Frankfurts 18-Prozent-Oberbürgermeister

Mike Josef gewann dank grünen und linken Wählern

Frankfurts 18-Prozent-Oberbürgermeister

Hübners Frankfurter Woche – Folge 77

Auch wenn im Märzregen noch zahlreiche Plakate in der Stadt vor sich hin gammeln: Die Wahl des neuen Frankfurter Oberbürgermeisters ist erfolgt, der SPD-Kandidat Mike Josef hat sich knapp vor dem CDU-Bewerber Uwe Becker durchgesetzt und wird am 11. Mai sein Amt antreten. Was für Josef zweifellos ein großer, nicht unbedingt erwarteter Erfolg ist, muß Becker, der so gerne mit der goldenen Amtskette geglänzt hätte, als bittere Niederlage empfinden. Und dieser Wahlausgang dürfte für ihn wohl auch das endgültiges Ende seiner kommunalpolitischen Ambitionen bedeuten. Denn einfacher als bei dieser Wahl - nach dem schändlichen Scheitern des SPD-Politikers Peter Feldmann - dürfte es für ihn nie mehr werden, das höchste Amt der Stadt zu erringen.

Zwar redet sich die CDU die neuerliche Niederlage nach der Kommunalwahl 2021 schön. Und Becker behauptet, er sei stolz darauf, Josef nicht mit der AWO-Affäre in Bedrängnis gebracht zu haben und brauche sich deshalb beim Blick in den Spiegel nicht zu schämen. Das hört sich sehr edel an. Doch tatsächlich konnte es Becker auch gar nicht wagen, die Rolle der SPD in dem Skandal und Josefs mögliches Mitwissen darüber zu thematisieren. Denn dann hätte sogleich die Rolle der CDU und des langjährigen Stadtkämmerers Becker zur Diskussion gestanden. Schließlich fanden die Machenschaften der korrupten AWO-Führung in Zeiten statt, als die CDU im Römer noch stärkste Partei und Becker deren mächtigster Mann im Magistrat war.

Die Weigerung des CDU-Kandidaten, Josef bei diesem und auch bei anderen Themen kämpferisch anzugehen, waren für viele Wähler jedenfalls kein Grund, Becker auch noch ihre Stimmen zu geben. Und so waren es nur 35 Prozent der Wahlberechtigten, die sich an der Stichwahl letzten Sonntag beteiligten. Mit anderen Worten: Eine überwältigende Mehrheit von 65 Prozent nahm an dieser Entscheidung nicht teil. Somit konnte Josef mit nur 18 Prozent der wahlberechtigten Frankfurter den Sieg davontragen. Ausschlaggebend für seinen Erfolg waren, das zeigen die Analysen, noch nicht einmal die eigene SPD-Wählerschaft, sondern die Stimmen aus dem grünen und ganz linken Lager.

Das kann dem linken Sozialdemokraten Josef nur recht sein. Doch ab und zu werden ihn die Grünen und Dunkelroten daran erinnern, wem er sein Amt zu verdanken hat. Das wird Frankfurt nicht immer zum Vorteil gereichen. Denn Josef findet eine Stadt vor, die an vielen Stellen schmutzig und verwahrlost ist, wo also mehr Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung vonnöten wären. Zudem findet er eine Stadt vor, die finanziell über ihren Verhältnissen lebt und ab nächstem Jahr nicht mehr auf Rücklagen aus vergangenen fetten Jahren zurückgreifen kann. Doch das sind alles keine Themen, die Grüne, SPD und Dunkelrote besonders gerne im Fokus haben. Der neue 18-Prozent-Oberbürgermeister steht also schon bei Amtsantritt vor vielen schweren Herausforderungen.


Wolfgang Hübner

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