Frankfurt: „Eine glückliche Stadt“?
Anmerkungen zu einem Zeitungskommentar
Hübners Frankfurter Woche – Folge 102
Vor einigen Tagen wurde ich auf einen Kommentar in einer überregional verbreiteten Frankfurter Zeitung aufmerksam, der die Überschrift hatte: „Eine glückliche Stadt“. Der Verfasser erinnerte an die Abwahl von Skandaloberbürgermeister Peter Feldmann. Diese Abwahl war sicher einer Erleichterung für Frankfurt, aber hat sie die Stadt deshalb sogar glücklich gemacht? Frankfurt, das sind ganz vorrangig nicht die Hochhäuser oder Firmenadressen, sondern die Menschen, die hier leben und arbeiten. Laufen sie seit der Abwahl glücklich herum, fühlen sie sich glücklicher?
Mein Eindruck ist das nicht. Denn ihr Alltag ist durch einen Wechsel im höchsten Amt der Stadt nicht leichter geworden. Und die Probleme in der Stadt mit extrem hohen Lebenshaltungskosten, sozialer Schieflage, ungelösten Verkehrsproblemen sowie einer verdreckten Innenstadt mit wachsenden Leerständen selbst auf der Zeil sind keineswegs verschwunden. Selbst der fähigste, fleißigste Oberbürgermeister im Römer kann die vielfältigen Probleme einer infrastrukturell deutlich überbelasteten Stadt nicht wegzaubern.
Der Verfasser des Kommentars verrät, sicher unfreiwillig, in seinem Text, warum er in Wahrheit Frankfurt für eine glückliche Stadt hält: Er lobt nämlich Feldmanns Nachfolger dafür, daß dieser „nun wieder in Kreise eingeladen wird, die mit seinem Vorgänger lange nichts mehr zu tun haben wollten.“ Und er meint, das helfe allen Bürgern der Stadt. Richtig ist: Peter Feldmann, der sich jetzt stolz als immer schon überzeugter linker Sozialist präsentiert, hat zum Beispiel die in Frankfurt traditionsreiche Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) regelrecht nach München vertrieben. Und so gut wie niemand trauert diesem immerhin zweimal demokratisch gewählten Politiker nach.
Doch wer sind die ominösen „Kreise“, die der Kommentator erwähnt? Ich denke, das sind jene, die in Frankfurt (und anderswo) keine politischen Ämter begleiten, aber wirtschaftlich und gesellschaftlich mächtig genug sind, um die Geschicke im Hintergrund zu lenken und davon auch profitieren. Und die darüber entscheiden, welche Politiker und Parteien akzeptiert werden und welche nicht. Das sind offensichtlich auch die gleichen, welche Frankfurt für glücklich erachten, weil sie selbst sich glücklich fühlen. Der Verfasser des Kommentars gehört zweifellos dazu. Das sei ihm gegönnt. Aber das eigene Glücksgefühl auf die ganze Stadt zu übertragen – das ist eine Anmaßung.
Wolfgang Hübner