Vorsicht bei Preisverleihungen!

Frankfurter Streit um Adorno-Preisträgerin Judith Butler

Vorsicht bei Preisverleihungen!
© Jreberlein at English Wiki, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Hübners Frankfurter Woche – Folge 117

War das ein Jubel in der Frankfurter Paulskirche, als der amerikanischen Philosophin und feministisch-queeren Ikone Judith Butler 2012 der Theodor W. Adorno-Preis verliehen wurde! Die gesamte Frankfurter Prominenz samt denjenigen, die sich prominent wähnen, war versammelt, als der damalige Kulturdezernent Frau Butler den Preis überreichte. Schon 2012 war die israelkritische Haltung der jüdischen Amerikanerin bekannt, es gab auch Proteste deswegen. Nun drängt der Verband Jüdischer Studierenden Hessen darauf, Frau Butler den Preis nachträglich abzuerkennen.
 
Begründete wird dieses Ansinnen mit einer Rede von ihr am 3. März 2024 in Paris. Darin soll sie die Schuld von Hamas an dem Massaker des 7. Oktober 2023 relativiert und verharmlost haben. Dazu gibt es verschiedene Meinungen. Frau Butler, Nachkomme von vielen im Holocaust ermordeten Familienmitgliedern, bestreitet das jedenfalls. Dass nun auch der stets übereifrige hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker (CDU) in den Chor der Aberkennungsbefürworter einstimmt, ist nicht verwunderlich, aber verlogen.
 
Denn wo blieb Beckers öffentlicher Protest 2012, als er noch Kämmerer der Koalition von CDU und Grünen gewesen war, die sich damals sehr stolz auf die weltbekannte Vertreterin der Gender-Ideologie gab? Wer allerdings 2012 Einwände äußerte, das waren die Bürger Für Frankfurt, deren Stadtverordneter ich seinerzeit war! Aber nicht wegen der Israelkritik einer amerikanischen Jüdin, sondern wegen deren fragwürdigen Ansichten zum Geschlechterproblem. Es war und ist Frau Butler, die mit ihren Schriften entscheidend und leider sehr erfolgreich dazu beigetragen, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern negativ zu beeinflussen. Dass das bei ihr auf theoretisch hohem Niveau geschieht, muss ihr allerdings zugestanden werden.
 
Die Aberkennung des Adorno-Preises wäre nur dann diskutabel, wenn die Philosophin sich offen antisemitisch geäußert hätte. Das ist jedoch schon deshalb nicht der Fall, weil Frau Butler selbst Jüdin ist. Deshalb sollte diese Diskussion schnell beendet werden. Das tatsächliche Problem war die Preisverleihung 2012, die nicht zuletzt einer Theorie galt, mit deren praktischen Folgen nun die westliche Welt wahrlich nicht besser geworden ist. Und was den übereifrigen CDU-Becker betrifft: Seine Frustration, in Wiesbaden nicht Minister geworden zu sein, sollte er nicht bei Themen austoben, bei deren Entstehung er als braver Parteisoldat den Mund gehalten hat.

 
Wolfgang Hübner

Leserkommentare (0)

Um einen Kommentar zu verfassen, loggen Sie sich bitte hier ein.
Falls Sie noch kein Benutzerkonto besitzen, können Sie sich hier registrieren.