatortfotos, Skizzen und Video-Aufnahmen aus diversen Kameras des Frankfurter Flughafen: eine sekundengenauen Chronologie des Schreckens. Wenn auch das diffuse Grauen der Tatweise durch diese eindeutigen Fakten nicht aufgehellt werden kann, wird die Tat dennoch empfindlich gegenständlich, fassbar, bekommt Farbe, Kontur und Bewegung und setzt einen notwendigen Kontrast zu dem  unscheinbaren, jungen Angeklagten, der so harmlos erscheinen will, seine Stimme nur ein unschuldiges Flüstern. Von dem Zeitpunkt an, als Arid Uka am Tattag den Bus betrat, seinen I-iPod in Gang setzte und religiös-islamische Kampflieder hörte, bis zu seiner Aufgabe vor einer Bundespolizistin und ihres Kollegen, jede Minute, jede wichtige Sekunde wird im Vortrag des BKA-Spezialisten thematisiert und zu Protokoll gebracht.

15 Junge Männer der US-Airforce, die von England kommend in Frankfurt auf dem Weg nach Afghanistan einen Zwischenstopp einlegten, haben in dem Militärbus Platz gefunden, führt der BKA-Fachmann aus. Ihre Waffen waren in speziellen Behältern verschlossen. Auf einer Übersichtsgrafik ist zu erkennen, dass Arid Uka, nachdem er den ersten Soldaten vor dem Bus hinterrücks erschossen hat in den Bus steigt und dort auf den Busfahrer trifft. Diesem schießt Arid Uka aus 50 cm Entfernung in den Kopf, seitlich-hinten - die Schussbahn lässt darauf schließen, dass der Busfahrer den Kopf abgewendet hatte und aus dem Fenster geschaut haben musste, ohne Arid Uka kommen zu sehen. Diese Tatdurchführung würde somit auch das Merkmal der Heimtücke erfüllen, da der Fahrer wehr- und ahnungslos in den Tod ging.

Nachdem Arid Uka den Fahrer, sein zweites Opfer mit einem gezielten Kopfschuss getötet hat, läuft er, laut "Gott ist Größer" auf Arabisch rufend im Mittelgang durch den Bus und schießt auf die ersten jungen Männer, die er erreichen kann, jeweils auf Kopf und Oberkörper. Wie ein Wunder erscheint es, dass Opfer drei und vier schwer verletzt überleben. Das fünfte Opfer bekommt die Waffe ebenfalls an den Kopf gehalten. Arid Uka drückt ab, einmal, zweimal, doch nur ein lautes "Klicken" erfolgt - Ladehemmung. Der schockierte Soldat springt auf, um Arid Uka zu überwältigen, doch dieser ist schon auf der Flucht aus dem Bus gesprungen, die Waffe wieder in den Rucksack packend, und bewegt sich sprintend über das Rollfeld in die Flughafenhalle. Seine Flucht wird von einem Flughafenmitarbeiter bemerkt, der Arid Uka mit einem Sicherheitsabstand folgt und die Fluggäste in der Halle durch lautes Rufen warnt. Dies weckt die Aufmerksamkeit einer Beamtin und eines Beamten der Frankfurter Bundespolizei, die die Verfolgung durch die Halle und über eine Rolltreppe nach oben aufnehmen und nach einem kurzen Wortwechsel Arid Uka zur Aufgabe zwingen. Bevor Arid Uka vor einer Beamtin mit dem gezogenen Abwehrstock kapituliert, sagt er zu dem männlichen Beamten, der sich ihm zuerst in den Weg gestellt hat: "Wenn Du Deine Waffe ziehst, ersteche ich Dich!"

Nach diesen Details führt der BKA-Sachverständige aus, dass die Tatwaffe wohl vom  älteren Bruder stammt, der durch den illegalen Erwerb der Tatwaffe als auch einer 2. scharfen Schusswaffe, die im elterlichen Schlafzimmer ebenfalls gefunden wurde, sich aktuell vor Gericht wegen illegalen Waffenbesitzes verantworten muss. Im Keller der Wohnung der Ukas finden sich eine Gaspistole und eine Paint-Ball-Pistole.
Ein weiterer, breit erörterter Sachstand ist der IPod, bzw. die Musik, die Arid Uka auf dem Weg zum Flughafen hört. Durch Videokameras im Linienbus vom Wohn- zum Tatort, die einen Zeitstempel in die Aufnahmen kopieren und durch die Abspielliste des MP3-Players konnten die Spezialisten des BKAs minutengenau rekonstruieren, welches Lied Arid Uka auf der längeren Hinfahrt (ca. 30 Minuten) abgespielt und gehört hat. Insgesamt hörte Arid Uka 18 Lieder, die alle als religiöse Kampflieder des Islam gelten. Teilweise werden Lieder vor Gericht angespielt und Liedtexte können zur Kenntnis genommen werden. Beispielsweise befasst sich ein Kampflied mit der Mutter des Märtyrers ("Mutter bleibt standhaft") und heroisiert den Täter auf dem Weg zum heiligen Krieg. Zu klagenden orientalischen Sing-Sang-Melodien wird einer anonymen Mutter wehleidig singend Mut zugesprochen, ihrem Sohn im heiligen Krieg beizustehen und zu opfern.  

Nachdem der Linienbus am Flughafen angekommen ist, begibt sich Arid Uka zielstrebig in den Terminal 2, setzt sich auf einen Platz und wartet von ca. 14:21 - 14:49 Uhr auf amerikanische Soldaten. Als jene schließlich auftauchen, folgt er ihnen und spricht einen Minuten später nach einer Zigarette an, horcht ihn aus, ob er und seine Kameraden nach Afghanistan fliegen werden: Das Todesurteil des hilfsbereiten Soldaten aus den USA, der freundlich Auskunft erteilt.

Später wird der Vorsitzende Richter den Angeklagten fragen, warum er denn eine halbe Stunde dort gewartet habe, wenn er doch - wie Arid Uka sagte - zufällig auf Soldaten treffen und nur dann, quasi aus schicksalhafter Koinzidenz, zum Täter werden wollte. Arid Uka ist gut vorbereitet. Er wird antworten, dass er an diesem Tag hätte arbeiten müssen: Wären keine Soldaten gekommen, wäre er zur Arbeit gegangen, führt er aus. Und tatsächlich, ein Detail besonderer Güte: In seinem Rucksack, sagt der BKA-Beamte aus, befanden sich neben der Tatwaffe zwei belegte Brötchen und ein Pausengetränk.  Arid Uka war somit auch für "Plan B" gut vorbereitet: ein leckerer Snack für die Arbeitspause, falls dem Töten von ahnungslosen Menschen unvorhergesehen etwas dazwischen gekommen wäre. Allerdings lässt sich diese Planungskompetenz von Arid Uka, sehr schlecht mit der Verteidigungsstrategie vereinbaren.

Die weiteren Details des BKA-Vortrages zeichnen ein Bild eines jungen Mannes, der mit gewaltverherrlichenden Texten und  Musik aus dem religiösen Umfeld des Islams überreichlich versorgt war. Mehrere Hunderte Text- und Tondokumente konnten auf seinem IPod nachgewiesen werden, die den islamischen Krieg gegen die Ungläubigen als eine gottesfürchtige Tätigkeit fördern, billigen und mit Argumenten untermauern. Darunter ca. 830 islamische Predigen, 130 lyrische Lobpreisungen und 300 islamische Vorträge. Ein Islamisches Rechtsgutachten, dass den Krieg gegen Ungläubige als geboten erscheinen lässt, war lt. Aussage des BKA-Sachverständigen allerdings nicht dabei (Islam-Kundige werden wissen, dass der Koran selbst diese Vorgehensweise als höchstes sittliches Gebot vorschreibt und ein Rechtsgutachten nicht notwendig ist: der einzige Weg als Normalsterblicher im islamische Glaubenssystem sicher ins Paradies zu kommen, besteht bekanntlich darin, im Kampf für den islamischen Glauben zu sterben).

Eine weitere Quelle seiner Hinwendung zur Gewalt waren für Arid Uka Kontakte über soziale Netzwerke wie Facebook und Videos aus dem Internet,  in denen der Islam als Opfer und die westliche Welt als Täter dargestellt werden. So auch in dem schon genannten Video, das Arid Uka laut eigener Aussage so schockierte.  Es ist das Video namens, "DIE WAHRHEIT ÜBER UNSERE SCHWESTERN.STEHT AUF!!!!!" und ist im Internet über Google auch aktuell abrufbar.

Der Inhalt des Videos ist, dies dürfte unbestritten sein, in keiner Weise mit jenen grenzüberschreitenden Bild- und Ton-Exzessen vergleichbar, die im Bereich Pornografie oder Gewaltdarstellung millionenfach im Netz verfügbar sind. Es ist ein Video, das in erster Linie als Propaganda darauf abzielt, den Eindruck zu erzeugen, ehrenhafte, gläubige muslimische Frauen würden von nichtmuslimischen, westlichen "Tieren" beliebig, auch in Gruppen, vergewaltigt und entehrt. Und da Frauen im Islam als eine Art Besitzstand des Mannes aufgefasst und der reinen Männerwillkür ausgesetzt sind, stellt sich der Vorwurf der "Vergewaltigung" weniger in dem Sinne, wie es die westliche Welt als sexuelle Notzucht einordnet: es ist insbesondere eine Vergewaltigung des Glaubens vom Islam, der Frauen als ein Besitzstand islamischer Männer inkludiert. In jenem Sinne wäre zu verstehen, dass Arid Uka  Wut und Zorn empfand beim Anblick des Videos, weil eigene Besitzstände, und sei es auch nur zukünftige, von fremden, westlichen Mächten, von US-Soldaten, entweiht und benutzt wurden. Kurz: der vorgebliche Schutzreflex galt nicht den Frauen als Person, sondern dem tief empfundenen, religiös überhöhten eigenen Zugriffsrechten auf die im Film dargestellten Opfer, deren gutes Aussehen in den Filmszenen wohl nicht einem Zufall, sondern der zu Grunde liegenden Zielsetzung geschuldet ist.

Kurz nach 15:00 Uhr innerhalb des Vortrages des BKA-Fachmannes kommt es am ersten Prozesstag zu einem bemerkenswerten Zwischenfall, der symbolisch für die innere Logik jener blutigen Geschehnisse auf dem Frankfurter Flughafen inklusive dessen Verteidigung stehen kann: Nach dem Willen des Vorsitzenden Richters wird angeordnet, jenes Video im Gericht vorzuspielen, das Arid Uka laut eigener Aussage am Vorabend des Tattages zu seiner schrecklichen Tat motiviert habe. Aber Arid Uka erkennt sich plötzlich selbst als ein Opfer nicht zumutbarer Handlungen, und er verweigerte sich, das Video im Gericht anzusehen oder diesbezügliche Fragen vom Vorsitzenden Richter zu beantworten. Trotzig senkt er den Blick und lässt sich von keiner Intervention des Gerichts dazu umstimmen, den Blick zu heben und sich der Situation zu stellen. Der Vorsitzende Richter Sagebiel lässt sich vom Verhalten des  Angeklagten nicht beirren und weist ihn darauf hin, dass er nicht bereit sei, diese "Theatralik" weiter  mitzumachen. Dennoch erreicht die Verteidigung, dass für den Angeklagten eine 10 Minütige Pause eingelegt wird.

Es ist 15:16 Uhr im Frankfurter Gerichtssaal, als die Sensibilität des Angeklagten diese schonende Pause erzwingt, exakt zur selben Uhrzeit, als Arid Uka auf dem Frankfurter Flughafen seinen Finger krümmte und dem ersten jungen Amerikaner von hinten in den Kopf schoss. Die damaligen Chancen auf Schonung der Opfer durch Arid Uka lagen bei exakt null Prozent.

Nach der  temporären nervlichen Insuffizienz von Arid Uka wird der Prozess mit dem Abspielen des inkriminierten Videos fortgesetzt. Wie nicht anders zu erwarten, weint Arid Uka während der Vorführung in jenem Umfang, dass die Zureichung von lindernden Taschentüchern als eine öffentlich beobachtbare Notwendigkeit in Erscheinung tritt.  Mit dem Kopf zwischen den Armen, auf den Tisch gestützt, entzieht er sich den ihm längst bekannten Bildern...

5 Minuten später ist die Tortur für Arid Uka vorbei und wenig später schließt der Beamte des BKA seinen Vortrag mit der Beantwortung des eingangs formulierten Anfangverdachts, es handele sich möglicherweise um einen islamistischen Anschlag. Das abschließende Statement des leitenden Terrorismus-Experten des BKA lautet: "Arid Uka hat seine Tat selbstständig geplant und durchgeführt."


(c) G. Andreas Kämmerer, 18. September 2011

Der 3. Teil  umfasst eine kommentierende Analyse.

Leserkommentare (2)

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In der Tat - eine mediale Begleitung im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Arid Uka, in der vorliegenden Form, sucht man in den etablierten Medien vergebens. Man fragt sich unwillkürlich warum.

Zunächst ein dickes Dankeschön für diese Berichterstattung!

Dass ein Jugendlicher sich in ein Verschweigen hineinsteigert und Lüge auf Lüge aufbaut, kann vorkommen, und dass er auch nicht das Standing und Verstehen hat, um einen Psychologen aufzusuchen, ist auch noch ok, das kann man alles verstehen. Nicht verstehen kann man, warum die Eltern so lange nichts gemerkt haben wollen und die Hilfe der Sozialindustrie in Anspruch nahmen, um das Problem zu lösen. Auch die Beschaffung der Waffe durch den Bruder ist dubios. Eine sehr komische Familie, so scheint es.

Dschihadistische Lieder auf dem Weg zur Tat hören, aber dann behaupten, dies hätte nichts mit (wohlgemerkt: seiner damaligen Auffassung von) Religion zu tun, ist schon ein starkes Stück. Wie schon im ersten Teil verhaspelt sich der Angeklagte in der Darstellung seiner damaligen und seiner heutigen Auffassung von Islam. Es ist ja in Ordnung, wenn er heute meint, Islam sei Frieden, das wäre zu begrüßen, aber dann könnte er doch problemlos dazu stehen, dass er es damals falsch sah? Damit kommt er aber offenbar bis heute nicht wirklich klar.

An dieser Stelle würde mich interessieren, wie muslimische Beobachter dieses Hin und Her des Angeklagten sehen.

Dass er keine Schießübungen durchgeführt hat, ist aus folgendem Grund unglaubwürdig: Jeder, der beim Grundwehrdienst schon einmal Pistole geschossen hat, weiß, dass einen der Rückstoß beim ersten Mal ziemlich überrascht. Die Pistole ist mir damals fast aus der Hand geflogen! Nach dem ersten Schuss habe ich immer nur noch beidhändig mit der Pistole geschossen, weil es anders gar nicht ging. Das einhändige Geballer, das man aus Westernfilmen kennt, bekommt kein Anfänger hin. Diesen Moment der Überraschung hätte der Täter unbedingt erfahren müssen, wenn er bei der Tat das erste Mal geschossen hätte. Hat er aber offensichtlich nicht.

Eine Fatwa über den Dschihad braucht ein Islamist nicht. Nur im orthodoxen Islam braucht es zunächst eine Fatwa, bevor man in den Dschihad zieht. Es reicht im orthodoxen Islam nicht, wie im Beitrag behauptet, den Koran zu lesen, um in den Dschihad zu ziehen.

Je nach Lesart, Schule und Laune des Religionsgelehrten können die Kriterien für den Dschihad sogar ganz vernünftig sein und den Kriterien ähneln, die der Katholische Weltkatechismus definiert. Aber man kann sich auf einen Religionsgelehrten eben nicht gleichermaßen verlassen wie auf den Katholischen Weltkatechismus. Deshalb war es schon immer meine Idee, dass eine Islamreform damit anfangen müsste, dass die einzelnen islamischen Gruppierungen verbindliche Katechismen schreiben, und nicht immer nur auf den Koran verweisen. Wenn mir ein Christ mit der Bibel vor der Nase rumwedelt, weiß ich schließlich auch noch lange nicht, was er nun wirklich glaubt. Aber bei unseren Politikern ist das alles in den Wind geschrieben.