Der „Kaiser“ fuhr nicht gerne zur Eintracht

Erinnerungen an ein deutsches Fußballidol

Der „Kaiser“ fuhr nicht gerne zur Eintracht
© Magnussen, Friedrich - Stadtarchiv Kiel - CC BY-SA 3.0 commons.wikimedia.org

Hübners Frankfurter Woche – Folge 109

Bei der Nachricht vom Tod Franz Beckenbauers erinnerten sich diese Woche Millionen Fußballfans an den größten Star der populärsten deutschen Sportart. Es gibt immer noch viele Menschen, die ihn in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts spielen gesehen haben. Oder den Teamchef der Nationalmannschaft vor Augen haben, der mit seinen Spielern 1986 Vizeweltmeister in Mexiko sowie 1990 Weltmeister in Italien wurde. Und die ganz alten Eintracht-Fans werden nicht vergessen haben, wenn der Franz mit seinen Bayern im Waldstadion spielte und dort nicht selten einen auf die Mütze bekam.

Zum Beispiel am 22. November 1975: Damals brachte die Eintracht mit den Weltmeistern Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein vor 55.000 Zuschauern im Waldstadion den Bayern mit dem furiosen 6:0 eine in dieser Höhe sensationelle Niederlage bei. Immerhin waren die Münchner mit drei Weltmeistern von 1974 gekommen, allen voran Franz Beckenbauer, dazu Sepp Maier und Georg Schwarzenbeck sowie mit dem jungen Karl-Heinz Rummenigge am Beginn seiner großen Karriere. Auch der legendäre Libero Beckenbauer konnte das Desaster nicht verhindern. Besonders gerne ist er nie zu den Meisterschaftsspielen nach Frankfurt gefahren, denn es gab zu seiner Zeit als Spieler oft genug Niederlagen dort.

Doch 15 Jahre nach der Rekordniederlage war die Mainmetropole für Franz Beckenbauer Schauplatz eines seiner größten Triumphe: Am Tag zuvor hatte die von ihm betreute deutsche Nationalmannschaft im Finale der WM in Italien 1:0 gegen Argentinien mit Maradona gesiegt. Am 9. Juli 1990 kamen die frischgebackenen Weltmeister aus Rom, um in Frankfurt gefeiert zu werden. In der Stadt herrschte Ausnahmezustand, schon früh war der Römerberg mit Menschen überfüllt, unzählige Nationalflaggen wurden im Jahr der Wiedervereinigung geschwenkt.

Ich berichtete damals als Journalist einer großen internationalen Nachrichtenagentur von dem Ereignis. Am Flughafen war ich dabei, als die müden, teilweise recht alkoholisierten Helden in die Wagen zum Triumphzug zum Römer stiegen. Es war alles recht chaotisch, für zehn Sekunden konnte ich sogar selbst die begehrteste Trophäe des Weltfußballs in den Händen halten. Beckenbauer, die nicht soviel älter als seine Spieler war, wirkte glücklich, aber auch gelassen. Schließlich hatte er schon so viele Siege gefeiert.

So werde ich ihn in Erinnerung behalten: Als Sportler und Lichtgestalt, der an jenem Tag sichtlich Wert darauflegte, nicht selbst im Mittelpunkt der Ovationen der Massen zu stehen, sondern dieses einmalige Ereignis vorrangig seinen Spielern zu gönnen. Das zeigte auch menschliche Größe.


Wolfgang Hübner

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